Thüringer Allgemeine 04.08.2007

Das Leben in Posen

Einmal, da geht er über staubiges Land. An der rechten Schulter die russische Maschinenpistole, in der linken Hand die amerikanische Gitarre. Er wird diese Bilder geliebt haben. Der Dokumentarfilm "Der Rote Elvis" erzählt viel über Dean Reed, ohne je geschwätzig zu werden.

ERFURT. Der Regisseur Leopold Grün wurde 1968 in Dresden geboren, er konnte also von Dean Reeds Tagen und Jahren in der DDR nur die schlechten bewusst erinnern. Das mag ihn bewogen haben, die Bewertung dessen, was er über Dean Reed zu erzählen hat, denen zu überlassen, die dabei gewesen sind: Kein Kommentar, nur eine klug balancierende Montage gegensätzlicher Bilder und Aussagen, Frauen, Freunde, Kollegen, Beobachter, Konzerte und Filme. Aber natürlich ist die Auswahl ein bewusstes Erzählen, das von einer Haltung bestimmt wird, und da geht es dem Regisseur wohl wie vielen seiner Zuschauer: Respekt für den Menschen und Distanz zu seinen künstlerischen Darbietungen, dieses Gesicht vermochte glaubhaft nur sich selbst auszudrücken. Ein Film, der auch ein wenig nostalgisch ist, aber ohne Verklärung. Leises Erstaunen, wie und wo man selbst einmal real existierte. Nachdenken über den Mann Dean Reed, über das Land DDR - und die Rolle, die der Betrachter selbst spielte in diesem Land.

Dean Reed spielte wohl nur Rollen, nur, dass er es nicht wusste, dass er die Rollen für das Leben nahm. Lauter Posen, ein ehrlicher Narziss. Er imaginiert sich in diese Posen, er lebt und glaubt sie. Der Freiheitskämpfer, der Star, der liebende Mann - und als sie der Wirklichkeit nicht standhalten, da ist er leer, da bleibt Verzweiflung.

Eine ehemalige Geliebte wundert sich, dass er so ganz allein ins Wasser ging, ohne Kamera, ohne Öffentlichkeit. Und seine Frau, sie ist durch einen Exklusivvertrag an Tom Hanks gebunden, sagte vor der Polizei aus, er habe am 12. Juni 1986 das Haus verlassen, um dorthin zu gehen, wo er wirklich geliebt würde. Ein konkretes Ziel habe er nicht genannt.

Es war der See.

Henryk GOLDBERG