Nordkurier 24.09.2007 |
||||
Filmkamera gewährt Blick hinter private KulissenAuftakt - Prominente Gäste sichern der DokumentART während der Eröffnungsfeier ihre Unterstützung zu.Von Christina Wandel Neubrandenburg. Es gab wohl kaum eine bessere Kulisse, die die Veranstalter der 16. Neubrandenburger DokumentART am Sonnabend für den Auftakt des Filmfestivals hätten wählen können. Rote Plüschsessel umrahmt von roten Wänden stimmten die Zuschauer in dem fast vollständig besetzten Kinosaal des Cinestar auf Leopold Grüns Eröffnungsfilm "Der Rote Elvis" ein. Zugleich gab ein tiefroter Vorhang den Blick auf den ostdeutschen Vorzeige-Amerikaner, Sänger und Cowboy Dean Reed auf der Leinwand frei. Den roten Staffelstab übernahm Reed in einer ersten Film-Sequenz in Form einer roten Nelke, die ihm seinerzeit Fans zur Begrüßung entgegenstreckten. Sogar Festivalleiter Holm-Henning Freier glänzte mit rotem Binder, als gelte es ein Zeichen an diesem Abend zu setzen. Ausreichend Grund hatte er dafür: Erstmals werden die insgesamt 42 Wettbewerbsfilme im Anschluss an die Ausstrahlung in Neubrandenburg vor einer fünfköpfigen Jury auch im polnischen Szczecin (Stettin) gezeigt. Sollte das Festival diese Probe auf beiden Seiten der Oder-Neiße-Grenze bestehen, stünde einem "Labor einer musterhaften filmischen Zusammenarbeit" nichts mehr im Wege, sagte Bartosz Wójcik vom polnischen Kunst- und Kulturverein OFFicyna. Schon jetzt sei das Festival ein ehrgeiziger Traum, der weiter ausgebaut werden müsse. Das sah auch Neubrandenburgs Vize-Oberbürgermeister Reiner Wieland (Die Linke) so. Er versprach, sich weiterhin persönlich für das Festival einzusetzen, nachdem er dem Latücht-Verein für seine Arbeit trotz reduzierter Unterstützung seitens der Stadt eingedenk des unbestätigten Haushaltes gedankt hatte. Diesem roten Faden folgte Enoch Lemke, Verantwortlicher für den Bereich Kultur, Bildung und Wissenschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern. "Die Landesregierung steht ohne Wenn und Aber hinter der DokumentART", sagte er, "egal wohin die Reise geht". Am Sonntagmorgen ging die Reise erst einmal in Richtung Osten. Der Film "Drawing Wishes" der japanischen Videokünstlerin Aki Nakazawa eröffnete den Wettbewerbsreigen im diesmal nur halb gefüllten Kino Latücht. Die wenigen Zuschauer bekamen dafür im ersten Block, der fünf Filme unterschiedlicher Länge umfasste, einen Blick hinter private, zuweilen sehr intime Kulissen. Da überredet in Los Angeles ein amerikanischer Beauty-, Body- und Vagina-Designer eine 15-Jährige im Beisein ihrer Mutter dazu, sich ihr Geschlechtsorgan verschönern zu lassen. "Schönheit ist Geschäft", sagte er in dem niederländischen Beitrag "Over The Hill" - und dass er damit monatlich 350.000 Dollar verdiene. Da sinniert in der Dokumentation "Mr. und Mrs. Smith" von Pinny Grylls (Großbritannien) die 94-jährige, grimmig-genervte Peggy auf der Couch in einem Londoner Altenheim für pensionierte Musiker über die scheinbar verlorene Liebe zu ihrem drei Jahre älteren Mann Leslie - während der, ehemaliger Drummer einer Kreuzfahrtschiffband, neben ihr unbekümmert den Plattenspieler dirigiert. Um ihren Figuren nahe zu kommen, habe die Regisseurin das Ehepaar Smith mehrere Male im Altersheim besucht, erklärte sie in einem anschließenden Gespräch. Oft genug ohne Kamera, um sich kennenzulernen, oder einfach deshalb, weil sie den Tonmann nicht bezahlen konnte. Als seine "adoptierte Enkelin" hatte sie Leslie Smith einmal bezeichnet. Die Nähe habe ihrem Film nicht geschadet. Schließlich hatte sie erst beim Filmen ihre Idee entwickelt, sagte sie. Demgegenüber lagerten Idee und Material zum österreichischen Beitrag "Nach der Eishöhle" bereits 25 Jahre in der Schublade der Mutter von Filmemacher Lukas Marxt. Ein Zusammenschnitt von Laien-Hand gedrehter unscharfer Reste von Videomaterial, das einen Blick auf die Mitglieder einer Mittelstandsfamilie und deren alltägliches Zusammenleben gewährt. Wohl vor allem das Fehlen einer zusammenhängenden Filmstruktur irritierte. So kam die Zuschauerfrage aus dem Publikum, weshalb "jahrezehntealte, verwackelte Familienvideos einem internationalen Publikum vorgeführt werden müssen". Doch nicht allein die "zweifelhafte Familienidylle, sondern das dank dem Homevideo-Trend der 80er-Jahre festgehaltene politische Bild" habe er vermitteln wollen, so der Autor. Ob es geglückt ist, wird sich spätestens bei der Preisvergabe am Ende der DokumentART am Mittwoch zeigen. |
||||
|
||||
www.DeanReed.de
|