Film mit Herz und Seele
Szenen vom 17. Filmkunstfest MV
Warum Tom Hanks nicht zu sehen war
(Von Holger Kankel) · Kino, Kino, Kino. Stars und Glamour. Freche, berührende,
zauberhafte Filme, die viel mit dem Leben ihrer Zuschauer zu tun haben. Es war wirklich ein Fest
des Films und der Künste, das 17. Filmkunstfest, das erstmals den Namen des Landes trägt,
in dem es zu Hause ist. Knapp 16.000 Zuschauer sahen in 120 Vorstellungen über 60 Filme,
stritten untereinander und mit den Filmemachern und sahen sich trotz strahlenden Sonnenscheins
im Festivalkino "Capitol" sechs Tage und Nächte lang so richtig satt an jungen deutschsprachigen
Filmen. Der Schauspieler Manfred Zapatka schlendert gut gelaunt am Pfaffenteich. Axel Prahl,
mit einer Latschflasche Bier in der Hand, muss die Einlasserin im Kino erst überzeugen,
dass es eine gute Idee wäre, ihm den Eintritt zur Uraufführung seines Films "Du bist
nicht allein" zu gestatten. Der Regisseur Michael Verhoeven erschrickt wie immer, wenn er sich
selbst im Kino "Capitol" gegenübersteht - ein riesiges Foto aus jüngeren Jahren.
Eine mädchen-froh kichernde Hannelore Elsner freut sich sichtlich über ihren Ehrenpreis,
den Goldenen Ochsen, und bekennt, immer genauso gelebt zu haben wie das kraftstrotzende
mecklenburgische Wappentier: stark, beharrlich, ausdauernd. Wenn sie auch ein bisschen erschrocken
war, jetzt schon für ihr künstlerisches Lebenswerk ausgezeichnet zu werden. Dann singt
der Greifswalder Entertainer Thomas Putensen das Manfred-Krug-Lied "Wenn ich dich seh" und kniet
vor der Elsner nieder. Und Günther Fischer, der legendäre Filmkomponist, ist aus seiner
irischen Wahlheimat schnell mal nach Schwerin gekommen, um mit dem Titellied aus dem Kultfilm
"Solo Sunny" den Zuschauern der Abschlussveranstaltung eine Gänsehaut zu verpassen.
Nina Hoss ist wie ein leerer Studiosaal
Wen man auch fragt in diesen Tagen, Regisseure, Schauspieler, all die jungen Filmemacher - sie genießen
das Flair dieser sonnigen Festivalwoche und plaudern gern über Filme, Kollegen und Projekte.
Christian Petzold, diesmal für seinen Film "Yella" nicht mit einem Preis bedacht, will auch seinen
nächsten Film mit Nina Hoss drehen. "Nina ist wie ein leerer Studiosaal, den man in monatelanger Arbeit
ganz langsam gemeinsam zu füllen beginnt. Diese Leere und Offenheit vor einem Film mag ich sehr."
Nach der überraschenden Schlussszene von "Yella" stellen Zuschauer immer wieder eine Frage. "Musste
das sein?" Petzold lächelt still: "Im Kino sterben die Leute, im Fernsehen überleben sie."
Andreas Dresen arbeitet so wahnsinnig genau
Andreas Schmidt, der in der Spielfilmjury saß, wurde durch seine Rolle als spleeniger LKW-Fahrer in dem
Film "Sommer vorm Balkon" so richtig bekannt. Viel wichtiger war ihm aber, erzählt er beim
Filmemacherfrühstück am Zippendorfer Strand, die Arbeit mit dem Regisseur Andreas Dresen.
"Andreas arbeitet so wahnsinnig genau, probiert die kleinsten Dinge aus. Es war das reinste Vergnügen."
Dresen ist in Schwerin aufgewachsen. Mit Regisseur Bernd Böhlich, der in diesem Jahr in Schwerin
den Publikumspreis der SVZ bekam, hat Schmidt gerade einen Weihnachtsfilm gedreht. So schließen sich Kreise.
Yul Brynner ist nicht zu bezahlen
Der Dresdner Regisseur Leopold Grün ist vom Münchner Filmfest nach Schwerin geeilt, im Gepäck sein
Dean-Reed-Porträt "Der rote Elvis",
für das er neben anderen deutschen und amerikanischen Zeitzeugen auch eine heimliche sächsische
Geliebte des amerikanischen Sängers ausfindig machte. Leopold Grün verrät, dass er sogar
Videoaufnahmen über den Besuch von Hollywoodstar
Tom Hanks
bei dem alten Defa-Regisseur
Günter Reisch
in seinen Film schneiden wollte, aber dann doch darauf verzichtete, um nicht billigen Abglanz fremden Ruhms
einzuheimsen. Ganz schön selbstbewusst! Allerdings muss er wahrscheinlich eine winzige Szene aus einem
Italowestern
mit Dean Reed und Yul Brynner aus seinem Film schneiden, weil dem jungen Regisseur 6.000 Euro für
die Rechte an der Ausstahlung dieser Sequenz fehlen, auf die das Hollywoodstudio besteht.
"Wie eine Achterbahnfahrt" muss ein Film sein, sagt der Regisseur des Wettbewerbsfilms "Reine Geschmacksache",
Ingo Rasper. "Der Zuschauer muss lachen können, muss wütend sein können, darf auch erschreckt
werden und Trauer fühlen. Ihm muss rundum etwas geboten werden und er soll aus dem Film mit einem
tollen Gefühl rausgehen."
Das 17. Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern ist zu Ende. Wir haben gelacht, waren wütend,
erschrocken und traurig. Welch eine Achterbahnfahrt!
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