Nürnberger Nachrichten 03.08.2007

Mit Gitarre und Gewehr

Rockstar Dean Reed in der DDR: Die Doku "Der Rote Elvis"

Er war das Musterbild des strahlenden Amerikaners, ging jedoch den umgekehrten Weg von Westen nach Osten - und brachte ein wenig Lockerheit in den spröden DDR-Alltag. Dennoch war die Karriere des US-Sängers und Schauspielers Dean Reed (1938-1986), der als "roter Elvis" eine Fußnote in der Pop-Geschichte setzte, ein Modell dafür, wie Musik instrumentalisiert werden kann. Kunst - das macht das Beispiel Reed klar - ist (fast) immer auch Politik.

Fünf Jahre lang hat sich der Dresdner Filmemacher Leopold Grün auf die Spuren eines der geheimnisvollsten Protagonisten des Kalten Krieges begeben. "So einen mit Zahnpastalächeln kannte man in der DDR nicht", erklärte der 38-Jährige beim Publikumsgespräch im Nürnberger Filmhaus, wo er sein Erstlingswerk "Der Rote Elvis" vorstellte.

Für das einfühlsame Porträt über eine vergessene Ikone des internationalen Musikgeschehens hat Grün mit Zeitzeugen und Weggefährten des Musikers gesprochen, hat Originalschauplätze aufgesucht und jede Menge Mitschnitte aus jenen Tagen zusammengetragen und gesichtet. Resultat dieser gründlichen Recherche ist ein wertvoller, weil eine Lücke schließender Dokumentarfilm über eine tragische Figur, die aus heutigem Blickwinkel wie aus einer anderen Zeit und Welt anmutet. Und die trotz ihres vergleichsweise frühen Todes in der Retrospektive weder zum Helden noch zum Antihelden taugt.

Wo Bewohner seiner Heimatstadt Denver den überzeugten Marxisten Reed unverhohlen als Vaterlandsverräter brandmarken, räumt SED-Funktionär Egon Krenz im Interview offen ein, dass der US-Aussiedler und selbst ernannte Friedenssänger für die DDR-Führung ein Propaganda-Glücksfall war. Den diese weidlich auszunutzen wusste...

Mehr als das (nicht zuletzt durch Reed selbst maßgeblich mitinszenierte) Bild vom "Ost-Cowboy" war jedoch nicht drin. Man gestattete dem "Sänger des anderen Amerika" keine Weiterentwicklung. Auch Reed selbst gelang es nicht, sich in Ostdeutschland neu zu erfinden.

Von Depressionen gebeutelt und mit dem Staat überworfen, endete der Rockstar als Schlagersänger im DDR-Staatsfernsehen - und ertrank 1986 unter ungeklärten Umständen in einem See nahe Berlin.

(Filmhaus, Nürnberg).

STEFAN GNAD