Books and films about Dean/Bücher und Filme über Dean

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Einverstanden, E.H.

Einverstanden, E.H.

Parteiinterne Hausmitteilungen, Briefe, Akten und Intrigen
Herausgegeben von Henrik Eberle und Denise Wesenberg
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 1999. ISBN: 3-89602-188-5


Kapitel VIII. Stars im Sozialismus

Unter der Überschrift "Dean Reed ist politisch naiv" werden ein Brief von DEFA-Generaldirektor Hans Dieter Mäde an Politbüromitglied Hermann Axen und eine Stellungnahme des ZK über Dean Reeds Szenarium zum nicht gedrehten Film "Tell Zaatar" dokumentiert.

Dean Reed ist politisch naiv

Schon 1961 hatte der 1938 geborene Dean Reed Erfolge in Hollywood. In den sechziger Jahren war er ein Fernsehstar in Südamerika. Doch da er sich für die Unterdrückten einsetzte und durch die Sowjetunion tourte, war seine Karriere im Westen bald beendet. 1972 siedelte er in die DDR über. Neben seiner Schauspielkarriere engagierte er sich im Weltfriedensrat. So lernte er Yasser Arafat kennen und schätzen. Der Kampf der PLO begeisterte ihn so sehr, dass er einen Film darüber drehen wollte. Bei der DEFA hielt sich die Begeisterung jedoch in Grenzen. Generaldirektor Mäde teilte Politbüromitglied Hermann Axen am 5. Juni 1978 seine Bedenken mit.5


Lieber Genosse Axen!

Mäde an Axen

Wie angekündigt übersende ich Dir in der Anlage das Szenarium zu einem Spielfilm unter dem Titel "Tell Zaatar", das uns Dean Reed vor einiger Zeit übergeben hat.

Ausgehend von seinem Besuch bei der PLO am Ende des vergangenen Jahres und offenbar tief beeindruckt von der Tapferkeit und Leidensbereitschaft des palästinensischen Volkes, hat Dean Reed die Geschichte der Liquidierung des Flüchtlingslagers Tell Zaatar darzustellen versucht. Bei aller Aktualität des Brennpunktes Naher Osten sind wir um mögliche Wirkungen besorgt, wenn wir ein solches Projekt realisieren, denn

  1. ist die Geschichte - wie es der Gegenstand nahe legt - im wesentlichen als eine heroische Leidensgeschichte notiert und dies leider mit mancherlei naturalistischen Beifügungen, Blut, Sterben, detailliert vorgeführte medizinische Operationen u.ä.,
  2. ist gerade der Prozess, zu dem Bürger unseres Landes viele Fragen haben, das komplizierte Ringen um Einheit auf prinzipieller Grundlage, gänzlich ausgespart. Die patriotische Einheit wird "einfach gesetzt";
  3. ist es für uns überhaupt schwer einschätzbar, ob die direkte Darstellung des politischen und militärischen Geschehens im Libanon eine solche Art des unverschlüsselten "Eingreifens" der gegenwärtigen Situation angemessen ist. (Dean Reed schwebt vor, mit zum Teil internationaler Besetzung den Film unter direkter Mitverantwortung und Mitfinanzierung durch die PLO etwa in Libyen zu produzieren. Er hat gleichzeitig mit der Übergabe an uns auch ein Exemplar des Szenariums an Yasser Arafat persönlich übersandt.)

Ich habe gleichlautend auch Genossen Hager um seinen Rat gebeten. Nach wie vor freuen sich die Genossen hier auf Deinen bevorstehen Besuch, aber alle haben volles Verständnis für die Arbeitslast, die Du zu tragen hast. Deiner Anregend folgend, möchten wir erste Terminvorschläge machen. Für uns wäre sowohl die Woche vom 21. bis 25.8. als auch die vom 28.8. bis 1.9. günstig. Was den Tag angeht, möchten wir uns voll nach Dir richten und selbstverständlich würde ich Dir auch noch ein paar Fragekomplexe, die aus der Sicht des Studios von besonderem Interesse sind, rechtzeitig vorher übermitteln. Einstweilen vielen Dank für Deine Bemühungen.

Mit sozialistischem Gruß
Hans Dieter Mäde


Axen gab Hager am 26. Juli die Stellungnahme der Abteilung "Internationale Verbindungen" zur Kenntnis. Ein Kommentar erübrigte sich.6


Das vorliegende Szenarium hat die Vernichtung des palästinensischen Flüchtlingslagers "Tell Zaatar" im Libanon zum Inhalt. Bei der Darstellung des politischen Hintergrundes, vor dem die Handlung entwickelt wird, werden im Szenarium folgende Aspekte ungenügend berücksichtigt:

1. Im Szenarium wird die Vernichtung des Lagers ausschließlich den faschistischen christlichen Milizen zugeschrieben. Das entspricht nur bedingt der historischen Wahrheit. Zum Zeitpunkt der Vernichtung des Lagers war der Libanon und auch der Teil der Stadt Beirut, in dem das Lager liegt, von syrischen Truppen besetzt. Die christlichen Milizen konnten nur deshalb ungestört operieren, weil ihre Aktionen von den syrischen Truppen nicht nur geduldet, sondern mehr oder weniger offen unterstützt wurden. So ist das Lager "Tell Zaatar" selbst während der Belagerung von syrischer Artillerie beschossen worden. Die christlichen Milizen befanden sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz so zahlreicher Geschütze. Die Frage der Schuld für die Vernichtung des Lagers ist also gleichzeitig bei Syrien zu suchen. Es versteht sich von selbst, dass die DDR im gegenwärtigen Augenblick keinerlei Interesse daran hat, diese Probleme aufzugreifen und Syrien anzuprangern.7

Das Szenarium übergeht völlig die Uneinheitlichkeit der palästinensischen Bewegung und unterschlägt somit einen entscheidenden Aspekt für eine richtige Einschätzung der dargestellten Ereignisse. Zum einen war die palästinensische Bewegung im Lager selbst nicht einheitlich, sondern es gab gegensätzliche Gruppierungen. Der Widerstand des Lagers wurde nicht unerheblich durch Streitigkeiten, Kompetenzprobleme usw. beeinflusst. Tatsache ist auch, dass die palästinensische Bewegung in ihrer Gesamtheit militärisch durchaus in der Lage gewesen wäre, das Lager zu entsetzen und die Bewohner freizukämpfen. Dem stand jedoch entgegen, dass die PLO nicht imstande war, militärisch einheitlich zu handeln. Außerdem vertrat die PLO zu diesem Zeitpunkt einen offen antisyrischen Kurs und vermochte sich nicht mit Syrien über das weitere Schicksal des Lagers zu einigen. Insofern war auch die PLO indirekt an der Vernichtung des Lagers mitschuldig. Das hinderte die PLO jedoch nicht, das Märtyrium der Menschen des Lagers nach dessen Vernichtung für ihre Politik auszunutzen. Das vorliegende Szenarium, das diese politischen Zusammenhänge unterschlägt, liegt seiner Tendenz nach genau auf dieser von einem übertriebenen Nationalismus getragenen Propagandalinie.

3. Als Hauptschuldige treten im Szenarium die Führer der rechten, faschistischen Gruppierungen, Gemayel und Pierre Chamoun, auf und werden als einzige Verantwortliche an dem Massaker hingestellt. Diese politischen Repräsentanten der rechten libanesischen Kräfte werden auch künftig in der libanesischen Politik eine wichtige Rolle spielen. Im Hinblick auf die Beziehungen der DDR zur Republik Libanon wäre es politisch falsch, wenn wir als DDR diese Personen namentlich anklagen und ihre Rolle in der libanesischen Politik entlarven wollten.

Unter Berücksichtigung dieser politischen Aspekte muss empfohlen werden, von der Produktion eines Spielfilms auf der Grundlage des vorliegenden Szenariums Abstand zu nehmen.

Zudem zeugt der Text von einer ungenügenden Kenntnis arabischer Sitten und Gebräuche und der arabischen Mentalität. So werden sich palästinensische Kämpfer niemals mit dem jüdischen Gruß "Shalom" begrüßen, und eine Partisanin wird kaum, auch nicht als Decknamen, den Namen Abu Ali (= Vater des Ali) annehmen.

Die künstlerische Qualität und die Schwächen des Szenariums (grober Naturalismus, ungenügende Motivierung der Wandlung der Charaktere, Simplifizierung von Handlung und Personen) wurden bei der vorliegenden Einschätzung nicht mit einbezogen.

Bator


Hager beauftragte seinen Mitarbeiter Kurt Rätz, die Stellungnahme des ZK an die DEFA zu geben.8


Ich schlage vor, dass Du (oder Erika, wenn sie zurück ist) die beiliegende Einschätzung Genossen Mäde mündlich zur Kenntnis gibst. Wir sollten sie nicht zirkulieren lassen, aber Genosse Mäde muss Bescheid wissen, um mit Dean Reed in angemessener Weise zu sprechen. K.H.


Der Film wurde nicht gedreht.


Fußnote 5: BA Berlin (SAPMO) DY/IVB2/2.024/105.
Fußnote 6: BA Berlin (SAPMO) DY/IVB2/2.024/105.
Fußnote 7: Die DDR exportierte Waffen nach Syrien.
Fußnote 8: BA Berlin (SAPMO) DY/IVB2/2.024/105.

BA = Bundesarchiv
SAPMO = Stiftung; Archiv der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR

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Letzte Änderung: 2017-07-27