neues leben 08/1972 (Jugendmagazin)

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Ein Arbeitstag mit Dean

Der Tag beginnt um zehn. Zwölf Stunden später wird er enden. Zuerst - siehe Foto - eine Runde am Tisch. Das soll Arbeit sein? Noch dazu schöpferische? Leider sieht Vor-Arbeit an einem Manuskript nicht attraktiver aus.

Denn schließlich sitzen wir nur beieinander, einer übersetzt aus dem deutschen Text ins Englische. Ein anderer, Dean, hört zu, lacht oder lacht nicht, unterbricht, deutet an, ob es so oder so gemeint ist, hört wieder zu... Wir übrigen finden, dass das Erdachte in englisch bedeutender klingt, schauen zu, wie Dean "vormacht", lachen oder lachen nicht, antworten, erklären und hören weiter zu, was Victor Grossman aus Freundschaft zu Dean übersetzt. Damit ist schon etwas Charekteristisches über Dean und diesen Tag gesagt: "aus Freundschaft" - denn wer ihn einmal erlebte in seiner Offenheit, von bescheidenem Wesen, mit einem klugen, weil menschlichen Humor, der wird sein Freund.

Um 14.00 Uhr wartet auf uns eine Vorführung. Dean ist auch hier herzlich, höflich, respektvoll. Er achtet jeden arbeitenden Menschen. Das bemerken wir sofort.

Und als wir ihn dan sehen, in einem chilenischen Dokumentarfilm, der ohne große Mittel für die Gewerkschaften gedreht wurde, erkennen wir es genauer. Er singt bei den Meetings, er spricht zu den Hafenarbeitern, und mit ihnen; er weiß um die Sorgen von Bauern, Lehrern, Studenten. Der Film ist nicht kunstvoll, nur so einfach, wie es die geringen Möglichkeiten zuließen. Trotzdem erzählt er beeindruckend und verrät in jeder Einstellung das leidenschaftliche Engagement Deans für eine gerechte Welt. Nicht nur in der inzwischen bekannten "Waschung der schmutzigen US-Fahne vor der amerikanischen Botschaft" in Chile. Nein, auch dann, wenn er den Menschen auf der Straße, im Bus, bei der Arbeit am Dock begegnet und sie ihm zurufen, ihn bestürmen, ja, selbst sein Haar mit südamerikanischem Temperament zu berühren versuchen, auch dann ist in jedem seiner Blicke Aufmerksamkeit für die anderen.

Er ist nicht der übliche Star, der sich selbst genügt. Und das Lied ist nur eine der Waffen seines Kampfes.

Aber um der Lieder willen, unter anderem, sind wir zusammengetroffen hier in Berlin. Denn in unserem gemeinsamen Projekt "Aus dem Leben eines Taugenichts" - frei nach der gleichnamigen Eichendorff-Novelle - wird es mehrere Lieder geben. Alte Texte, neu bearbeitet und neugeschriebene Verse; einzeln und Lieder für eine Gruppe von Menschen, denen Dean aufspielt. Aber im Film einmal nicht auf seiner Gitarre, sondern auf der Violine. Das Violinespielen übrigens ist auch etwas, das Dean für unseren "Taugenichts" noch lernt. Daneben gilt es deutsch zu lernen und, wie wir Deutschen eben sind, wir gaben ihm auch Bücher in die Hand über Eichendorff, dessen Zeit und Zeitgenossen, Bücher über Geist und Kunst der Romantik in Deutschland.

Dean nimmt seine Arbeit ernst. Es freut ihn, als Darsteller gefordert zu werden. Er   w i l l   lernen, sich ständig erweitern. Er ist nicht nur   d e r   Protestsänger und Rock'n'Roll-Star. Er ist viel mehr: ein Schauspieler, der Sprachen liebt, spanisch, italienisch spricht, französisch und etwas russisch versteht.

Und was er singt, ist nicht nur das hart fordernde politische Lied oder die kommerzielle Schnulze. Daneben liebt er Lieder für Kinder, dichtet sie selbst für seine Tochter. Er singt Liebeslieder jeglicher Art und mag den zarten lyrischen Ton.

Was er bei uns singen wird als der einfache "Taugenichts", der auszog in die Welt, sein Glück zu suchen und dabei in mancherlei werkwürdige Situationen gerät? Für Euch gaben wir es aus der Hand, das zum Beispiel:

Das Land ist weit und die Luft so frisch
Wer bliebe da bei Herd und Tisch?
Viel besser ist's bei Wald und Quell
Da werden Auge und Seele hell
Drum packt unsre Bündel, stimmt mit ein
Die Welt will frohe erobert sein.

Der Komponist, mit dem wir am späten Nachmittag zusammentreffen, deutet seine Melodie an, skizziert sie sozusagen am Klavier. Dean sitzt gespannt daneben, verarbeitet jede Nuance. Ein zweites Hören, ein drittes - und schon summt er selbst, nimmt die Gitarre zur Hand, spielt. Und die Melodie ist seine Melodie geworden. Bleibt nur zu hoffen, dass sie bald auch Eure Melodie sein wird.

Denn der Arbeitstag mit Dean ist ja eigentlich ein Tag für Euch, unsere Zuschauer.

Wera und Claus Küchenmeister

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Letzte Änderung: 2006-11-27