Film für Sie 16/1975

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Blutsbrüder

Eine Reiterschwadron im Angriff. Gezogene Säbel, schussbereite Revolver. In der Hand des Fahnenträgers flattert das Sternenbanner. Das Ziel des Angriffs? Ein Indianerdorf an den Ufern eines zugefrorenen Baches, im Wintermorgen gerade erwachend. Auf einem Tipi inmitten der anderen Zelte die gleiche Fahne wie die in der Hand des amerikanischen Kavalleristen. Eng unter der Flagge drängt der alte Häuptling die Frauen und Kinder seines Stammes in dem Glauben, die Fahne des weißen Mannes könne sie schützen. Aber sie werden so nur leichter noch zur Zielscheibe.

Als das Massaker beendet, der Boden zwischen den brennenden Tipis mit toten Frauen und Kindern bedeckt und die Flagge auf dem Tipi des ermordeten Häuptlings von Flammen gefressen ist, da liegt auch das andere Tuch im Schmutz. Der diese Fahne trug, in gutem Glauben an einen notwendigen und ehrlichen Kampf, sah mit Entsetzen, was geschah, und er reagierte, spontan, als Mensch. Einer war nicht auf erbarmungslose, stupide Brutalität programmiert. Deshalb liegt jetzt die Fahne dort, wo sie hingehört.

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Am 2. Dezember 1864 überfiel das Freiwilligen-Regiment von Colorado ein Dorf der Cheyenne unweit von Denver am Sand Creek, tötete ohne jede Ursache über hundert Menschen, meist Frauen und Kinder, und zog sich dann zum Fort Laramie zurück. Der Kommandant der Truppe, Oberst Chivington, hoffte, für dieses Blutbad befördert zu werden. Er wurde jedoch abgesetzt. Nun war das Massaker von Sand Creek zwar die eigenmächtige Handlung eines karrierelüsternen Kommandanten, aber der Gedanke, auf solche Weise Karriere machen zu können, war dem blutigen Oberst nicht von ungefähr gekommen.

Fort Laramie war Ausgangspunkt aller Eroberungszüge der amerikanischen Armee in den nördlichen Teil des fernen Westens. Der Grund für diese Eroberungszüge - wie so oft schon vorher und so oft noch nachher: Gold! Die Amerikaner brauchten den ungehinderten Zugang zu den neu entdeckten Goldfundstätten in Montana. Deshalb sollte durch dieses Gebiet eine Straße gelegt werden. Zu den bisherigen beiden Hauptwegen, dem Oregon Trail und dem Santa Fe Trail, sollte nun ein dritter kommen, der Bozeman Trail. In Fort Laramie aber war ein Vertrag geschlossen worden, der den Indianerstämmen dieses Gebiet mit den noch vorhandenen Büffelherden zusicherte.

Riesige Herden gab es bis Mitte des 19. Jahrhunderts in den großen Savannen zwischen Mississippi-Missouri und den Rocky Mountains. Sie bildeten die Existenzgrundlage der Prärieindianer. Ihr Fleisch war die Hauptnahrung, ihre Haut lieferte das Leder für die Tipis und die Kleider. Der enorme Rückgang des Büffelbestandes war nicht nur eine Folge der vorrückenden "Zivilisation", sprich Forts, Straßen und Eisenbahnlinien. Systematisch wurden die Herden von den Weißen abgeknallt. So hat beispielsweise Buffalo Bill seinen traurigen Ruhm dadurch erworben, das er mit seiner Truppe zehntausend Büffel mit Schnellfeuergewehren tötete. Und wenn das berüchtigte Wort General Sheridans "Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer" den Kern der antiindianischen Politik Amerikas bloßlegt, so charakterisiert das zweite Wort "jeder tote Büffel bedeutet einen Indianer weniger" nur eine andere Methode, die zum gleichen Ziel führt.

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Vielleicht ist es gut, diesen historischen Hintergrund und die konkrete soziale Situation zu kennen, gerade weil es in der Geschichte unseres Films nicht um Details des Kampftes der Cheyenne um ihre Jagdgründe und der Intrigen der weißen Goldsucher und Militärs geht, sondern um menschliche Beziehungen zwischen Indianern und Weißen. Von der Liebe und Freundschaft, von Vertrauen und Verrat wird erzählt und von der Erkenntnis, dass Menschenwürde und Lebensrecht nicht abhängig sind von der Hautfarbe, und dass man sie nicht kampflos preisgeben darf.

Der amerikanische Soldat Harmonika beginnt seinen komplizierten und abenteuerlichen Weg der Erkenntnis in dem Augengblick, in dem er die Fahne "seines" Landes zerbricht. Er geht diesen Weg konsequent weiter, als er dem Cheyenne-Mädchen Rehkitz das Leben rettet. Trotzdem sieht Harter Felsen, der Bruder des Mädchens, in dem weißen Mann den Feind, den er töten muss, um nicht von ihm getötet zu werden. Nach dem Todesrennen, das beide überleben, muss Harter Felsen sich durch ein Gestrüpp von Misstrauen und Vorurteilen zu der Freundschaft durchkämpfen, die ihm von Harmonika entgegengebracht wird, und in der vielleicht doch noch ein Rest jener "weißen" Überheblichkeit verborgen ist, die Harmonika erst völlig ablegt, als er sich über die Liebe zu Rehkitz mit den Cheyenne verbindet. Aber erst nachdem Harmonika selbst durch die Vernichtungsstrategie seiner eigenen "Landsleute" bis ins Mark getroffen wird, wird dieses Bündnis der Freundschaft, das ihn mit Harter Felsen verbindet, zu einem Bund auf Tod und Leben, zur "Blutsbrüderschaft".

Wir verlassen Harmonika und Harter Felsen, die gemeinsam den Kampf für die Befreiung ihrer Brüder, die in die Reservation verschleppt werden sollen, aufgenommen haben.

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Wie ging dieser Kampf weiter?

Die Historie gibt Auskunft: Die Cheyenne schlossen sich dem Heer der Sioux an, das unter Häuptling Rote Wolke den Kampf gegen den Bozeman Trail, die Eisenbahnlinie und die zur Sicherung gebauten Forts aufgenommen hatte. Der Kampf gegen Fort Kearny und Fort F.C. Smith endete nach ersten Rückschlägen mit dem vollständigen Sieg der Indianer, der 1866 durch einen Friedensvertrag besiegelt wurde. Zum erstenmal in der Geschichte Nordamerikas stellten die Indianer den Amerikanern die Bedingungen. Die Amerikaner verpflichteten sich, alle drei Forts, also auch Laramie, abzureißen, das Gebiet am Powder River und am Big Horn zu räumen und es den Sioux und Cheyenne "als deren unberührbares Erbgebiet" zu überlassen.

Die Indianer hielten den ehrenhaften Frieden getreulich ein. Doch wenn wir im Buch der Geschichte weiterblättern, dann wiederholt sich dies: Wieder ein Blutbad in einem Cheyenne-Dorf, diesmal am Flusse Washita, wieder ging es um Gold, um das Gold der den Indianern heiligen Schwarzen Berge. Der Kampf erreichte seinen Höhepunkt im Jahre 1976, als die von Häuptling Sitting Bull geführten Stämme der Dakota und Cheyenne am Little-Big-Horn-Fluss die amerikanischen Truppen unter General Custer schlugen. Das Kriegsministerium in Washington rüstete darauf zu einem Vernichtungsfeldzug gegen die "Aufständischen". Als das tapfere Volk der Cheyenne danach den erzwungenen Weg in die Reservation antrat, zählte es noch wenig mehr als tausend Menschen. Das unfruchtbare, wüstenähnliche Gebiet in Oklahoma, das ihnen zugewiesen war, erreichten 286 Cheyenne.

Ilse Jung

BLUTSBRÜDER

Ein Farbfilm der DEFA,
Gruppe "Roter Kreis"
BUCH: DEAN REED
Mitarbeit: Wolfgang Ebeling
Dramaturgie: Hans-Joachim Wallstein

REGIE: WERNER W. WALLROTH

Produktionsleitung: Gerrit List
Kamera: Hans Heinrich
Bauten: Heinz Röske, Marlene Willmann
Bauausführung: Jochen Hamann
Musik: Karl-Ernst Sasse
Kostüme: Günter Pohl
Masken: Willi Gesche
Ton: Christian Müller, Günter Witt
Schnitt: Helga Emmrich
Regie-Ass.: Dirk Jungnickel, Nicolae Gheorghi
Kamera-Ass.: Manfred Damm, Dieter Pohl
Aufnahmeleitung: Manfred Peetz, Fritz Frost

Personen:                 Darsteller:
Harmonika   .  .  .  .  . Dean Reed
Harter Felsen .   .  .  . Gojko Mitić
Rehkitz  .  .  .  .  .  . Gisela Freudenberg
Joe   .  .  .  .  .  .  . Jörg Panknin
Big Fred .  .  .  .  .  . Cornel Ispas
Grauer Elch .  .  .  .  . Toma Dimitriu
Bill Simmons   .  .  .  . Jurie Darie
                          u.a.

Instrumentalsolist: N. Plesa (SR Rumänien)
Lied: "Love your brother"
Text und Komposition: Dean Reed
Gesang: Dean Reed

PROGRESS Film-Verleih

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Letzte Änderung: 2010-12-10