neues leben 07/1980 (Jugendmagazin)

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  • Als Kind besitzt er ein Reitpferd,
  • besucht eine Kadettenschule (allerdings nicht lange),
  • nl 07/1980
  • wird Wochenend- und Freizeitcowboy,
  • spielt Gitarre,
  • sein erster selbst gebastelter Song bringt ihm einen Schallplattenvertrag ein,
  • Hollywood.
  • Südamerika-Tournee...
  • heute ein politisch engagierter Künstler,
  • Mitglied des Weltfriedensrates:

DER MANN AUS COLORADO

Karriere "made in USA"

"Zum zwölften Geburtstag hatte mir mein Vater eine Gitarre geschenkt, meine erste Gitarre. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Bald konnte ich so gut spielen, dass man auf Partys oder Schulferien oft sagte: He Dean, spiel doch was. Eigentlich wollte ich damals aber vor allem den Mädchen imponieren".

Als Dean 16 Jahre alt ist, erlebt er das was man die erste Liebe nennt. Er schreibt darüber ein Lied, sein erstes überhaupt. "Don't let her go" - Lass sie nicht gehen.

Die Musik lässt Dean nun nicht mehr los.

Dean ist ein geselliger Mensch. Und er ist hilfsbereit. Als ihn mitten in der Wüste ein nicht mehr junger Tramp bittet, mitfahren zu dürfen, ist er sofort einverstanden. Der Mann hat's offenbar nötig, denkt er, und ein bisschen Reden tut gut auf so langer Fahrt.

Der Mann sieht tatsächlich nicht sonderlich vertrauenerweckend aus. Die Kleidung ist abgewetzt, das Gesicht voller Bartstoppeln, das Schuhwerk abgetreten. Und wie es bei einem Tramp nicht anders zu erwarten ist, verbreitet er auch Fuseldunst. Aber der Mann ist unterhaltsam. Er kann gut erzählen, und seine Storys lassen vermuten, dass er bessere Tage gesehen hat. Dean merkt, wie sein Reisegefährte bei manchem Schlager, der aus dem Autoradio schallt, den Takt mitschlägt. Er tut das wie ein Professioneller. Dean fragt ob er Musiker sei. Das wäre er mal gewesen, sagt der Mann, er habe mal 'ne große Band gehabt für Westernmusik, Cowboylieder, Country Music. "Ich war'n guter Mann, bis ich angefangen habe zu saufen". Dean hört interessiert zu. Er erzählt von seinem Spaß am Singen. Und schließlich singt er ihm sein Lied vor:

"Don't let her go."

"Nicht schlecht", sagt der Mann.

Dean freut sich.

Kurz vor dem Ziel fragt der Tramp: "Sag mal, hast du'n paar Dollar übrig für mich? Ich möchte mal wieder in 'nem richtigen Bett schlafen".

"Okay", sagt Dean "aber versauf das Geld nicht, schlaf dich lieber richtig aus".

"Bist'n guter Junge. Sollst das auch nicht umsonst tun. Ich geb dir 'nen heißen Tipp. Geh mal zur 'Capitol', da kenne ich ein paar Leute von früher. Dein Song war nämlich nicht schlecht. Du hast das Zeug zu 'nem Sänger".

Dean grinst. Ein bisschen geschmeichelt, ein bisschen skeptisch, aber er geht zur "Capitol" - sie ist eine der bedeutendsten Schallplattengesellschaften der USA -, an einem Montag im August des Jahres 1958. Er weiß in diesem Augenblick noch nicht, dass sich sein Leben entscheidend verändern wird.

Am Dienstag wird eine Probeaufnahme gemacht. Am Mittwoch lässt man ihn wissen, man sei interessiert. Am Donnerstag wird ihm mitgeteilt, der Präsident der Gesellschaft möchte ihn live hören. Am Freitag singt er vor dem Boss.

Unmittelbar darauf unterzeichnen Dean Reed und der "Capitol"-Präsident Woyle Gilmore einen Vertrag für sieben Jahre. Ist das die Geburtsstunde eines neuen Stars?

Dean:

nl 07/1980

Ein Star bin ich so schnell nicht geworden. Das hatte viele Gründe. Und überhaupt: Was für ein Star wollte ich denn werden? Der Hauptgrund, warum ich die Titelrolle in dem DEFA-Film "Aus dem Leben eines Taugenichts" gespielt habe war wohl, dass ich selber einmal solch ein junger Mann war, solch ein "Good-for-nothing", wie jenes Wort englisch übersetzt heißt, solch ein Mensch "gut für nichts". Dass ich so einer war, wusste ich im Sommer 1958 natürlich nicht. Ich war stolzer Besitzer eines Schallplattenvertrages - was wollte ich mehr. Ade, Meteorologie. Ich war sehr naiv und dachte reinen Herzens, dass eigentlich alle Leute nett zueinander seien. Ich jedenfalls hatte bis dahin wenig böse Menschen kennen gelernt. Selbst der Vater des Mädchens, der mir meine erste Jugendliebe nicht gegönnt hatte, war ja nur voller Sorge darüber gewesen, dass ich nicht zu seiner Tochter passe.

Die Welt sah für mich rosig aus, und ich glaubte, mein ganzes Leben würde immer so sein. Gerade damals, wo ich das, was mir am liebsten war, zu meinem Beruf machen konnte.

Doch sehr bald merkte ich, dass das Leben in Hollywood kein Zuckerlecken war. Meine erste Schallplatte war kein sonderlicher Erfolg geworden. Meine zweite wurde auch keiner. Einen Blitzstart hatte ich wirklich nicht. Immerhin musste ich der Schallplattengesellschaft so viel eingebracht haben, dass mir der Vertrag nicht gekündigt wurde. Vielleicht war es auch so, dass man kühl einkalkuliert hatte, dass sich eine Investition auch im Show-Business nicht sofort amortisiert. Denn das wusste ich immerhin schon, ich war ein Investitionsobjekt.

Später dann habe ich die Geschäftspraktiken im Show-Business von ihrer übelsten Seite kennen gelernt. Es kam nämlich der Tag, an dem man mir vorzuschreiben begann, was ich in meinem Privatleben zu tun und zu lassen hatte.

Ein Song ist in den kapitalistischen Ländern zuallererst nicht ein künstlerisches Produkt, sondern eine Ware wie eine Seifenmarke oder eine Whiskysorte. Und die muss, wenn man leben will, verkauft werden. Ein Künstler braucht deshalb einen Manager, der sich um alles kümmert, einen Agenten, der Verbindungen anknüpft, einen Public-Relations-Mann, der die Werbung betreibt, und schließlich einen so genannten Businessmanager, der die Gagen aushandelt. Ein Vertrag mit einer Schallplattenfirma ist kein Ruhekissen. Man kann nicht darauf warten, dass gute Lieder angeboten werden. Die muss man sich selbst suchen. Außerdem kann man, wenn man kein Hitstar ist, nicht von Schallplatten allein leben. Man muss auch öffentlich auftreten: in Klubs, Bars, Tanzrestaurants.

Meinem Manager, einem gewissen Mister Eberhard, standen vertraglich fünfundzwanzig Prozent meiner Gage zu. Das war nicht einmal viel. Elvis Presley hat an seinen Manager sogar die Hälfte seiner Einnahmen abführen müssen. Zehn weitere Prozent kassierte mein Agent, je fünf der Public-Relations-Mann und der Businessmanager. Dreißig Prozent schließlich vereinnahmte der Staat an Steuern. Mir blieben ganze fünfundzwanzig Prozent.

Nun gut, das war normal, und daran hatte ich mich gewöhnt. Doch eines Tages verkaufte Mister Eberhard den mit mir abgeschlossenen Vertrag. Käufer war die Organisation, die in Hollywood mit allem, was es im Show-Business gibt, handelt und die man getrost als Syndikat, als eine Art Mafia bezeichnen kann. Und so erschienen eines Tages zwei Männer bei mir, die mir eröffneten, was ich nach Ansicht der Organisation alles falsch machen würde. Sie schrieben mir vor, was ich für Hemden anziehen sollte, welche Krawatten ich tragen müsste, mit welchen Frauen ich mich in den von Fotoreportern wimmelnden Restaurants am Sunset Strip sehen lassen sollte, und meinten, dass es übrigens sehr gut wäre, wenn ich mit Miss Sowieso einen kleinen Skandal inszenieren würde.

Ich habe das abgelehnt, ich wollte kein Sklave sein. Lieber blieb ich ohne Manager.

Damals hab' ich angefangen nachzudenken

"Was hältst du von einer Tournee durch Südamerika?" fragt man Dean. "Du bist doch einverstanden? Das ist deine große Chance. Die Tickets sind übrigens schon gebucht. Okay?" Die Reise wird Dean nach Chile, Brasilien, Argentinien und Peru führen.

Es ist das Jahr 1961. Den jungen Star erwartet eine unbekannte Welt. Es wird eine Welt voller Überraschungen sein.

Schon der Empfang auf dem Flughafen von Santiago de Chile ist so, wie ihn Dean sich in seinen Träumen vorgestellt hat. Der Zöllner, der Passkontrolleur, der Mann, der die Impfausweise begutachtet hat - sie alle scheinen sich fast dafür entschuldigen zu wollen, dass gewisse Formalitäten nun einmal unumgänglich sind. Und die hübschen Hostessen, die überall im Flughafengebäude herumschwirren, werfen dem jungen Mann mit dem freundlichen Gesicht schwärmerische Blicke zu. Dean hat einen Empfang, wie er ansonsten nur Personen zuteil wird, die das Zauberwort VIP auf den Kofferzetteln tragen. Eine "Very important person", eine sehr bedeutende Persönlichkeit zu sein, das dürfen nur Diplomaten, Bankmagnaten und arrivierte Weltstars in Anspruch nehmen.

Doch all das wird übertroffen von dem, was Dean vor dem Flughafengebäude erwartet. Tausende von Menschen drängen sich, um ihn zu sehen. Lautstark rufen sie immer wieder seinen Namen. Das Auto mit dem temperamentvoll Gefeierten kann sich kaum seinen Weg bahnen, obwohl es von einer Motorradeskorte der Polizei begleitet wird.

Dean:

nl 07/1980

Wie Südamerika wirklich war, dass es nicht nur aus Konzerthallen, Nachtklubs und pompösen Hotelsälen bestand, das habe ich erst nach Wochen bemerkt. Da war eines Tages plötzlich eine kleine Meldung in der Zeitung, dass chilenische Arbeiter einen Landsmann von mir, Manager einer Filiale eines USA-Unternehmens, verprügelt hatten. Und sie hatten ein böses Wort gerufen: "Yankee, go home!"

Yankee, go home! Amerikaner raus! - das war ein Wort, das mich zutiefst traf. Irgendetwas schien in der freundlichen Welt, wie ich sie kannte, doch nicht in Ordnung zu sein. Ich wurde gefeiert, stieß auf Sympathie, und zur gleichen Zeit wurden Landsleute von mir beschimpft und bedroht. Warum das? Welche Gründe gab es dafür? Ich wusste es noch nicht. Ich habe damals auch zum ersten Mal gesehen, unter welch entwürdigenden Bedingungen Menschen leben müssen. Ich erinnere mich genau, wie ich bei einer Fahrt zum Pazifikstrand am Rande eines Slums von Santiago entlangfuhr. In diesen Hüttenvierteln herrschte das nackte Elend. Da standen Kinder am Straßenrand, barfuß, mit zerfetzten Hemden und mit aufgeschwemmten Bäuchen, dem untrüglichen Zeichen ungenügender Ernährung. So etwas hatte ich bisher nur auf Bildern aus Afrika gesehen. Stickige Ausdünstungen drangen durch das geöffnete Autofenster, grünschillernde Abwässer rieselten zwischen den erbärmlichen Behausungen herunter. Ein toter Hund lag am Straßenrand. Schwärme von Schmeißfliegen hingen in der Luft. Alte Leute, zerlumpt wie ihre Enkel, saßen apathisch herum. Kinder spielten mit einem Auto, das aus Knüppelholz, Konservendosen und Bindfäden gebastelt worden war. All das war nur ein paar Kilometer von den Prachtstraßen entfernt. Und plötzlich erinnerte ich mich, dass ich auch dort Menschen gesehen hatte, die verschlissene Kleider trugen, eingefallene Gesichter hatten, freundlose Augen: Schuhputzer, Losverkäufer, Straßenhändler. Unter der grellen Leuchtreklame von Wrigley's Chewing Gum verkaufte ein armer Kerl Kaugummis, womit er am Tag nur eine Handvoll Münzen verdienen konnte. Die Millionen kassierten andere. Wrigley's - das ist eine Weltmarke. Heute weiß ich, dass die Bosse in meiner Heimat von jedem Dollar, den sie in Lateinamerika investieren vier Dollar, Gewinn machen. Heute weiß ich, dass diese so genannte Entwicklungshilfe ein höchst profitables Geschäft ist. Aber schon damals war ich kein "Blinder" mehr. Denn so teilt man in Südamerika die Menschen ein: in Reaktionäre, Revolutionäre und in "Blinde", die in den Tag hineinleben, nicht sehen können oder nicht sehen wollen, was um sie her geschieht.

Damals hab' ich angefangen nachzudenken...

(Den vorstehenden Text und die Fotos entnahmen wir dem Buch "Dean Reed erzählt aus seinem Leben", von Hans-Dieter Bräuer, erschienen im Verlag Neues Leben)

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Letzte Änderung: 2007-02-06