Neues Deutschland 18.05.1973 |
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Blumen der RomantikDer DEFA-Film "Aus dem Leben eines Taugenichts"Das Erbe der deutschen Romantiker ist reich, aber auch widersprüchlich. Vieles in ihrem Werk ist geprägt durch Ideale des christlich-feudalen Mittelalters, vom Nichtbegreifen des Beginns der historischen Entwicklung zum Kapitalismus. In den besten Werken der deutschen literarischen Romantik im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts schwingt viel Poesie, Verbundenheit zur Natur, gefühlsbetonte Stimmungsmalerei. Eichendorff, Uhland und Mörike stehen dafür, Eichendorff vor allem mit seiner Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts". Sie ist ein Stück sehnsüchtigen Strebens nach menschlicher Freiheit, Heimatliebe, nach froher Weltentdeckung. Der DEFA-Film nach Motiven der Eichendorffschen Novelle hatte vor einigen Tagen Premiere (Buch: Wera und Claus Küchenmeister, Regie: Celino Bleiweiß, Kamera: Günter Jaeuthe). Wie soll man Literatur heute verfilmen, eine Geschichte, die vor 150 Jahren entstanden ist, wie mit ihr zu den Zeitgenossen sprechen? Die Geschichte der Filmkunst hat darauf viele Antworten gegeben. Grigori Kosinzew, der vor einigen Tagen gestorben ist und dessen Tod wir tief beklagen, hat zum Beispiel mit "Hamlet" und "König Lear" auf großartige Weise seine künstlerischen Vorstellungen formuliert. Auch in Frankreich, Großbritannien, Italien, den USA, Japan sind Verfilmungen von Werken der Weltliteratur, der Dramatik entstanden, die Achtung erfordern. Die Geschichte der DEFA kennt ebenfalls Beispiele bemerkenswerter Literaturverfilmungen ("Der Untertan", "Lissy" u.a.). Keiner dieser Filme kann Anspruch darauf erheben, das einzig gültige Rezept gefunden zu haben. Dafür waren es Kunstwerke, die sich durch einen hohen Grad individueller schöpferischer Leistung auszeichneten, zur Kopie ungeeignet, zur Anregung ja. Eines haben diese Werke gemeinsam: Respekt vor dem Geist des Dichters und doch freie filmische Gestaltung, weil nur sie zu angemessenen Lösungen führen kann. Daran haben sich auch die Autoren des DEFA-Filmes gehalten. Vieles von den impressionistischen Tupfern Eichendorffs ist erhalten geblieben, die Liebe zum fein ausgemalten, ausgesponnenen Detail, farbenprächtiges Dekor, Wald, Wiese, Flur und Feld unter dem Glanz der Sonne, Schluchten und aufsteilende Berge, das Wandern und die Erlebnisse eines jungen Menschen auf Entdeckungsreise. Die Kamera ist von schöner Beweglichkeit, auch Sinn für Farbe wird entwickelt. Die Autoren waren bestrebt, soziale Konturen hinzuzugeben, den Taugenichts nicht als Müßiggänger, sondern als Muse und Muße Suchenden zu charakterisieren. Diese Absicht, so scheint es mir, hat nicht durchgängig eine überzeugende künstlerische Form gefunden. Es fehlt an überschaubaren Handlungslinien, an der Dramatik der Charaktere und ihrem individuellen Profil. Über Schönheit im Detail, auch aktuellen Anspielungen in den Dialogen, fügt sich das Werk nicht zu künstlerischer Geschlossenheit, bleibt so auch sein Sinngehalt zu verschlüsselt. Dean Reed, der amerikanische Schauspieler und Sänger in der Titelrolle, anfangs stutzend machend durch den akzentgefärbten Vortrag von Liedern mit Anklängen an deutschen Volkston, bemüht sich, die Figur zwischen Naivität und Volksweisheit anzusiedeln. Die Regie vermochte aber noch nicht, ihm jene federnd-schwebende Leichtigkeit in der romantischen Szene, jene vorwärtstreibende Sorglosigkeit und das Sehnsüchtige abzufordern, das dem Eichendorffschen Taugenichts eigen ist. Ein artig agierendes Ensemble, darunter Anna Dziadyk, Hannelore Elsner, Monika Woytowicz, Hannes Fischer, Gerry Wolff, Arno Wyzniewski, Christel Bodenstein, vermag das Auge des Zuschauers zu erfreuen. Horst Knietzsch |
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www.DeanReed.de
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