Neues Deutschland 17.11.1978 |
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Ein erzwungenes EingeständnisEs ist schon recht ungewöhnlich, wenn das USA-Justizministerium in Washington ein Urteil des Gerichts eines Bundesstaates als "ungerechtfertigt" qualifiziert - ein Urteil, das zudem noch nach mehreren Berufungsverhandlungen bis hin zum Obersten Gericht der USA aufrechterhalten worden ist. Es handelt sich um das Urteil im Prozess gegen die "Wilmington 10", der, wie nun auch die höchste Rechtsbehörde der Vereinigten Staaten einräumen musste, "erhebliche Verfahrensmängel" aufweist. Dem Distriktsgericht in Raleigh (USA-Staat North Carolina) wurde angeraten, seine Entscheidung über die 1972 verhängten Gefängnisstrafen in Höhe von insgesamt 282 Jahren gegen die mutigen, inzwischen weltbekannten Bürgerrechtskämpfer rückgängig zu machen. Wer die Geschichte der amerikanischen Klassenjustiz verfolgt, der weiß: Bis zum heutigen Tag ist sie durch schändliche Gesinnungsprozesse und selbst durch Justizmorde geprägt. Die bekanntesten sind die an den beiden amerikanischen Arbeiterführern Sacco und Vanzetti (1927) und an dem Ehepaar Ethel und Julius Rosenberg (1953). Wer annimmt, die jüngste Empfehlung an das Gericht in North Carolina sei Ausdruck eines Gesinnungswandels im USA-Rechtswesen, der irrt. Der Massenprotest in den USA und in der ganzen Welt hat das Justizministerium gezwungen, die skandalöse Prozessführung im Falle der wohl bekanntesten politischen Gefangenen in den Vereinigten Staaten nicht länger durch sein Schweigen zu decken. Und dieser Vorgang ist in der Tat ein Teilsieg für alle, die mit den "Wilmington 10" gefühlt, gebangt und gekämpft haben und weiter kämpfen werden. Was in dem 89 Seiten umfassenden "Schriftsatz" des Justizministeriums an schwerwiegenden Verfahrensvergehen und Manipulationen angeführt wird, ist durchaus nicht neu. Die Verteidiger des jungen afroamerikanischen Geistlichen Benjamin Chavis und seiner neun Gefährten und sie selbst haben nicht nur einmal im Gerichtssaal und vor der Öffentlichkeit Punkt für Punkt nachgewiesen, mit welchen Methoden die Anklagebehörde in North Carolina die belastenden Zeugenaussagen zusammenzimmerte, wie sie die Zeugen bestach, unter Druck setzte, sie mit Geschenken, Geldsummen und Versprechungen köderte. Da waren "Revolver und Gewehre" in die Hände der "Wilmington 10" gelogen worden, da wurden sie zu "Brandstiftern" gestempelt und als "Kriminelle verunglimpft - eine wohlbekannte Praxis der USA-Klassenjustiz gegen jene, die sich für elementarste Menschenrechte einsetzen. Und nichts anderes haben die neun Farbigen und die eine Weiße getan, als sie 1971 an ihrer Schule in Wilmington den ermordeten Bürgerrechtskämpfer Dr. Martin Luther King ehrten und dann der Ku Klux Klan über sie herfiel. Sie zogen sich in eine Kirche zurück, die daraufhin tagelang von den Rassisten belagert wurde. Was das Gericht von Raleigh nach den "Empfehlungen" der übergeordneten Regierungsbehörde tun wird, steht keineswegs fest. Auf jeden Fall aber werden die Aktionen und Proteste für die sofortige Aufhebung des Schandurteils, das nach wie vor existiert, verstärkt weitergehen müssen. Dabei handelt es sich nicht nur um Ben Chavis, der bis zum Jahre 2009 im Kerker sitzen soll, nicht nur um die volle Rehabilitierung der übrigen Neun. Es geht um alle politischen Gefangenen in den USA, die, wie zum Beispiel der bekannte amerikanische Indianerführer Russel Means, im Gefängnis sitzen. Und welche Kraft weltweiter Protest hat, beweisen die erkämpfte Freilassung der 20 Teilnehmer an der Farmerdemonstration in Minnesota, unter ihnen Dean Reed, beweist das erzwungene Eingeständnis des USA-Justizministeriums im Falle der "Wilmington 10". J.P. |
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www.DeanReed.de
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