NBI 26/1986 (Neue Berliner Illustrierte, Wochenzeitschrift)

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GEDENKEN

Good-bye, Bruder Gringo

Am 29. Mai 1971 veröffentlichte die große chilenische Tageszeitung "La Nación" keinen Leitartikel. An seiner Stelle war ein Abschiedsgruß für Dean Reed abgedruckt, der in den Monaten zuvor der Regierung der Unidad Popular mit seinen Liedern im Kampf gegen die Feinde des Volkes geholfen hatte. Der Artikel ist eine der schönsten Würdigungen, die das politische Engagement Dean Reeds je erfahren hat. In ihm heißt es: "Die Wahrheit, Gringo, ist, daß es uns schwerfällt, dir good-bye zu sagen, dir, der niemals etwas von uns verlangt hat. Wir haben viele Male zusammengearbeitet - immer für unsere revolutionäre Sache... Dean, du verläßt uns als unser Bruder. Du verläßt uns als ein Romantiker unserer Sache... Das ist ein Good-bye für einen guten Genossen."

Mit dem Wort Gringo wurde und wird in den Ländern Lateinamerikas jene Art von US-Amerikanern bezeichnet, die dort früher wie auch heute noch die Völker ausbeuten und mittels gekaufter Diktatoren terrorisieren. Gringo ist eigentlich ein Schimpfwort wie in Europa das Wort Ami. Daß es in Bezug auf Dean Reed wohl erstmals im entgegengesetzten Sinne angewandt und mit dem Wort Bruder verknüpft worden ist, zeugt von den vielen Freunden, die Dean Reed in Lateinamerika gewonnen hat, zeugt davon, daß er dort in seiner Person die Kunde vom anderen, vom guten Amerika verbreitet hat.

Diese Botschaft hat er, der einst aus seiner Heimatstadt Denver im USA-Bundesstaat Colorado ausgezogen war, um in Hollywood sein Glück zu machen, an viele Orte des Erdballs getragen. In den Hitlisten südamerikanischer Länder hatte Dean Reed schon so berühmte Sänger wie Frank Sinatra und Elvis Presley hinter sich gelassen, als er seine Popularität dafür einsetzte, dem Frieden und dem gesellschaftlichen Fortschritt zum Durchbruch zu verhelfen. Später tat er das auch in den Ländern Westeuropas. So protestierte er überall, wo er auftrat, gegen die verbrecherische Vietnampolitik der Regierung seines Heimatlandes, arbeitete aktiv in der Weltfriedensbewegung und wurde für die Sowjetbürger einer der populärsten ausländischen Sänger.

Seitdem er 1972 in die DDR gekommen war, wurde er auch in unserem Land vielen zum Freund. Ob als Sänger, Schauspieler oder Regisseur - seine von großer Menschlichkeit, elementarem Gerechtigkeitsgefühl, außerordentlicher Sensibilität und ganz einfach Freude am Leben geprägten Lieder und Filme begeisterten jung und alt. Und vieles davon wird ihn, den jetzt auf tragische Weise Verstorbenen, überleben. Und so sagen wir als letzten Gruß: Die Wahrheit ist, daß es uns schwerfällt, dir good-bye zu sagen...

Hans-Dieter Bräuer

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Letzte Änderung: 2007-05-23