Junge Welt 10.02.2007

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Trallala und DDR

Über Berlin, Tamara Danz, Dean Reed: Drei Musikdokus aus dem Berlinale-Panorama

Von Grit Lemke

Gefahr ist im Verzug, wenn ein Musikfilm einen Mythos ergründen möchte, erst recht, wenn es, wie in Uli M. Schueppels "BerlinSong", in das "Innere des Mythos Berlin" gehen soll. Herrje, was soll das denn bitte sein? In diesem Fall sechs mehr oder weniger zufällig in der Bundeshauptstadt gestrandete Existenzen, die ihre Tage mit dem beseelten Schrammeln von Neofolk verbringen, wenn sie nicht gerade existentialistisch in Bars oder an irgendwelchen Landwehrkanal-Ufern abhängen. Man ahnt immerhin, worauf Schueppel - sein Film läuft im Panorama der Berlinale - hinaus will: Wir sind ja so was von cosmopolitan drauf, trallala, det is Berlin! Wie wunderbar Multikulti hier funktioniere, begeistert sich einer der Protagonisten. Er ist herzlich eingeladen, sich das Ganze einmal auf einem Schulhof im Wedding anzusehen (eine Schulklasse, die im Film auftaucht, stammt selbstverständlich aus einer Waldorf-Schule, deren gutbetuchte Eltern ihre Kinder in Sprach-Sommercamps schicken können).

Obwohl die Protagonisten tatsächlich aus aller Welt kommen, wirken sie merkwürdig nivelliert, bleibt alles Wischiwaschi, erfährt man weder etwas über ihre Herkunft noch über ihre Biographien oder Beweggründe oder weiß der Teufel was. Statt dessen hört man die ganze Zeit, wie super hier alles und wie doll jeder mit jedem befreundet ist. An wenigen Stellen gelingt so etwas wie Atmosphäre, wenn die Musiker, statt im Studio zu proben (warum müssen wir dabei zusehen?), an ihren Lieblingsplätzen in der Stadt unterwegs sind und erzählen, was das mit ihrem Berlin-Song (teilweise sehr schön!) zu tun hat. Einer einzigen Frau fällt dabei immerhin auf, dass Berlin eine Stadt mit vielen Arbeitslosen ist, denen sie etwas verspricht, was sie nicht hält. Eben.

Ein Mythos ist auch Tamara Danz, "die ostdeutsche Antwort auf Janis Joplin". An diesem Mythos scheitert im Panorama-Programm Peter Kahane (der in der Vergangenheit großartige Spielfilme drehte). Wie man über diese schillernde Persönlichkeit einen solch faden Film machen kann, ist ein Rätsel. Das Grundproblem scheint zu sein, dass nicht klar ist, an wen sich der Film richtet. Wer "Tamara" noch nicht kannte, erfährt hier kaum etwas über sie und schon gar nicht über die DDR. Zu wenig und vielleicht nicht geschickt ausgewähltes Archivmaterial, sie selbst (die sich doch immer einmischte und zu "Wende"-Zeiten in jeder zweiten Talk-Show saß) kommt gar nicht zu Wort. Die Intention, eine Love Story (Dreiecksbeziehung) und die Geschichte des Umgangs mit dem frühen Krebstod von Danz zu erzählen, geht auch nicht auf. Was man davon nicht weiß, will man nicht wissen. Was das wirklich Faszinierende an Danz war, bleibt unberührt.

Ganz anders bewältigt Leopold Grün in "Der Rote Elvis" die Legende Dean Reed. Vom bescheuerten Titel mal abgesehen, macht er einfach alles richtig. In der klugen Mischung aus Interviews mit Weggefährten (u.a. Isabell Allende, Armin Mueller-Stahl, Egon Krenz), Filmausschnitten und Archivmaterial enthüllt sich die Gestalt des US-amerikanischen Rock'n'Roll-Sängers, Schauspielers und gefeierten "Friedenskämpfers" mit Wohnsitz in der DDR in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit und Tragik. Grün weiß, wie man montiert: Anders als im Fernsehen illustrieren die Bilder hier nicht den Ton. Eine Vielzahl von Ebenen tut sich auf, es gibt immer noch einen Subtext, der Rezipient wird als Bestandteil des Prozesses ernstgenommen. Das Private kommt hier eben nicht im "Brisant"-Stil daher, sondern fügt sich ein in die Erzählung einer Lebensgeschichte, die Teil der "großen" Geschichte ist. So geht's!

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Letzte Änderung: 2007-02-10