3sat online 30.07.2007

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Der Rote Elvis

Leopold Grüns Kino-Dokumentation über Dean Reed

Es fällt schwer zu entscheiden, ob er nun einmalig ist und seine Karriere ein singuläres Phänomen, oder ob sein Leben doch nach dem Schema "Einer gegen den Rest der Welt" verlaufen ist. Die Brüche in seiner Biographie verdichten sich, auch heute noch, zu klangvollen Etiketten wie "der rote Elvis" oder "Genosse Rockstar". Als amerikanischer Sänger in der DDR wurde Dean Reed im Ostblock zum exotischen Star, im Westen zum unverstandenen Phänomen. Ein Film rollt seine Geschichte, die, wie bei Rebellen nicht unüblich, eine tragische ist, noch einmal auf.

Gattin aus dem Volk

Der Widerspruch ist in der Tat beachtlich: ein von amerikanischem Freigeist und westlicher Sozialisation geprägter junger Mann übersiedelt in die DDR, 1972, in Zeiten finsterster Honecker-Herrschaft. Er kommt aus Überzeugung - und der Liebe halber. Das ist eine der ersten überraschenden Erkenntnisse über Dean Reed in der Dokumentation von Leopold Grün: der strahlende Countryheld und blendend aussehende Schauspieler tat sich vorzugsweise mit ganz normalen Damen zusammen, Damen aus dem Volk sozusagen, nicht prominent, nicht überspannt, ohne Allüren.

Obwohl - seine dritte Frau, Renate Blume, ist schon so ein bisschen berühmt, hat die Rita gespielt in der Verfilmung von Christa Wolfs "geteiltem Himmel", aber bitte, trotzdem, auch die Blume ist ein eher bodenständiger Typ. Für sie warf Reed seine zweite Frau samt Nachwuchs aus dem Haus - ein Faktum, über das sich Wiebke Reed heute noch wundert. Denn wie passt das zusammen - ein Sozialist und Gutmensch, der die Familie auf die Straße setzt?

Hurenhaus Hollywood

Als Dean Reed in die DDR kommt, hat er sich ideologisch längst festgelegt. Seine Überzeugungen sind Resultat jener Jahre, die er in Südamerika verbracht hat. Dorthin reiste er zunächst aus einer Laune heraus, politisiert und radikalisiert dann aber rasch, angesichts von Diktaturen und der übergroßen Kluft zwischen Arm und Reich, seine Ansichten. Er lernt Spanisch und unterstützt den Wahlkampf von Salvador Allende. Die Dokumentation zeigt, wie Reed auf einer einfachen Bretterbühne inbrünstig ein Lied von Allendes Unidad-Bewegung intoniert, vor einem Pulk von Zuschauern, die ergriffen einstimmen.

Da ist nur noch wenig übrig von jenem Jungschauspieler und Countrystar, der nach einer stereotyp verbrachten amerikanischen Jugend als glänzender Sportler und Hobbygitarrist das Meteorologiestudium abbricht, weil er den ersten Plattenvertrag in der Tasche hat. Da hat er die Enttäuschungen schon hinter sich gelassen über das Image des naiven Pop-Idols, auf das man ihn festnageln wollte, über das "Hurenhaus" Hollywood, wo alle, nur nicht er selbst, über sein Leben und seine Laufbahn bestimmen.

Tannengeschmückte Tristesse

In der DDR meinte er, die Selbstbestimmung, die Entsprechung seiner linken Überzeugungen, das Glück zu finden. Und der Osten empfing ihn mit offenen Armen. Er verlieh der trüben Tristesse im sozialistischen Deutschland jenen schmerzlich vermissten Hauch von Glamour und Chic, von Exotik und Weltoffenheit, den Erich und Genossen eigentlich nicht wollten, nicht zu erzeugen verstanden und von dem sie dennoch profitierten. Die Dokumentation zeigt denkwürdige Ausschnitte: wo die Oberen des Staates, ordnungsgemäß aufgereiht auf tannengeschmückter Empore, wie sie während eines Auftrittes Reeds herzhaft in die Hände klatschen und ein wenig so aussehen, als wüssten sie nicht recht, wie ihnen geschieht. Sie waren nicht die einzigen. Verblüffung über diesen Amerikaner in Cowboypose, der hinter dem Eisernen Vorhang die ganze Welt zu bessern suchte, herrschte nicht nur im Westen. Armin Mueller-Stahl, in den 70ern Noch-DDR-Bürger und nach dem Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns schon gen Klassenfeind orientiert, fasst in Grüns Dokumentation die damalige Verwunderung zusammen: "Wieso kommt der her? Das ist doch ein amerikanischer Star. Der kann doch eine große Karriere machen. Was will der hier?"

Leopold Grün hat diese Frage zum Motor seiner Dokumentation gemacht. Im Wechsel von Zeitzeugeninterviews und Archivfilmausschnitten schaut er dem Idealisten Reed, der an große Ideen glaubte und Unabhängigkeit wie Befreiung aus der Unterdrückung für machbar hielt, in die Seele. Eine spannende Spurensuche mit großartiger Musik, für die Aufnahmen von Reed unter anderem von der Gruppe Monomango neu bearbeitet wurden.

"Der Rote Elvis"
Deutschland 2007
Kinostart: 2. August 2007
Länge: 90 min.
Regie: Leopold Grün

30. Juli 2007/Katharina Kleppe

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Letzte Änderung: 2007-08-14