Freie Presse 18.06.2011 |
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Stimme und Schwert, Chaos und CharismaJello Biafra zelebriert mit Kraft und Klasse überzeugenden Polit-Rock Jena. "Kennt ihr Dean Reed, den Elvis der DDR? Er kommt aus meiner Heimatstadt." Jello Biafra, Ex-Frontmann der kalifornischen Punk-Band Dead Kennedys, zeigt sich am Donnerstagabend im Jenaer F-Haus vor knapp 500 Zuhörern nicht nur bestens informiert. Mit seiner neuen Combo, The Guantanamo School Of Medicine, zelebriert er auch, wie engagierte Rockmusik heute noch klingen kann. Geboren 1958 als Eric Reed Boucher in Colorado (wie Dean Reed), vereinte Jello Biafra in seinem Künstlernamen die Bezeichnung einer Gelatinespeise und einer umkämpften afrikanischen Provinz, um auf den Widerspruch zwischen der Konsumwelt des Westens und der Not der "Dritten Welt" hinzuweisen. Einige Songs, wie "California Über Alles", ursprünglich gegen den damaligen kalifornischen Gouverneur Ronald Reagan geschrieben, spielt er immer noch. Ansonsten aber ist Jello Biafra ganz in der Gegenwart angekommen. Mit schauspielerischem Talent, unentwegt zappelnd und Grimassen schneidend, mit einer Hochgeschwindigkeitsband im Rücken, jagt er durch politische Tagesthemen: Guantanamo, private Gefängnisse in den USA, Energiewende ("Danke, Deutschland, für die geplante Abschaltung aller Kernkraftwerke. Obama will mehr Atomkraftwerke..."), Steuerpolitik, die Allmacht der Computer. Seine Stimme ist noch immer scharf wie ein Schwert, sein Charisma behauptet sich gegen das musikalische Chaos, und in den Songs des Jello Biafra schwingt immer so etwas wie die konkrete Vision einer besseren, demokratischeren Welt mit, für die er sich auch in seinen politischen Aktivitäten und in der Grünen Partei der USA eingesetzt hat. Als Bürgermeisterkandidat in San Francisco etwa hatte er die Freigabe leer stehender Häuser gefordert. Dagegen wirken die danach spielenden Slime, die wohl meistzensierte, radikalste deutsche Punk-Rock-Legende aus Hamburg, die sich auf das Dagegen-Sein beschränkt, zwar musikalisch kraftvoll, aber ziemlich blass und eher wie aus der Welt von gestern. Von Matthias Zwarg |
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![]() www.DeanReed.de
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