Leipziger Volkszeitung 09/1983

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Trotz Verbots: Bergarbeiter und Studenten sangen "Venceremos"

Im Gespräch mit Dean Reed über seine Auftritte in Rancagua und Santiago de Chile

Nach zehn Jahren erklang im August in Chile erstmals wieder öffentlich "Venceremos", das Kampflied der Unidad Popular. "Venceremos", "Wir werden siegen" sangen 600 Bergarbeiter, Frauen und Kinder gemeinsam mit Dean Reed in Rancagua, dem Zentrum der Kupferminen. Es war ein Solidaritätskonzert und eine Ehrung für den einstigen vom Volk gewählten, von den Faschisten ermordeten Präsidenten Salvador Allende. Mit diesem leidenschaftlichen Protest gegen das Pinochet-Regime klang am nächsten Tag auch die Veranstaltung mit 2000 Studenten vor der Universität von Santiago de Chile aus.

In dem erneut mitreißenden Konzert bot Dean Reed, der in der DDR lebende Sänger, Bürger der USA, Lieder von Victor Jara dar und berichtete über die Solidarität mit dem Volk des Andenlandes in aller Welt: Venceremos...

Oft hatte der engagierte Künstler, der Mitglied des Weltfriedensrates ist, Chile als seine zweite Heimat bezeichnet - schon in Zeiten, als er noch gefeierter Rock-Star in Südamerika war. Damals stellte er sich, politisch wach geworden, mit Lied und Wort an die Seite der Unidad Popular, um die Wahl Allendes, später die demokratische Aufbauarbeit des Präsidenten zu unterstützen.

Im Zusammenhang mit seinem jetzigen Aufenthalt in Chile erzählte er: "Ich hatte daheim am Bildschirm die Kampfaktionen am vierten Nationalen Protesttag, dem 11. August, verfolgt. Mein Entsetzen über die Brutalität des Regimes, die wieder zu vielen Toten und ungezählten Verhaftungen führte, gab mir den letzten Anstoß, den chilenischen Freunden unmittelbar zur Seite zu stehen." Diesmal kam der Sänger nahezu anonym nach Santiago. "Zum Glück unterstützte mich Will Roberts, ein progressiver Fernsehpublizist aus den USA. Wir sprachen sofort mit Journalisten über meine Absicht, Solidarität zu zeigen. So wurde das publik, und aus dem 150 Kilometer entfernten Rancagua kam sehr rasch von den Bergarbeitern die Aufforderung, in einer Solidaritätsveranstaltung zu singen."

"Diese Arbeiter der Kupferminen waren ja bekanntlich die ersten, die Streiks und revolutionäre Aktionen gegen Pinochet begonnen haben. 800 wurden daraufhin entlassen. Jetzt brachte jeder ein Kilo Lebensmittel als 'Eintrittskarte' mit - zur Linderung der Not ihrer Kollegen." Zwar war das Konzert verboten worden, berichtete Dean Reed, aber einen Skandal löste es in Rancagua nicht aus, vielleicht, weil Pinochet, der im Verhältnis zu den USA gutes Wetter braucht, Komplikationen möglichst vermeiden will. So beließ es die allgegenwärtige Geheimpolizei, die auch Reed nie von der Seite wich, bei der Drohung, er habe die Folgen seines Auftritts zu tragen.

Anders in Santiago, wo sein leidenschaftliches Eintreten für Demokratie und Fortschritt in der öffentlichen Studentenveranstaltung zu heftigen Reaktionen führte. Die Polizei griff ein, als wiederum das verbotene "Venceremos" erklang. Zunächst konnte der Sänger von Freunden in Sicherheit gebracht werden, aber die Polizei entdeckte schnell seine Unterkunft, umstellte das Gebäude, verhörte ihn. "Ich sollte unterschreiben, dass ich nie wieder nach Chile komme. Das habe ich natürlich strikt abgelehnt." Unter Polizeiaufsicht wurde Dean Reed dann zum Flugplatz gebracht - das Regime schob ihn nach Peru ab.

"Während der Universitätsveranstaltung hatten Aufnahmeteams aus Chile, USA, Belgien gedreht. Abends kam das dann im Fernsehen, natürlich mit Hasstiraden gegen mich", erzählte der Künstler. "Aber so oder so, auf diese Weise haben wir Millionen erreicht...". Alle Freunde, unter ihnen Mathilde Neruda, die Witwe des großen Schriftstellers, bestätigten, wie wichtig dieses mutige Auftreten war. Sehr viele wissen um die Solidarität der progressiven Kräfte in der Welt, und Reeds Kommen fügte sich in deren Aktionen ein, wurde gleichsam als menschlich und politisch wertvolle Brücke zu allen empfunden, die den Kampf des chilenischen Volkes heißen Herzens unterstützen.

"In den ersten zwei Jahren erreichte Pinochet einen wirtschaftlichen Aufschwung, der ein Pseude-Aufstieg war - mittels zollfreier Importe aus vielen Ländern. Doch dann schädigten die Preisunterbietungen die eigene Wirtschaft, ruinierten zahlreiche Kleinbetriebe, die Mittelklasse, und auch kapitalistische Unternehmen. Jetzt spitzt sich die Lage katastrophal zu. Und nun kämpfen alle Schichten, auch alle Parteien gemeinsam. Das Volk hat keine Angst mehr, weil es sich seiner Sache sicher ist: Der Sturz des Regimes, das faschistische Terrormethoden anwendet, wird kommen."

Und weiter: "Wir alle wissen, die Aktionen der Demokraten halten an und verstärken sich - sie brauchen mehr denn je unsere Solidarität." Am 11. September, dem 10. Jahrestag des Putsches, trat Dean Reed bei einer Solidaritätsveranstaltung für das chilenische Volk in Rom auf.

Ingeborg Stiehler

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Letzte Änderung: 2007-04-24