Märkische Volksstimme April 1980

"Ich habe fast keine Geheimnisse"

Der Schauspieler und Sänger Dean Reed fand unter Potsdamer Schülern viele neue Freunde

Dieser Tage fand im Jugendfilmtheater "Charlott" eine Solidaritätsveranstaltung statt, organisiert von der FDJ-Grundorganisation der Potsdamer Oberschule 24 in Zusammenarbeit mit dem Jugendfilmtheater. Daran nahmen 320 FDJler aus 10 Potsdamer Schulen teil. Herzlich begrüßter Gast war Dean Reed, der seine Gitarre und den Film "El Cantor" mitgebracht hatte.

Wie war es zu dieser Veranstaltung mit Dean Reed gekommen? Begonnen hatte alles schon am Anfang des Schuljahres. Dean hat im September Geburtstag. Meine Schwester Bettina und ich wollten Dean gratulieren und fuhren zu ihm. Gleichzeitig lud ich ihn auf eigene Faust ein, im Solidaritätsmonat, dem Monat April, unsere Schule zu besuchen. Er konnte noch nichts versprechen.

In der Schule schlug ich dann der FDJ-Grundorganisationsleitung und der Schulleitung vor, eine Solidaritätsveranstaltung mit dem Film "El Cantor" durchzuführen und dazu Dean Reed einzuladen. Viele glaubten nicht so recht daran, dass er kommen würde, aber trotzdem wurde mein Vorschlag angenommen und wir schickten Dean eine offizielle Einladung. Im Februar fuhr ich noch einmal zu ihm und kam, glücklich über diese Begegnung, mit einer festen Zusage wieder nach Hause. Nun begannen wir, uns in die Vorbereitungen zu stürzen. Es gab natürlich eine ganze Reihe Schwierigkeiten, aber schließlich klappte alles.

"Ich habe keine Geheimnisse oder fast keine." Damit eröffnete Dean eine Fragerunde, in der wir viel über unseren Freund erfuhren. In seiner wenigen Freizeit tritt er in solchen Veranstaltungen wie dieser auf und fährt Moto-Cross. Bereits in 15 Filmen hat er Hauptrollen gespielt. Der 16., eine Westernkomödie, ist in Arbeit und soll im nächsten Jahr bei den Sommerfilmtagen seine Premiere haben.

Gefragt, ab wann er Solidarität übt, sagte er, dass das eine "lange Reise" für ihn war. Zuerst war er Pazifist, aber durch seine Erlebnisse in Chile, das er Anfang der 60er Jahre kennenlernte, wurde er zum Revolutionär.

So leitete Dean zu dem Film "El Cantor" über: "Chile ist meine zweite Heimat. Viele meiner Freunde wurden 1973 ermordet. Da habe ich das erste Mal richtig verstanden, was Faschismus ist. 'El Cantor', das ist ein Film über meinen Freund Victor Jara. Es ist schwer, sich mit Tausenden zu identifizieren, aber mit einem Menschen, das kann man." Dean dankte allen für ihre Solidarität und beendete seinen Auftritt mit dem Lied "Venceremos" - Wir werden siegen! Danach sahen wir den Film "El Cantor", in dem Situationen aus den letzten Wochen im Leben Victor Jaras dargestellt wurden. Er zeigt, wie Victor Jara mit dem Lied und der Gitarre die Unidad Popular unterstützt, wie er den versteckten und offenen Angriffen der Reaktion entgegentritt und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen seiner Genossen der persönlichen Bedrohung nicht entgehen kann. Voller Hass ermorden ihn seine Feinde.

Als es wieder hell im Saal wurde, ging ich traurig aus dem Raum. Aber in diese Trauer um die Genossen, die ihr Leben für unsere Sache lassen, mischte sich schon wieder Zuversicht, die dann die Oberhand in mir gewann. Dean Reeds Optimismus ist mitreißend und ansteckend. Er freute sich z.B. sehr, als er erfuhr, dass die 6 FDJ-Klassen unserer Schule im April 1.050 Mark für die Solidarität erarbeiteten. Er hasst Heuchelei und freut sich über die Hilfe für andere Menschen, im Großen und im Kleinen. Er ist ein ganz normaler Mensch, sehr einfach und unbedingt zuverlässig. Immer wieder beeindruckt mich seine offene und durchaus herzliche Art, mit der er sich dann nach dem Film auch von uns verabschiedete.

Ulrike France,
Potsdam