Lausitzer Rundschau 05.08.2011

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"Ich wollte das Ende der Legenden"

"Besondere Vorkommnisse" – in der DDR gab es davon jede Menge, nur hat man selten etwas darüber erfahren. Der Berliner Schriftsteller Jan Eik, vielen auch als Krimiautor bekannt, hat sich solcher Vorkommnisse angenommen und ein Buch darüber gemacht. Über den scheinbar mysteriösen Tod von Dean Reed, das vermeintliche Attentat auf Erich Honecker, den viel diskutierten Hubschrauberabsturz von Werner Lamberz. Im Interview spricht Jan Eik über seine Recherchen für das Buch, das ab 15. August in der Lausitzer Rundschau als Fortsetzungsroman abgedruckt wird.

Was macht die Vorkommnisse, über die Sie geschrieben haben, eigentlich so besonders?

Eik: Gute Frage. Es gab ja beim Ministerium für Staatssicherheit direkt eine Abteilung "Vorkommnisuntersuchung". Dort wurden alle Dinge, die die Repräsentanten betrafen, also die Spitzen von Partei und Regierung, oder solche Ereignisse, die Unruhe unter der Bevölkerung hervorrufen konnten, untersucht. Die von mir geschilderten Fälle wurden von dieser Abteilung, die erst in den 70er-Jahren gegründet wurde, bearbeitet.

Aber Ihre erste Geschichte, die Legende um den Funkhausbrand in Berlin, spielt 1955.

Eik: Das stimmt. Die fällt ein bisschen aus dem Rahmen. Aber zu dieser Geschichte habe ich eine sehr persönliche Beziehung, weil sie mich die 30 Jahre, die ich beim Rundfunk gearbeitet habe, begleitete. Dieser Rundfunkbrand spielt in der Rechtfertigungsliteratur der Chefs der Staatssicherheit immer noch eine Rolle, und immer noch wird der Bauingenieur Arno Bade als Brandstifter bezeichnet. Obwohl die Dokumente das Gegenteil belegen. Nur die Tatsache, dass Bade ein ruhiger und friedlicher Mensch ist, verhindert, dass er diese Stasileute wegen Verleumdung verklagt. Die wissen, dass er kein Brandstifter war.

Bei genauerem Hinsehen ist der eine oder andere Fall, der zum besonderen Vorkommnis wurde, doch eigentlich nichts, was man vergeheimnissen musste. Warum wurde das trotzdem gemacht? Beim Selbstmord von Dean Reed zum Beispiel.

Eik: Gerade im Fall von Dean Reed habe ich längere Gespräche mit dem damaligen Untersuchungsführer der Staatssicherheit gehabt und der hat mir glaubhaft versichert, dass es nicht an der Stasi lag. Die Ermittler haben in diesem Fall zusammen mit der Kriminalpolizei korrekt gearbeitet. Aber Honecker hat beschlossen, es war ein Unfall – und dann war es eben ein Unfall. Wie so was eben in Diktaturen ist.

Eigentlich schwachsinnig, weil erst dadurch Verschwörungstheorien in Umlauf kamen.

Eik: Bei Dean Reed ist das so weit gegangen, dass die Stasi-Ermittler noch mal anlässlich der Beerdigung nachgefragt haben, ob sie die Unfall-Version auch gegenüber der Familie aufrechterhalten sollen. Sie sind vom Politbüro angewiesen worden zu schwindeln. Auch im Fall des angeblichen Attentats auf Honecker ist von den Stasi-Ermittlern völlig korrekt gearbeitet worden. Das ist wie bei den Wahlen, die wurden ja auch erstmal ordentlich durchgeführt, nur die Ergebnisse sind verfälscht worden.

Bei Werner Lamberz war das ja fast noch schlimmer, da gab es alle möglichen Theorien, wer den Kronprinzen von Erich Honecker aus dem Wege haben wollte.

Eik: Ich fand diese Geschichte besonders unangenehm, weil man der Witwe gegenüber das Schweigen gewahrt hat, sie nicht erfahren hat, dass es einen Untersuchungsbericht und eine Obduktion gegeben hat. Unter ethischen Aspekten ist das nicht zu rechtfertigen. Im Politbüro konnten sie sich immer gar nicht vorstellen, dass sie mit dem Verschweigen Gerüchten Nahrung gaben. Die haben ja ihren eigenen Sicherheitsorganen nicht geglaubt.

Wie sind Sie darauf gekommen, sich dieser Fälle anzunehmen?

Eik: Die erste Geschichte, die ich recherchiert habe, war das Honecker-Attentat. Auf die hatte mich der damalige Literaturredakteur des Magazins Heinz Niemann sozusagen angesetzt. Der meinte Anfang November 1989: Jetzt wäre doch Gelegenheit die Sache aufzuklären. Ich habe mich dann mühsam rangetastet. Erst waren angeblich keine Akten da, dann habe ich sie doch bekommen. Aber nicht von der Staatssicherheit, sondern von der Militärstaatsanwaltschaft. Der Militäroberstaatsanwalt, der damals auch auf einem Schleudersitz saß, hat mir die Originalakte vorgeblättert, und weil es keine Kopiergeräte gab, sogar die Blätter gehalten, damit ich sie fotografieren konnte. Da war auch nichts geschwärzt, wie das heute üblich ist.

Und dann haben Sie, vom Erfolg überzeugt, weitergemacht?

Eik: Ja. Da war ja noch die alte Geschichte mit dem Rundfunkbrand, wo ich einfach wissen wollte, wie es wirklich war. Für das Buch habe ich mir dann überlegt, was es noch an merkwürdigen Fällen gab. Dean Reed war so 'ne heiße Sache. Dabei kam mir der Zufall zuhilfe: Ich kannte den Adressaten seines Abschiedsbriefes Eberhard Fensch. Der war der Medienverantwortliche im Zentralkomitee. Wir kannten uns vom Rundfunk – ich war Techniker, er Kommentator. Von ihm habe ich viele Dinge erfahren, auch von Reeds Dolmetscher.

Was hat Sie selbst bei Ihren Recherchen am meisten verblüfft?

Eik: Weniger die Tatsachen, sondern viel mehr die Verstrickung von Personen, die ich persönlich kannte oder die ich bei meinen Nachforschungen kennengelernt hatte, in die Geschehnisse. Ist schon merkwürdig, wenn man zu jemandem sagt: Du, ich habe gerade in der Akte was über dich gelesen. Und der andere erbleicht. Weil er gar nicht wusste, dass er außer einer Täter- auch eine Opferakte hatte. Manchmal habe ich auch gestaunt über die Dusseligkeit der Stasi – was für Zeug die gesammelt hat. Auch in meiner eigenen Akte stehen Dinge, die ich mir überhaupt nicht erklären kann. Mit Leuten in Zusammenhang, die ich gar nicht kenne.

Ihr Buch erscheint am 10. August in einer überarbeiteten Auflage – gab es neue Erkenntnisse oder mussten Sie sich revidieren?

Eik: Ich habe immer nur Fakten ergänzt. Bei Dean Reed zum Beispiel musste die unendliche Story mit dem Film, den Tom Hanks drehen wollte, hinzugefügt werden.

Mit Jan Eik sprach Renate Marschall

Am 10. August stellt Jan Eik in einer gemeinsamen Veranstaltung der Stadtgeschichtlichen Sammlungen, des Heron Buchhauses und der Lausitzer Rundschau die an diesem Tag erscheinende Neuauflage seines Buches vor. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr im Cottbuser Stadtmuseum, der Eintritt ist frei.


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Letzte Änderung: 2011-08-19