taz 27.12.2000

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Der real existierende Cowboy

Seine Biografie hätte sich ein Propagandaschreiber nicht besser ausdenken können: Dean Reed war ein Wahlkämpfer Allendes, ein enger Freund und Verbündeter der Sowjetunion - und der offizielle Countrystar der DDR. Doch zuletzt trug nur noch die Brigade eines Backwarenkombinats seinen Namen.

Warum sich die Platten bei mir ansammelten, entzieht sich einer logischen Erklärung. Solange es die DDR gab, hatte ich keine einzige Dean-Reed-Platte, genauso wie Dean-Reed-Poster waren sie eher Synonym für völlig abartige Geschmacksverwirrung. Aber ab 1990 begannen sich diese Langspielplatten bei mir anzuhäufen, für ein paar Pfennige konnte man sie auf den Flohmärkten kaufen, sie waren irgendwie noch etwas skuriler als Honecker- oder Ulbrichtbilder. Eine junge Frau schenkte mir einmal gleich drei LPs, und in einem Trödelladen in der Husemannstraße fand ich sogar eine russische. In kyrillisch sah es schon eigenartig aus: "ДИН РИД".

Dean Reed war wohl die exotischste Figur der DDR, eine eigenartige Traumgestalt, die eher wirkte, als hätte ein mittelmäßiger Propagandaschreiber sie sich ausgedacht. 1938 geboren und aufgewachsen in Colorado, Studium der Meteorologie, Gesang zur Gitarre in Lokalen. Er nahm Unterricht beim Schauspieldozenten Paton Price. Man täte Reed Unrecht, ihn als begabten Sänger oder Schauspieler zu bezeichnen, durch sein irritierend blendendes Aussehen brachte er es trotzdem zu Hauptrollen in B- und C-Movies.

Sein Lebensweg führte oft von hinten durch die Faust ins Auge. Vermutlich durch wenige mittelmäßige Sänger aus den USA vorbereitet, erlag Chile seinen Sangeskünsten, er entfachte dort Anfang der Sechziger wirklich Begeisterungsstürme. Ähnlich in Moskau und schließlich in der DDR. Symptomatisch für seinen eigenartigen Lebensweg mögen die Angaben auf einer russischen Schallplatte für Dean Reed im Jahr 1970 sein: "Dean ist in Moskau Gast des sowjetischen Friedenskomitees anlässlich des 100. Geburtstages Lenins. Der prominente Künstler ist ein enger Freund und Verbündeter des sowjetischen Volkes. Schon seit 1967 führten ihn Gastspiele in die größten Städte der SU, nach Moskau, Leningrad, Wolgograd, Tbilissi, Kiew und Nowosibirsk. Im gleichen Jahr beteiligte er sich aktiv am Wahlkampf in Chile und unterstützte den Kandidaten der Volksfront, Dr. Allende. Er zog zur US-Botschaft in Santiago und wusch dort die US-amerikanische Flagge. Er wollte damit symbolisch auf das Blut des vietnamesischen Volkes, der Negerbevölkerung seines Landes und all der Völker, die unter von den US-Imperialisten unterstützten reaktionären Diktaturen zu leiden haben, aufmerksam machen. Für diese mutige Tat wurde er eingesperrt. Seine Arretierung zeigte dem ganzen chilenischen Volk, dass die damalige Regierung im Auftrage der US-amerikanischen Botschaft handelte."

Als Dean Reed dann in die DDR übersiedelte, war dies wohl die eigenartigste Wendung seines Lebens. Er reiste durchaus noch regelmäßig in die USA oder nach Chile, um sich dort festnehmen zu lassen, kam aber doch immer wieder zurück.

Eigenartig, diesen damals jungen und gut aussehenden Mann zu sehen, wie er Apparatschiks vom Schlage Karl Eduard von Schnitzler umarmt, Zombies geben sich gegenseitig den Todeskuss. Mit Manfred Krug verband ihn eine Feindschaft, Reed hielt ihn für bourgeois und umgekehrt hielt Krug ihn für einen Spinner.

Dean Reeds privilegierte Situation machte ihn unglaubwürdig bei Kollegen wie bei Feinden. Fehlte ihm eine Gitarrensaite, die in der ganzen DDR nicht zu finden war, kaufte er sie sich in Westberlin, mit seinem amerikanischen Pass konnte er fahren wohin er wollte. Angeblich wollte er immer das Maximum, mit Motorrad fuhr er auf die Bühne des Friedrichstadtpalastes, in riesigen Glühbirnenbuchstaben blinkte es: DEAN REED.

Doch in der Wirklichkeit des Ländchens blieb sein Publikum aus. Einen mittelmäßigen Sänger und Schauspieler hätten sie ja noch gern ertragen, aber seine politischen Einlassungen waren auch für die DDRler einige Nummern zu naiv. Leer blieben die Säle in Luckenwalde und Kötzschenbroda. Neue Hoffnung, vielleicht die auf eine Rückkehr in die USA, gab ihm der amerikanische Sender CBS, der ihn für eine beliebte Talkshow interviewen wollte. Nach Ausstrahlung gingen bei ihm Waschkörbe böser Briefe ein, die er in masochistischen Anfällen immer und immer wieder lesen musste: "Und er kann ja nicht mal singen!"

Nun war er auch noch über sein Volk enttäuscht. In beruflicher Sackgasse und mit Eheproblemen, tröstete es ihn wohl auch nicht mehr, dass eine Brigade des Backwarenkombinats Pasewalk seinen Namen trug. Am 12.06.1986 brachte er sich um, bald machten Gerüchte über Unfall oder Mord der Stasi die Runde. Die Potsdamer Dean-Reed-Oberschule legte diesen Namen im Herbst 1992 wieder ab, schade eigentlich.

Ein Themenabend zu Dean Reed mit Victor Grossman, Wladimir Kaminer und Christian Wolter findet am 28. Dezember, 20 Uhr im Kaffee Burger bei RADIO HOCHSEE statt.

Falko Henning

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Letzte Änderung: 2007-05-23