Radiofeuilleton: Filme der Woche
Von Vaterlandsverrätern und -beglückern
Neu im Kino: "Der Rote Elvis", "Projekt Gold" und "Von Frau zu Frau"
Vorgestellt von Jörg Taszman
Dean Reed war ein singender Cowboy und in der DDR ein Star, in den USA galt er jedoch als
Vaterlandsverräter. In "Der Rote Elvis" zeichnen Freunde und Weggefährten seinen Weg nach.
"Projekt Gold" zeigt den Weg der deutschen Handballnationalmannschaft zum Weltmeistertitel.
Das uninspirierte Filmchen "Von Frau zu Frau" ist ärgerliches Kino zum Weglaufen.
Der Rote Elvis
Deutschland 2006. Regie: Leopold Grün. Mitwirkende: Chucho Fernandez, Isabel Allende,
Peter Boyles, Armin Mueller-Stahl, Celino Bleiweiß, Egon Krenz, Wiebke Reed
Dean Reed: Ein singender Cowboy in der DDR, Friedensaktivist und
Marxist,
Star im Osten und weitgehend unbekannt im Westen. Er war ein Abenteurer, Entertainer,
Idealist und Propagandist und sein Leben endete tragisch mit einem Selbstmord, den einige
sogar für Mord halten.
Im Dokumentarfilm "Der Rote Elvis"
sieht man Freunde, Regisseure und eine Ex-Frau, die sich erfrischenderweise nicht nur positiv
über den Sonnyboy äußern, der wohl nur im Osten zum Star werden konnte, während
er in den USA bis heute als Vaterlandsverräter gebrandmarkt wird.
Der Film von Leopold Grün vermag es, einem Dean Reed als Mensch etwas näher zu bringen,
ohne ihn zu verklären. Und "Der Rote Elvis" ist ein Zeitdokument über ein nicht
alltägliches Kapitel aus der DDR-Kulturgeschichte. Filmisch und ästhetisch eher
durchschnittlich, dafür jedoch inhaltlich wirklich interessant
[...]
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Die Zeitungen in Berlin und in den östlichen Bundesländern sind voll davon.
Die überregionalen Blätter und die Regionalzeitungen in Westdeutschland schreiben
nur ganz wenig oder ignorieren den Film sogar völlig. "Der Rote Elvis", soviel ist jetzt
schon sicher, wird in Thüringen, in Sachsen und in Sachsen-Anhalt ganz anders aufgenommen
werden als z.B. in Bayern oder im Saarland. Wir wollen jetzt aber ein Ost-West
übergreifendes Gespräch führen. Wir, das ist in diesem Fall als 2. Person unser
Filmkritiker Jörg Taszmann, der als einen der beiden Filme der Woche den "Roten Elvis"
vorstellen will. Ausnahmsweise, Hr. Taszmann, müssen wir eine Frage stellen, bevor wir zum
Film kommen. Nämlich für alle, die es noch nicht wissen: Wer war überhaupt
dieser "rote Elvis"?
Hr. Taszmann:
Dean Reed war das, und das war ein Amerikaner, der in der DDR gelebt hat seit 1972 in etwa,
und der bis zu seinem Tod, der wahrscheinlich ein Selbstmord war, 1986 glaube ich, eben
hauptsächlich in der DDR gelebt hat und dort eine große Kariere gemacht hat.
Einerseits als Schauspieler und Sänger, aber eben auch als ein sehr Linker und auch als
ein überzeugter Kommunist, ist für die DDR-Regierung. Gerade für Egon Krenz
beispielsweise und für die FDJ auch sehr stark instrumentalisiert worden ist und sich
auch hat instrumentalisieren lassen. Das gehörte durchaus zusammen. Und es gab eben so
2 große Schauspieler, die nicht aus der DDR stammten, die eine riesige Kariere gemacht hatten.
Der eine war Gojko Mitic, das war der Chefindianer, und der andere war eben Dean Reed. Und der
hatte eben auch zum Beispiel in Western mitgespielt. Einer der bekanntesten Western, in dem
Dean Reed mitgespielt hat, nannte sich dann auch "Blutsbrüder".
Wie wird nun dieser Dean Reed gezeigt in diesem Dokumentarfilm?
Hr. Taszmann:
Der Film versucht sich jetzt in erster Linie dem Phänomen Dean Reed in sofern zu widmen,
dass er versucht zu zeigen, was war das für ein Mensch? Das ist ja eine sehr gebrochene
Biografie. Der war ein richtiger Uramerikaner, war aber von Anfang an eigentlich politisch sehr,
sehr links eingestellt, und ist in frühen Jahren, in den sechziger Jahren beispielsweise
eigentlich nur Sänger gewesen. Und war sehr populär in Lateinamerika. Und dieser
Spitzname "Der Rote Elvis", der rührt in etwa daher, dass er es mal geschafft hat
populärer zu sein als beispielsweise Elvis Presley. Er war wohl mal irgendwo in einem
lateinamerikanischen Land. Ich weiß nicht mehr ob es Argentinien war, so hoch in den
Charts, dass er eben Elvis überflügelt hatte. Und er ist dann für eine kurze
Zeit glaube ich sogar in der Sowjetunion gewesen. Also er war im gesamten Ostblock vor allen
Dingen ein Sänger. Er war so der erste, der riesige Massenkonzerte gegeben hat, der eben
in Stadien gespielt hat und da wo eben Rockmusik noch verpönt war, war das einfach ein
neues Gesicht und dadurch hat er auch einen sehr sehr großen Fankreis gehabt. Nicht nur
in der DDR sondern auch beispielsweise auch in Russland, also in der damaligen Sowjetunion
und auch in Ländern wie der Tschechoslowakei, war er unwahrscheinlich populär.
Sie haben es schon gesagt, Hr. Taszmann, er ist instrumentalisiert worden von der SED-Führung
und hat sich instrumentalisieren lassen. Wie geht der Film denn damit um? Kommentiert er das,
versucht er objektiv zu bleiben?
Hr. Taszmann:
Das, finde ich, ist der große Verdienst dieses Films. Man muss vielleicht dazu sagen,
dass Dean Reed also in der DDR selber, also ich kann mich selbst erinnern, dass bei mir
in der Familie hat man eigentlich über Dean Reed nur gelacht. Weil ein besonders genialer
Schauspieler war er nun wirklich nicht. Dann hatte er diesen dicken fetten amerikanischen Akzent
wenn er deutsch geredet hat. Und der wirkte immer so ein bisschen steif und die Musik, die er
gemacht hat, die hat uns als Jugendliche natürlich auch nicht gefallen.
Und in sofern habe ich den eigentlich lange Zeit immer als so eine Art Lachnummer angesehen.
Nun hatte er eben einen Film gemacht "Sing Cowboy sing", bei dem er auch noch selbst Regie
geführt hat, sich selbst die Hauptrolle gespielt hat und mit den Tschechoslowakischen
Popstar Vaclav Neckar zusammen gespielt hat. Und das war zwar irgendwo ein Renner für
die DDR-Verhältnisse mit 900.000 Zuschauern, aber das war auch der übelste DEFA-Trash
den man sich nur vorstellen konnte. Und durch diesen Film ist er mir wenigsten etwas näher
gekommen. Und was aber sehr gut ist, dass der Film eben auch mal ganz unkommentiert so Szenen
zeigt, wenn Dean Reed nach Palästina fährt, dicker Freund von Arafat ist und dann
mit der Kalaschnikow in der Hand gegen die Israelis kämpfen will. Also gegen, in dem Fall,
die Aggressoren. Also nicht, weil die Israelis Juden sind, sondern weil sie eben die armen
Araber sozusagen als Imperialisten, ja, ausbeuten, was auch immer. Und da wird diese Figur
Dean Reed, der sonst immer so freundlich und lächelnd und so engagiert ist, da wird der
auch richtig hart. Da wird der auch richtig zum Dogmatiker, und das gibt eben dann auch so
Aufnahmen. Er war dann zum Beispiel auch in Chile, kurz nach der, also einige Jahre nach der
Pinochet-Diktatur ist er eingekerkert worden, ist dann von der DDR sozusagen freigekämpft
worden durch Massenproteste. Ist dann wieder in Ostberlin, gibt so ein riesiges Konzert
und ist unwahrscheinlich dogmatisch, und das noch Ende der Achtziger Jahre, und das ist dann
schon ganz gut, das so was auch mal einfach wieder gezeigt wird.
"Der Rote Elvis", ab morgen in den Kinos.
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