TheFreeLibrary 01.03.2007

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Berlinale 6. Tag

Ein bisschen Frieden:
Leopold Grüns "Der rote Elvis" (Panorama)

Dean Reed war eine historische Anomalie. Mit ihm hätte sich die DDR getrost als sozialistisch, aber sexy bezeichnen können. Wenn die Propaganda nicht direkt dem recht unkreativen Zentralkomitee unterstellt gewesen wäre. Obwohl er Amerikaner war, fand Reed den Sozialismus ziemlich gut. Und auch wenn er überall in der Welt leben konnte, er wählte die DDR. Er spielte in 20 Filmen mit, brachte 13 LPs heraus und gab Konzerte in 32 Ländern. Er war nicht nur in der DDR ein Superstar, sondern hatte auch in Lateinamerika großen Erfolg. Im Westen kannte Dean Reed kein Mensch, im Osten füllte er mit seinen auf der Gitarre vorgetragenen sozialutopischen Liedern von Frieden und Sozialismus ganze Stadien. Das Aushängeschild des Arbeiter- und Bauernstaates kam aus Denver.

Er reiste viel, glaubte an die Weltrevolution und war befreundet mit Jassir Arafat oder Salvador Allende. Nachdem dieser ermordet worden war, nahm Reed Abschied vom Frieden und rannte eine Weile mit einer Kalaschnikow über der Schulter im Südlibanon herum. Sein Leben war gut dokumentiert, weshalb Leopold Grün bei den zeitgenössischen Aufnahmen aus dem Vollen schöpfen kann. Reed bei Konzerten vor bebenden Mädchen, Reed mit diversen Frauen, Reed im schnellen Motorboot. Aber auch die Auswahl der heutigen Gesprächspartner überzeugt. Von der ersten bis zur letzten Frau, von Egon Krenz bis Armin Mueller-Stahl beleuchtet eine sehr bunte Riege Reeds flamboyante Existenz im Real Existierenden Sozialismus. Die große Bandbreite an Zeugen ist auch dringend notwendig, denn Reed war zwangsläufig leicht schizophren. Er sang Menschen etwas von Freiheit vor, die nicht frei reisen konnten, weil das Regime, dass er stützte, es verbot. Auch Reed fiel das auf. Grün hat zum Glück ein Protokoll der Staatssicherheit aufgetrieben, in dem von Reed die Rede ist, der 1982 bei einer Routinekontrolle auf die Polizisten losging und ihnen nichts weniger als Heuchelei und Faschismus vorwarf.

Reeds Karriere lief sich tot, kritische Sänger wie Wolf Biermann waren in den Achtzigern angesagter als systemkonforme Lautenspieler. 1986 beging Dean Reed unter mysteriösen Umständen Selbstmord. Zu dieser letzten Frage sagt Grün praktisch gar nichts, erklärt aber sehr einleuchtend, wie es dazu kommen konnte. Bis dahin gibt es immer wieder Filmschnipsel von DEFA-Western, und gesungen wird natürlich auch. Wenn die Mädchen begeistert "Venceremos" brüllen und in Wirklichkeit damit nur "Dean, wir werden Kinder haben" meinen, dann wirkt das sehr beruhigend.

Christoph Mayerl

"Der rote Elvis". Regie: Leopold Grün. Deutschland, 2006, 90 Minuten (Panorama Dokumente)

perlentaucher.de

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Letzte Änderung: 2007-02-19