Film für Sie 83/1974 |
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Kit & CoNass bis auf die Haut, die Stiefel zerfetzt, ausgesetzt einem eisigen Dauerregen, so liegt Christopher Bellew, genannt Kit, ein junger Journalist aus San Francisco, in einer schmutzigen Wasserlache auf dem Gebirgspfad zur Goldgräberstadt Dawson. Vor Kälte ausgebrannt und unfähig, noch einen einzigen Schritt zu tun, verflucht er seine nachlassenden Kräfte und auch das Märchen vom schnellen Reichtum im Klondike-Gebiet. Dabei wusste er genau, wie sensationelle Schlagzeilen gemacht werden: "Riesengoldfunde in Alaska!" - das stimmte 1896. "Das Glück liegt auf dem Weg" - er liegt in Nässe und Schlamm, und Scharen gläubiger Glücksucher hatten ihn überholt, übersehen oder sich lustig gemacht, wie die bildschöne Joy Gastell. Cheechako, Greenhorn, so hatte sie ihn voller Spott genannt. Der Mann, der Kit Bellew das Schürfgepäck von den Schultern nimmt, ihm aufhilft, ihn säubert, vorwärtszerrt und mitschleppt, spottet nicht. Wortkarg, aber lustig, wenn er den Mund aufmacht, nicht mehr ganz jung und klei von Wuchs, aber gedrungen und von kräftiger Gestalt, nennen ihn die Alteingesessenen vom Klondike nur Shorty. Mit diesem Gefährten teilt Kit von nun an sein Geschick: den letzten zu Stein gefrorenen Kanten Brot in der zugigen Hütte bei eisigen Frösten; die sagenhaften Roulett-Gewinne, die das Greenhorn Kit den selbstbewussten Claim-Besitzern in der Elkhornbar abnimmt; die Riesenschlappe bei einem missglückten Frischeierhandel; und die vielbelachte Schande bei der Jagd nach einem fündigen Goldfeld, wo ausgerechnet die schöne Joy Gastell die beiden austrickst. Mit Shorty gerät er unschuldig unter Mortanklage, und mit ihm findet er den legendären Überraschungssee, dessen Grund mit Gold beplastert sein soll. Dennoch - reich, im gebräuchlichen Sinn des Wortes, werden Kit und Co nicht, aber ihr Reichtum besteht in einer festen Freundschaft, und dies ist ein rarer und großer Fund im Goldrauschtaumel Amerikas Ausgang des 19. Jahrhunderts. Von dieser Partnerschaft der beidern Goldsucher erzählt der neue DEFA-Farbfilm "Kit & Co", der nach einem Szenarium von Günter Karl und nach Erzählungen des nordamerikanischen Schriftstellers Jack London (1876-1916) entstand. Es ist das erste Mal, dass die DEFA - in Zusammenarbeit mit dem Mosfilm-Studio Moskau und dem Barrandov-Studio Prag - nach dem literarischen Nachlass dieses glänzenden Schilderers und Zeitkritikers greift, der meist aus eigener Erfahrung das Leben beschrieb und Partei ergriff für die Würde der Besitzlosen in einer unmenschlichen Gesellschaft. Londons Romanhelden stammen nicht aus der Retorte, alle hat er sie in seinem auch an Irrtümern reichen Leben getroffen. An den Lagerfeuern der Goldgräber Alaskas diskutierte er mit den Glücksuchern aller Schattierungen und sozialen Schichten über die Möglichkeiten der revolutionären Veränderung der Gesellschaft als beste Voraussetzung für die gerechte Verteilung des Reichtums. Eng verbunden mit der jungen proletarischen Bewegung seines Kontinents, versuchte er seinen Lesern Mut zu machen für ihren Kampf ums Dasein, gab er seinen Kits die Shortys an die Seite als Weg- und Kampfgefährten. Die Bearbeitung verwirklicht dieses Anliegen Jack Londons, bietet aber darüber hinaus innerhalb der episodenhaft komponierten Fabel auch Platz, die skurril-heiteren, komischen und grotesken Abenteuer in authentischen Begebenheiten festzuhalten. Eindeutig konzentriert man sich auf die Darstellung der Menschen, die in Alaskas Eiswüsten überlebten oder umkamen. Die Sache "Goldrausch" wird an ihren Verhaltensweisen sozial konkret gemacht und nicht als allgemeines Spektakel der Geldgier abgehandelt. Regisseur Konrad Petzold berauscht sich nicht an den brutalen Aspekten dieser unerbittlichen, überhitzten Jagd nach dem Gold, und so entstand ein Film, den man mit nachdenklichem Vergnügen betrachtet. Ein Ensemble hervorragender populärer Schauspieler hat spürbaren Spaß, diese Intentionen auszulegen. Die meisterhaft und in Farbe fotografierte phantastische Szenerie hielt Kameramann Hans Heinrich im Bild fest - und nicht zuletzt der überwältigende optische Eindruck rundet den ersten, gelungenen DEFA-Versuch, eine Jack-London-Abenteuergeschichte für unsere Kinoleinwände lebendig zu machen. Inge Nössig |
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