Filmspiegel 19/1975 |
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Die Uhr schlug Mitternacht......und zu diesem Zeitpunkt sollten sich wohl auch die Flügeltüren hinter den heimwärts Strebenden schließen. Doch das war nicht möglich. Der Beifall im Berliner Kino "Kosmos" wollte nicht enden, obwohl den Zuschauern bereits die Handflächen und den Darbietenden gewiss der Boden unter den Füßen brannte. Dean Reed hatte seine große Schau beim "Kosmos-Treff 73". Wie gewohnt der große Junge mit dem immer strahlenden Lächeln und dem gleichzeitigen Ernst, wenn es um politisches Engagement geht. Wie gewohnt auch die sympathische Natürlichkeit, mit der er radebrecht und mutig-verschämt mit seinen Deutsch-Kenntnissen kokettiert ("Ich war ja stolz, ein wenig deutsch zu können. Aber als ich neulich in Suhl und Erfurt war, habe ich kein Wort verstanden. Ich werde wohl noch ein Jahr brauchen, um wieder dorthin zu gehen"). Er versteht es, sich persönlich zu geben, Freundschaften zu schließen beim Auftritt. Nicht nur, weil er sich singend mitten unter die Leute setzt. Das könnte auch Masche sein, bei ihm nicht. Er erzählt, was jedes seiner Lieder für ihn bedeutet: "Together", das er an seinen Hochzeitstag geschrieben hat, oder die Liebeserklärung an seine Mutter und alle Mütter, die jung im Herzen geblieben sind, oder "Venceremos", der oft gehörte Chile-Song, der für ihn dennoch immer wieder Bekenntnis ist, weil er mit der Trauer um viele persönliche Freunde verbunden ist. Vieles war gewohnt an diesem Abend, manches neu. Wirkungsvolle Arrangements mit der Truppe Dieter Janik und den Solisten Brigitte Florian, Erika Janikowa und Manfred Drews, ein lockeres und geschicktes Repertoire mit internationalen Hits, Selbstverfasstem, mit harten Rhythmen und dem nötigen Schuss Romantik. Und nicht zu übersehen - die beachtliche Kondition des Interpreten: selbst nach Rock 'n' Roll mit Zugabe geriet er nicht außer Puste. So ging selbst das skeptische Berliner Publikum aus sich heraus, wenn auch die Aufforderung zum Mitsingen wie üblich nur mit dem obligatorischen Mitklatschen quittiert wurde. Spätestens aber beim Schlangestehen nach Autogrammen wurde es aktiv. Mit dem Verkauf großer Plakate hatte Theaterleiter Böhme vorgesorgt, der mit dieser Veranstaltung seine Reihe "Kosmos 73" (wie auch sonst mit dem "Film-Beat-Treff um Mitternacht") erneut bewies, wie attraktiv auch Kino ohne Kino sein kann. mt |
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www.DeanReed.de
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