NBI 15/1973, 2. Aprilheft |
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Was taugt der Taugenichts?Im Mai präsentiert uns die DEFA ihren "Taugenichts". Nach Joseph von Eichendorffs 1826 geschriebener Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" entstanden, hat dieser Farbfilm einen naiven Jüngling aus der deutschen Romantik zum Helden. Einen "Film für die Jugend" versprach uns Hauptdarsteller Dean Reed vor Beginn der Dreharbeiten (NBI-Interview Heft 21/1972). Nun liegen Szenenfotos auf unserem Tisch. Die komische Figur mit Schlafrock und Zipfelmütze - soll oder kann sie die jungen Menschen unserer Tage begeistern? Darüber sprachen wir mit Regisseur Celino Bleiweiss.Was die Schlafmütze betrifft - Celino Bleiweiss bezeichnet diesen Burschen als Idioten. Wörtlich. "In seiner Zolleinnehmerzeit bemüht der Taugenichts sich ehrlich, der Idiot zu werden, zu dem der Schlossportier mit seiner Untertanenphilosophie ihn machen will." Und das soll die jungen Kinobesucher ansprechen? Nein, das soll es nicht. Obwohl der ganze Film "über den Taugenichts erzählt" ist - das heißt, der Zuschauer erlebt und erfährt nichts anderes als der Held -, wird auf keinen Fall eine völlige Identifizierung des Publikums mit dieser Hauptgestalt möglich sein. "Wer den Film sieht, wird eher angeregt sein, sich mit ihr zu vergleichen", meint der Regisseur, "wird überlegen: Wie würdest du dich verhalten?" Taugenichts wird er genannt. Nie erfahren wir, wie er heißt. Er ist sehr jung und sehr naiv. Nicht besonders mutig. Abenteuer sucht er nicht, er gerät in sie hinein. ist er ein Taugenichts? Er liegt auf der Wiese und träumt. So lernen wir ihn kennen. So kennt ihn auch der geplagte Müller. Er jagt ihn fort. Die Mühle braucht keinen Wiesenlieger. Ein Minuspunkt für den Taugenichts. "Aber ein Taugenichts ist er nicht unbedingt", wendet sein zeitweiliger Verteidiger Bleiweiss ein. "Seine Berufung, seine größte Fähigkeit ist es, Lieder zu machen und zu singen. Damit will er anderen und sich das Leben verschönern. Wenn jemand diese Fähigkeit beanspruchen würde..." Ein Pluspunkt? "Übrigens ist der Taugenichts nicht arbeitsscheu. Er ist geschickt und kräftig. Der vom Baum geholte Liedersänger arbeitet sogar im Schlammgraben umsichtig und wirkungsvoll. Das Schloss verlässt er nicht etwa, weil ihm Arbeit nicht passt, sondern weil die Verhältnisse ihm nicht passen. Auch für seine große Liebe lassen sie ihn keinen Hoffnungsschimmer sehen. Die ungerechten sozialen Unterschiede treiben ihn fort." Ein Pluspunkt. Mit sozialen Ansprüchen hängt auch der verführerische Reiz zusammen, den das Leben der Räuber auf den Taugenichts ausübt. Am Lagerfeuer der Bande fühlt er sich nicht mehr gedemütigt. Er wird ernst genommen. Sogar seine Kunst ist hoch geschätzt. So übersieht er, dass die Räuber, elegante, feine Leute, sich auch selbst ungeheuer ernst nehmen und dass ihr Kampf für eine "gerechte Welt", bei dem es ihnen auf ein paar tote Bedienstete mehr oder weniger nicht ankommt, sich im Überfall auf Reisekutschen erschöpft. Der Taugenichts bleibt der naive Junge, solange wir ih begleiten. Er verlässt die Bande und kehrt trotz seiner bitteren Erlebnisse ins Schloss zurück, weil die Erfüllung seiner Liebe ihm wieder möglich erscheint. Wider eigene Erfahrung mach er sich die schönsten - und unsinnigsten - Hoffnungen, glaubt er neuerlich, dass Klassenunterschiede überbrückbar sind. Dummheit und kein Ende? "Das ist eine Besetzungsfrage", antwortet der Regisseur. "Unser Taugenichts ist Dean Reed. Die Wirkung der Rolle, der Filmfigur ist von der Wirkung seiner Persönlichkeit, von seiner Ausstrahlung, von seiner kämpferischen politischen Haltung nicht zu trennen. Dean Reed würde im Film auch dann nicht aufhören, Dean Reed zu sein, wenn er seine Lieder akzentfrei singen würde. Unsere Absicht war, dem pubertären, verträumten Jüngling der Novelle etwas mehr Männlichkeit, mehr Persönlichkeit zu geben. Ja, dieser Held ist am Anfang naiv und am Ende des Films nicht viel mehr. Aber von Dean Reed verkörpert, ist der Taugenichts insofern mehr, als man diesem Jungen zutraut, an der Seite des geliebten Mädchens ein sinnvolles, kämpferisches Leben führen zu können. Obwohl er manchmal gekniffen hat - von den Räubern zum Beispiel hätte er sich ja eigentlich distanzieren müssen -, sind unsere Hoffungen, ist unser Vertrauen größer, wenn der Taugenichts Dean Reed ist. Aus d e m Taugenichts kann was werden." Die Drehbuchautoren, Wera und Claus Küchenmeister, haben der Hauptgestalt einen Schlusssatz geschrieben, der diese Überzeugung beim Zuschauer bestärken kann. Der Junge bekommt die Schöne, von der er geträumt hat; sie entpuppt sich als Verwandte des herrschaftsseligen Schlossportiers. "Dann hatte der alte Portier doch noch etwas Gutes - so eine Nichte!" Mit anderen Worten: Das Gute nehme ich, doch sonst habe ich auf diesem Schloss nichts Gutes entdeckt. Da können wir uns mit dem Taugenichts durchaus identifizieren. Heinz Niemann |
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www.DeanReed.de
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