Dean's letters/Briefe von Dean/Cartas de Dean/Письма Дина

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Dean Reed an Günter Reisch

15.4.80
geschrieben Ostern 80
in Prag

Mein lieber Freund Günter,

Seit langer Zeit will ich Dir schreiben, aber ich bin ständig unterwegs (wie Du auch am Datum sehen kannst), doch heute, zu Ostern, habe ich einen freien Tag. [...]

[...] es muss einen Weg geben, um Dir meine Hand zu reichen, um Dich zu umarmen und Dir zu sagen, Günter, ich respektiere Dich und ich liebe Dich sehr. Dieser Brief soll es sagen, bis sich die Gelegenheit ergibt, es zu tun.

Du weißt, Günter, seit zwanzig Jahren lebe ich jetzt in "fremden" Ländern. 13 Jahre in der kapitalistischen Welt und sieben im Sozialismus.

Während der 13 Jahre fand ich - oder besser gesagt - ergab es die Situation, dass ich viele enge und gute Freunde fand, Männer und Frauen, die auf die eine oder andere Art kämpften. Während meiner Zeit im Sozialismus fand ich weniger so enge Freunde; aber ich glaube, es gibt einen Grund dafür:
In Chile, Argentinien, Uruguay, Spanien usw. lebten und arbeiteten wir alle unter extremen Bedingungen. Entweder unter der faschistischen Diktatur oder während des Versuches, die Macht den arbeitenden Menschen zu geben und die ersten Schritte beim Aufbau des Sozialismus zu gehen.

Wärend dieser Tage - dem Leben in konstanter Gefahr - war der Feind immer nah. In dieser Situation war es einfacher, eine enge und gute Freundschaft aufzubauen, weil man während der Schlacht leichter und schneller den Charakter des Anderen beurteilen kann.
In der friedlichen Zeit des Sozialismus ist der Feind die Bürokratie im Allgemeinen oder ein Idiot im Besonderen, und es ist schwieriger, die Motivationen und das Leben des Einzelnen zu durchschauen.

Trotz dieses Umstandes fand ich sofort Kontakt zu Dir - so, als ob ich Dich schon lange kennen würde. Ich respektiere Deine Offenheit, Deinen Humor und Deine Hingabe für unsere Sache. Ich bedauere sehr, dass wir nicht die Zeit gefunden haben, uns wirklich kennenzulernen, keine Zeit für einen gemeinsamen Spaziergang im Wald hatten, um über unsere Vergangenheit und Zukunft, über unsere Ängste und Hoffnungen für die kommende sozialistische Welt zu sprechen.
Das war einer der größten Fehler in meinem Leben.
Nun fühle ich mich traurig und leer. Aber ich weiß, dass es noch nicht zu spät ist. Wir müssen die Zeit finden, uns zu sehen, uns kennenzulernen, uns lieben zu lernen als Kameraden und Freunde.

Du bist jetzt in einer revolutionären Situation, so wie meine Kameraden in Südamerika. Der Feind ist nahe bei Dir, und zur Zeit scheint es, als sei er stärker als Du.

Aber Du weißt, Günter, der Wille zu gewinnen, ist der wichtigste Faktor in der Schlacht. Die Vietnamesen haben uns diese große Wahrheit deutlich gemacht. Und du wirst es auch schaffen, denn Du bist ein Revolutionär und ein Kämpfer.

Meine Schlachten sind leichter, und meist gibt es Menschen, die mir zu meinem "Mut" applaudieren.

Ich möchte diese Chance benutzen und Dir sagen "ich applaudiere meinem Freund Günter, ich applaudiere Dir mit ganzem Herzen, Verstand und Gefühl.
Du bist ein mutiger Mann und ein guter Mensch.
Kämpfe - sei mutig - ich brauche Dich, wir brauchen Dich, die Gesellschaft braucht Dich - die Weltrevolution braucht Dich!"

Ich weiß, Du wirst diese schwierige Zeit durchstehen, und wir werden den Spaziergang im Wald machen.

Gib meine Liebe Deiner wundervollen und mutigen Frau.

Ab 1. Mai werde ich im Prinzip wieder in der DDR sein.

Ich respektiere Dich - bewundere Dich und liebe Dich als einen Humanisten, Künstler und Kommunisten.

Sei mutig und glücklich. Ich umarme Dich.
Dean

© Archiv Günter Reisch

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Letzte Änderung: 2012-04-23