Berliner Zeitung 30.06.2008 |
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Eröffnung der US-BotschaftVEREINIGTE STAATEN UND BERLIN"Ich wäre drüben geblieben"Wiebke ReedElmar Schütze Mein Verhältnis zu Amerika erklärt sich durch meinen zweiten Ehemann, den Countrysänger und Schauspieler Dean Reed, den "Amerikaner des anderen Amerikas", wie er in der DDR genannt wurde. Er wurde mir 1971 bei der Messe der Meister von Morgen in Leipzig vorgestellt. Ich war Lehrerin, Modell und verheiratet mit einem Fotografen. Dann kam dieser Mann aus den USA. Ich war skeptisch, er umwerfend. So ein fröhlicher Mensch. Und ein Sozialist. Im Januar 1973 hat er seiner Wika - so hat er mich genannt, weil Wiebke so schwierig ist - den Antrag gemacht. Mit Dean kann ich mich an Fahrten zum US-Konsulat an der Clayallee erinnern. Er musste am Checkpoint Charlie rüber, ich an der Friedrichstraße. Danach war ich öfter in der Botschaft in der Neustädtischen Kirchstraße. Ich kann mich an Kinoabende erinnern, an "Elephant Man" von David Lynch. Und an den leckeren Weißwein. Ich weiß noch, dass alle dort Dean mochten, obwohl er politisch völlig anderer Meinung war. Und mich auch. Ganz toll war unsere erste Reise in die USA. Wir haben seine Familie besucht, seine erste Frau, seine Mutter, seinen Bruder Dale, der einen sicherheitsrelevanten Job bei Boeing hatte und dessen Haus offensichtlich verwanzt war. Einmal waren wir bei Freunden am Meer. Ich glaubte allein zu sein und sonnte mich nackt auf der Terrasse. Da kam die Gastgeberin und rief: "How can you be nude?" Wie ich nur nackt sein konnte? Nun, ich war eben eine Ostdeutsche. Ich fand's lustig. Ich sage ganz ehrlich: Ich wäre drüben geblieben. Dieses Verständnis von Freiheit, dass man sagen durfte, "my president is a criminal", das hat mir imponiert. Aber Dean musste zurück in die DDR. Er wäre in den USA wieder das geworden, was er früher war: ein arbeitsloser Sänger und Schauspieler. Nach unserer Trennung wurde es kompliziert. Erst wollte er, dass ich den Namen Reed ablege, damit ich keine Vorteile davon hätte. Nix da. Dann hat er dafür gesorgt, dass ich meinen Reisepass abgeben musste - ich hatte den ja nur wegen der Ehe mit ihm bekommen. Dennoch habe ich von der Zeit mit Dean profitiert. Ich habe durch ihn Englisch gelernt, sieben Jahre lang, jeden Tag. Er hatte es mit Deutsch nicht so. Immerhin hat er es einmal geschafft, ein "Kümmelbrötchen for my Kümmelmädchen" zu sagen. Kümmelmädchen wegen meiner Sommersprossen. Sein Selbstmord im Jahr 1986 hat mich sehr getroffen, da wir noch eine gute Beziehung hatten. Mit meinem Englisch hatte ich in der DDR einen Riesenvorteil. Nach der Trennung habe ich wieder als Lehrerin gearbeitet. Später habe ich im Palast-Hotel das Personal unterrichtet, weil dort viele ausländische Gäste abgestiegen sind. Danach habe ich für die DDR-Künstleragentur gearbeitet. Von 1980 bis 1988 habe ich mit Leuten wie Santana oder den New Yorker Philharmonikern gearbeitet. Außerdem habe ich drei Jahre lang an der Ernst-Busch-Schauspielschule Englisch unterrichtet. Von diesen Kontakten profitiere ich noch heute. Zwischendurch habe ich für englischsprachige Journalisten gedolmetscht. So kam es, dass ich am 9. November 1989 im Raum war, als Schabowski seine Pressekonferenz abhielt. Notiert von Elmar Schütze. |
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www.DeanReed.de
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