Sächsische Zeitung 02.08.2007

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Dieser Hunger nach Leben

Heute startet der Dokumentarfilm "Der Rote Elvis" über Dean Reed im Kino.

Oliver Reinhard

Rückblicke auf Menschenleben bleiben zu oft zu schnell hängen. An jüngeren Ereignissen, die noch frisch sind in der Erinnerung, sich dort breitmachen und alles überlagern, was dieses Leben sonst noch ausgemacht hat. Auch die letzten Jahre von Dean Reed sind so eine kalte graue Wand. Deren Steine heißen: Selbstmord. Kriselnde Ehe mit der Schauspielerin Renate Blume. Vergebliches Mühen als Sänger. Vergebliches Mühen als Regisseur. Ein Mensch, dessen Leben ins Stocken geraten war. Ein Künstler, den Kunst und Publikum verlassen hatten. Ein Gescheiterter. Ein Verlöschender.

Ohne Kommentar

Der große Rest? Ferne Erinnerung. Wenn überhaupt. Dabei war der Amerikaner und freiwillige DDR-Bürger Dean Reed eine der schillerndsten, wunderlichsten, faszinierendsten und rätselhaftesten Figuren des Kalten Krieges. Ein Schicksal, in dem sich eine Epoche spiegelt. Ein Suchender, dessen Spuren der in Dresden geborene Dokumentarfilmemacher Leopold Grün nun nachgegangen ist. "Der Rote Elvis" kommt heute ins Kino. Man möchte ein ganzes Hutsortiment ziehen vor diesem Debüt.

Das liegt vor allem an einer scheinbaren Schwäche, die sich sehr bald als große Stärke des Films entpuppt. Leopold Grün zeigt ausschließlich Originalaufnahmen von Dean Reed, TV-Sendungen über ihn und Interviews von Zeitzeugen wie Armin Mueller-Stahl, Marie Isabel Allende Bussi, Reeds zweite Frau Wiebke, Egon Krenz, Defa-Regisseur Günter Reisch. Ein geschickt montierter Scherbenhaufen, ein Mosaik, ein Puzzle - aber kein einheitliches Bild. "Weil ich immer noch kein festes Bild von Dean Reed habe", sagt Leopold Grün. Da er auch nicht das Gegenteil behaupten will, gibt es keinerlei wertenden oder einsortierenden Kommentar. Nur Bilder und sprechende Köpfe. "Wer Dean Reed war, muss sich jeder Zuschauer selber beantworten. Wenn man das überhaupt kann."

Eine mutige Entscheidung. Vielleicht die einzig richtige. Selbst in aller gerafften Kürze lässt dieses Leben auch im Film nur eine Ahnung zu, wie überbordend voll es gewesen sein muss. Mit Träumen und Hoffnungen, mit Leidenschaften, Glück, Erfüllung, mit Irrtümern, Verzweiflung, Melancholie. Gut möglich, dass sich dieses Leben in zwei Hälften teilen lässt; "Der Rote Elvis" legt es nahe.

Die erste zeigt einen Dean Reed, der in sein Leben passte und in das sehr vieler Menschen. In ihm verschmolzen linke Utopie und revolutionäre Überzeugung mit dem Charme und dem Lächeln eines heiteren Sonnyboys. Ein Erfolgsmodell. Nicht in seiner Heimat, den USA: Über Chile und anderen Ländern Südamerikas ging Reed Anfang der 60er auf wie ein Stern. Er kämpfte gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, mobilisierte Massen für Allende, protestierte gegen modernen Kolonialismus, Atomwaffen, Krieg. Er wurde in der Sowjetunion und Osteuropa zum Pop-Phänomen eines die Welt bereisenden Amerikaners, der gegen sein eigenes Land agitiert.

"Wenn er nach Russland kam, war das wie Urlaub. Wir sahen sein Bild und vergaßen alle Lügen der Politik", sagt Lana Davis im Film. Wegen Dean Reed hat die Russin Englisch gelernt und ging später nach Denver in die USA, um seinem Grab nahe zu sein. Auch Reed wechselte 1972 seine Heimat. Auch er aus Liebe. Doch in der DDR wendete sich sein Schicksal. Einige Jahre drehte er Film um Film, nahm eine Platte nach der anderen auf. Ein Ami, der sich fü die bessere, die sozialistische Welt entschieden hat. Ein Liebling für das Publikum, ein Leckerbissen für die Staatsführung. Sie beutete ihn aus. Bis er ihr zu fade schmeckte.

In den 80ern begann sein Ruhm zu verblassen. Die Zeit drehte sich weiter, Reed drehte sich im Kreis, ohne irgendwo anzukommen. "Wie ein Spielauto, das auf einem Tisch immer hin und her fährt, aber nie über den Rand hinaus", sagt Armin Mueller-Stahl. Reed genoss volle Reisefreiheit und lobte die Mauer. Er sang von Liebe und Frieden und posierte im Libanon mit Kalaschnikow. Die Welt verstand ihn nicht mehr, er verstand die Welt nicht mehr. "Ich denke, er hat gemerkt, dass er sich verrannt hatte", sagt Leopold Grün. "Dieser so genannte Sozialismus hatte nichts mehr mit seinen Träumen zu tun. Für die Obrigkeit war er nicht mehr zu gebrauchen. Das muss sehr schlimm gewesen sein für jemanden mit einem so extremen Bedürfnis nach Anerkennung." Und die Schwester der Leidenschaft heißt Melancholie. "Er war lebenshungrig, gleichzeitig hatte er Angst vor dem Leben", glaubt Defa-Regisseur Celino Bleiweiß.

Ruf nach der Mutter

In der DDR fühlte sich Reed zunehmend unwohl, der Rückweg in die USA war ihm unmöglich - eine Sackgasse. Bei seinem letzten TV-Auftritt 1986 sang er ein schmachtiges Liebeslied an seine Mama. Am Anfang wirkte das peinlich, bald aber nur endlos traurig. Ein 47-Jähriger ruft nach seiner Mutter. Kurze Zeit später ging er aus seinem Leben in den Zeuthener See. "Ich fühlte mich von ihm alleingelassen", sagte seine Vertraute Maren Zeidler. "Das wollten wir doch gemeinsam tun."

Die Meinungen über Dean Reed gehen weit auseinander. Was man von ihm kannte, scheint oft nicht zusammenzupassen. Leopold Grün aber zeigt: Darin liegt kein Widerspruch. Vielmehr der einzig mögliche Schlüssel zu diesem denkwürdigen Leben mit all seinen hellen und Schattenseiten, seinen großen Idealen, seiner bitteren Tragik. "Der Rote Elvis" verklärt nichts davon, stellt nichts und niemanden bloß. Ein respekt- und würdevolleres Portrait über Dean Reed ist schwer vorstellbar.

Der Film startet heute in Dresden (Metropolis)

Der Regisseur

Leopold Grün wurde 1968 in Dresden geboren.

Er studierte in München Medienwissenschaften und Sozialpädagogik. Seither arbeitete er bei der Freiwilligen Selbstkontrolle FSK in Berlin, als Medienpädagoge und Regisseur.

Der Filmemacher drehte bereits zwei Porträts, doch "Der Rote Elvis" ist sein erster Langfilm.

"Wer Dean Reed war, muss sich jeder Zuschauer selber beantworten. Wenn man das überhaupt kann."

Leopold Grün, Regisseur

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