Mitteldeutsche Neueste Nachrichten 25.05.1973

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DER NEUE FILM

Aus dem Leben eines Taugenichts

Ein junger Mensch, ein "Milchbart" noch, zieht mit seiner Geige durch das Land. Mal ist ihm "zum Sterben bange", viel öfter aber ist ihm "wie ein ewiger Sonntag im Gemüte". Wundersame Erlebnisse hat dieser Bursche, den man Taugenichts ruft, weil er anders ist als die ach so braven Menschen seiner Umwelt und weil er "so arm ist und verspottet und verlassen von der Welt".

Was ich in Anführungsstriche setzte, lässt Eichendorff den Titelhelden seiner Novele "Aus dem Leben eines Taugenichts" sagen, die zu den schönsten der deutschen Romantik gehört. Wera und Claus Küchenmeister machten den Versuch, Eichendorff auf die Bildwand zu bringen. Ein Unterfangen, das an sich deshalb lobenswert ist, weil - wie uns Lehrer bestätigen - die jüngere Generation bisher nur wenig mit der Romantik im Unterricht konfrontiert wurde. Dass jedoch die Küchenmeisters ihnen, den Jungen, die Eichendorff-Novelle erschlossen haben, ist allerdings kaum zu behaupten.

Gewiss, über dem Film liegt, zumindest auf weiten Strecken, viel von der Atmospäre, die auf des Dichters inniger, ja verklärender Liebe zur Natur, zu ihren Schönheiten beruht; es finden sich neben den heiteren, humorvollen die leisen, demütigen, zart-melancholischen Töne - aber das ist in erster Linie nicht den Autoren, sondern dem Regisseur Celino Bleiweiß und seinem Gespür für reizvolle Detaillösungen sowie Günther Jaeuthe zu danken, der hinter der Kamera stand. Vor allem durch Jaeuthe wurde der "Taugenichts" zu einer Stimmungsdichtung. Wera und Claus Küchenmeister haben vor der Premiere des Lichtspiels vieles über ihre "freie Adaption" der Novelle ausgesagt. Sie haben erklärt, dass sie in dem Helden einen jungen Menschen sehen, der nicht Müßiggang sucht, sondern Muße, die schöpferisch anregt. Das wird aber ebensowenig klar wie in der Handlung das Leonhard-Guido-Geheimnis, in das der Taugenichts ohne sein Wissen einbezogen ist und das viele Verwechslungen und Missverständnisse auslöst. Die Drehbuchautoren erklärten u.a. auch, weshalb sie die Eichendorff-Lieder sowohl durch Volks- als auch durch neue Kunstlieder ersetzen. Ihre Begründungen in Ehren. Zu verstehen ist dieser "Austausch" nicht. Und zwar deshalb nicht, weil - abgesehen von den eingebrachten Volksliedern - die neuen zu häufig, zu aufgesetzt wirken.

Die Küchenmeisters folgten fast durchgängig der literarischen Vorlage; sie dichteten jedoch  i h r e m  Taugenichts ein zwar künstlerisch gelungenes, aber sich nicht nahtlos in die Handlung einfügendes Rinaldo-Rinaldini-Erlebnis an; sie ließen ferner ihren Zolleinnehmer-Taugenichts durch eine weitere eingeschobene Episode seine Erkenntnisse über die "Rechte" der Reichen vermehren; und sie setzten ihn - (damit auch die letzten Unklarheiten über die im 19. Jahrhundert herrschenden Klassengegensätze beseitigt werden!) - tiefen Demütigungen aus, ehe er mit seiner "Schönen", deretwegen er so viel Herzensnöte litt, von dannen in ein Land ziehen kann, wo man seinesgleichen besser versteht. Gegen diesen veränderten Schluss (in der Novelle schenkt Graf Leonhard dem Taugenichts und seiner Schönen ein Schloss) ist wohl kaum etwas einzuwenden.

Dean Reed, der amerikanische Sänger und Schauspieler, spielt den Taugenichts liebenswert, charmant, allerdings nicht durchgängig überzeugend. Und das mag darauf zurückzuführen sein, dass Rollenkonzeption und Charakterisierung mit des Dichters Vorgabe vom Alter des Taugenichts nicht voll übereinstimmen. Neben Reed agieren in den weiteren Hauptrollen Anna Dziadyk als "Schöne", Christel Bodenstein als "Guido" (bzw. Flora) und Peter Biehle als Leonhard. Einprägsam wie Gerry Wolffs Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini ist Hannes Fischers Portier.

ak.

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