Eckernförder Zeitung 25.05.2004

Krimi auf der Frühstücksbühne

In der Frühstücksbühne zeigt Henrik Jacob Mutmaßungen über Dean Reed. Wurde der bekannte Amerikaner in der DDR ermordet, war es Selbstmord oder lebt er heute vielleicht noch?

Politische und zeitgeschichtliche Themen in der Kunst sind entweder unpopulär oder skurril. So skurril wie das Leben des Ostblockidols Dean Reed, das der Berliner Künstler Henrik Jacob in der Frühstücksbühne präsentiert. "Dieser Amerikaner kam über das große Wasser in die DDR und starb dort in einem kleinen See", erläuterte Henrik Jacob die Rahmenhandlung seiner Ausstellung. Eine Hollywoodkarriere, Erfolge in Südamerika, besonders in Chile, Tourneen durch die UdSSR, Mongolei, ČSSR und die DDR bedeuteten den Einstieg für den singenden und schauspielernden Amerikaner. Im sozialistischen Deutschland wurde er bald sehr populär: Konzerte, Filme, Leninpreisträger, Zusammenarbeit mit Yassir Arafat usw. sind weitere Stationen einer seltsamen Karriere. Am 17. Juni 1986 wurde seine Leiche in einem See gefunden. Die Zeitungen der DDR berichteten nur knapp über einen Unglücksfall. Dean Reeds Mutter eilte aus Amerika herbei und konnte an der Leiche eine ihr vertraute Narbe nicht entdecken. Was also geschah wirklich?

Henrik Jacob arbeitete mit sehr verschiedenen Materialien über dieses farbenprächtige Thema: In dazu kontrastierender grauer Knete gestaltete er Motive aus dem Umfeld des "größten Amerikaners der DDR" nach. Zwei Filme zeigen aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Wirkung Dean Reeds heute. Während im Westen kaum einer den anscheinend so erfolgreichen Künstler kennt, ergehen sich Ostdeutsche in Mutmaßungen über den Tod des Idols: Spielten Drogen eine Rolle, war es ein Sportunfall oder gar die allmächtige Stasi, vielleicht sogar eine Verschwörung? "Meine Mutter glaubte, dass er unter Drogen in einen Swimmingpool gefallen ist, beides gab es in der DDR nicht", so Henrik Jacob. Er beteiligt sich an allen Mutmaßungen, gestaltet Gerüchte und präsentiert immer noch aktuelle Ängste der Zeitzeugen. Selber im Osten geboren, studierte Jacob in Bremen, Frankreich und Barcelona. Zwei Jahre recherchierte er über sein Thema, veranstaltete einen Double-Wettbewerb und suchte Kontakte zu einem Phänomen. "Dean Reed war der Künstler an sich: Gut aussehend, erfolgreich, engagiert, sehr beliebt und letztlich gescheitert. Heute ist er fast vergessen".

Henrik Jacob greift mit Vorliebe bereits vorhandene Themen auf, gestaltet sie neu und genießt es, sie in der Schwebe zu halten: "Ich mache das Öffentliche privat, nicht das Private öffentlich". So arbeitet er gerne mit Bildern aus Illustrierten, die er mithilfe einer ausgefeilten Technik in andere Zusammenhänge überträgt.

In der Frühstücksbühne in der St.-Nicolai-Straße zeigt er auch Reliefbilder aus seinem bevorzugten Werkstoff Knete, szenische Bilder aus Reeds Leben. Dieses Arbeitsmaterial schätzt er, "weil Knete eigentlich wertlos bleibt, keinen Anspruch an die Ewigkeit stellt und sich mit ihr Vorstellungen aufbauen lassen".

Neben den Filmen, Knetplastiken und -bildern über Dean Reed kann während der Öffnungszeiten eine umfangreiche dokumentarische Sammlung zum Thema eingesehen werden.

Ausstellung von Henrik Jacob "Neue Katastrophen" bis 17. 6. donnerstags bis sonnabends von 15 bis 18 Uhr in der Frühstücksbühne, Sankt-Nicolai-Straße 7, Infos unter Tel. 04351/726404 Internet: www.m-tralau.de

Markus Feuerstack