Aspekte und Betrachtungen Zusammengestellt von Ralf Kegel
Dean Reed protestiert am Telefon
Wenn der damals in der DDR sehr populäre Sänger, Schauspieler und durchaus auch
umstrittene Politaktivist des Sozialismus Dean Reed Interviews gab, brachte er nicht nur
seine jeweils aktuelle Schallplatte mit, die er dann großzügig signierte, sondern
auch gleich die Fotos, die ihn in dieser oder jener Pose zeigten, in der er sich am Besten
gefiel. Gab es zwischen dem, was er im Interview oft sehr blumig politisch ausführte
und der fotografischen Aussage keine seiner Meinung nach ausreichende Übereinstimmung,
war nach der Veröffentlichung das Telefon nicht weit und sein Protest sehr nah und
lautstark. Da journalistische Aufnahmegeräte in den achtziger Jahren in der Regel
nicht zum persönlichen Handwerkszeug aller Redakteure gehörten, schrieb ich
akribisch mit und verließ mich bei der Textwiedergabe auf mein gutes Gedächtnis.
Das Interview mit ihm führten wir abgeschieden vom hereinströmenden
Filmpublikum im Berliner Filmtheater "KOSMOS" und nach einigen einleitenden, seine Person
betreffenden Fragen, leitete ich zum so genannten Arbeitsteil über und erfuhr,
dass er gerade für einen Dokumentarfilm aus dem
Libanon
zurückgekehrt war
und dort gedreht hatte. Da an dieser, seiner Aussage, mitnichten zu zweifeln war, habe
ich sie mir auch so notiert und letztlich im Manuskript auf einer der Schreibmaschinenseiten
exakt wiederholt. Gemeinsam mit dem Layouter wurde dann die Seite gestaltet und das
ihm genehme Foto dem Text gegenübergestellt. Es zeigte Dean Reed in militärischer
Pose, einem Tarnanzug und der Maschinenpistole Marke "Kalaschnikow" im Arm.
Da er ja von Filmaufnahmen zurückkam, waren Dreharbeiten der Zweck dieser Reise
und die Szene laut Regie so eingerichtet. Etwas anderes konnte ich mir beim besten Willen
nicht vorstellen. Also versah ich das mit übermittelte Foto mit der
Bildunterschrift "Dean Reed bei Filmaufnahmen im Libanon"
und die Interviewseite verließ genauso die Maschine unserer Hausdruckerei
"Völkerfreundschaft" in Dresden.
Diese FRÖSI war noch nicht unter seinen Lesern, da klingelte bei meinem Chefredakteur
bereits das Telefon mit einem empörten Dean Reed am anderen Ende der Leitung.
"Was für eine irreführende Bildunterschrift muss er da lesen, von wegen Film.
Im Libanon habe ich gekämpft und zwar im ersten Graben", machte er seinem
Ärger richtig Luft. Wer hatte hier nun was nicht richtig gesagt, oder nicht richtig
verstanden? Ein Reportergerät hätte damals diese Frage recht eindeutig
beantwortet und mich vor einem größeren Rüffel bewahrt. Dean Reed ist
mir auf diese Weise in besonderer Erinnerung geblieben und fortan habe ich bei
Interviews immer zwei Mal hingehört.
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