Books and films about Dean/Bücher und Filme über Dean

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Die DDR im Blick

Die DDR im Blick

Ein zeithistorisches Lesebuch

Susanne Muhle, Hedwig Richter, Juliane Schütterle (Hrsg.)

Metropol Verlag, Berlin 2008. ISBN: 978-3-940938-04-6, 317 Seiten, 19,00 €


"Die DDR im Blick" präsentiert 28 prägnante "Geschichten" aus den Forschungswerkstätten junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu einem vielfältigen und anschaulichen Streifzug durch die DDR-Vergangenheit einladen. Sie berichten über eine Lebenswelt, die vom totalen Machtanspruch des Regimes durchdrungen war, von Begegnungen zwischen Ost und West, aber auch von Ausbruchsversuchen aus dem realsozialistischen Alltag. So spiegeln die Texte aktuelle Debatten in der DDR-Forschung wider und zeugen von der Doppelbödigkeit und Komplexität der DDR-Geschichte, hinter deren nostalgischer Verklärung oft die Verdrängung von Verantwortung steht. Die Beiträge sollen zum Weiterlesen anregen, zur Diskussion über die jüngste deutsche Vergangenheit anstiften und die Erinnerung an die SED-Diktatur wachhalten.

metropol-verlag.de

S. 271-273

Udo Grashoff

Selbsttötung oder durch die Staatssicherheit verschleierter Mord?

Vier Beispiele aus den achtziger Jahren

[...]

Der ertrunkene Cowboy

Ein vertuschter Geheimdienstmord - dieser Verdacht kam auch auf, als im Sommer 1986 gemeldet wurde, der aus den USA in die DDR übergesiedelte Sänger und Schauspieler Dean Reed sei in einem See ertrunken. Zweifel an dieser Version lagen nahe, zumal der "rote Cowboy" ein guter Schwimmer war. Verwandte und Freunde des Verstorbenen, darunter Reeds Managerin, äußerten bereits eine Woche nach der Bekanntgabe des offiziell als "tragischer Unglücksfall" deklarierten Todes ihren Mordverdacht. Zur selben Zeit wurde im Westen verbreitet, Reeds Leiche sei mit einem Strick um den Hals aus seinem Auto gefischt worden. Ein Korrespondent der Associated Press (AP) bezeichnete den Tod von Dean Reed als den "zumindest im Westen aufsehenerregendsten Kriminalfall der DDR", der sich "seit dem tragischen Ende des in Stasi-Untersuchungshaft verstorbenen Jenaers Matthias Domaschk im Jahr 1981" ereignet hätte.2 Es wurde spekuliert, dass Dean Reed für westliche Geheimdienste gearbeitet haben könnte, oder dass der Staatssicherheitsdienst ihn von einer Rückkehr in die USA abhalten wollte. Die Spekulationen setzten sich von 1986 bis in die jüngere Gegenwart fort - bis im Jahr 2003 der veröffentlichte Abschiedsbrief, der auch ein kämpferisches Bekenntnis zum Sozialismus enthielt, für endgültige Klarheit sorgte. Zwar waren die Fakten schon lange zugänglich, auch der Abschiedsbrief gelangte bereits 1990 erstmals in die Öffentlichkeit. Aber für die Medien war wohl in den Jahren nach der Wiedervereinigung die Spekulation über einen Geheimdienstmord interessanter als die gründliche Recherche.

Dean Reed hatte sich am 11. Juni 1986 nach einem Ehestreit die Pulsader aufgeschnitten; am folgenden Tag war der Schauspieler nach einem erneuten Streit zu einem Freund gefahren, hatte unterwegs angehalten, auf die Rückseite eines Filmskripts seine letzten Worte notiert und sich dann das Leben genommen. Bei der Fahndung entdeckte die Polizei zunächst das Auto, das "in einem Zustand höchster Erregung abgestellt wurde (Beschädigung der vorderen Stoßstange infolge Anstoßens an einen Baum, unverschlossene Türen und Kofferraumklappe)". Reed hatte den in großen, krakeligen Buchstaben geschriebenen Abschiedsbrief auf den Rücksitz gelegt, dann das Abschleppseil ausgepackt (wahrscheinlich um sich zu erhängen), war schließlich aber ins Wasser gegangen und ertrunken.3 Die Obduzenten wiesen bei der Untersuchung des Leichnams nicht nur spezifische Merkmale des Ertrinkens, sondern auch eine toxische Menge eines Beruhigungsmittels nach.4

Ein Mord durch "Stasi-Killer" hat also auch hier nicht stattgefunden. Ähnlich wie im Fall Böhm handelte es sich bei dem Mordverdacht um ein "Erbe" der Geheimhaltungspolitik der SED-Führung. Durch die Beschlagnahmung des Abschiedsbriefes und die Angabe einer falschen Todesursache hat die Tabuisierung erst den Nährboden für wilde Spekulationen bereitet, die sie doch eigentlich verhindern sollte.

Die Mutmaßungen um den Tod von Siegfried Böhm und Dean Reed reihen sich ein in eine Vielzahl unklarer Todesfälle, die wegen ihrer Verschleierung durch die SED-Führung Anlass zu Verdächtigungen gaben und bis heute geben. Mehrfach erwies sich jedoch die Vermutung eines durch das MfS nur vorgetäuschten Suizids bei genauer Prüfung als unberechtigt oder zumindest unwahrscheinlich. [...]

2 BStU, MfS, AP 2278/92, Bd. 1, Bl. 176, nachfolgendes Zitat Bl. 100.
3 Vgl. BStU, MfS, HA IX, Nr.11460, Bl.1-4; ebenda, AU 12332/86, Bd.1, Bl.20, 29, 114-129.
4 Vgl. Gunther Geserick/Klaus Vendura/Ingo Wirth, Zeitzeuge Tod, Leipzig 2003, S.205-215.

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Letzte Änderung: 2016-12-20