Die bürgerliche Presse und der Krieg

Redaktion – 4. März 2025

Alles verändert sich – diese zwei Wörter beschreiben unser Weltbild seit jeher. Sie gehen auf den antiken Philosophen Heraklit zurück, der auch Folgendes über den Krieg sagte: Er sei der Ursprung aller Dinge und bringe die Menschen zusammen. Der Krieg bewegt die Menschen, doch wenn man in die Geschichte schaut, dann oft auf grausame Weise. Denn verglichen mit Zeiten des Friedens gab es in der Menschheitsgeschichte übermäßig viele Kriege.

Zwar hatten schon vor Marx und Engels bürgerliche Historiker der französischen Restaurationszeit (Thierry, Thiers, Guizot, Mignet) den Klassenkampf als Motor zumindest der Neuzeit gedeutet, aber erst Karl Marx gab diesem grundlegenden Kampf unserer Zeit eine wissenschaftliche Prägung, indem er seine Position im weltgeschichtlichen Gesamtkontext darstellte. Lenin, der geniale Fortsetzer der Werke von Marx und Engels, definierte den Krieg so, dass wir ihn insbesondere in der Phase des Imperialismus, der höchsten Stufe des Kapitalismus, analysieren müssen, damit uns nicht die wissenschaftliche Qualifikation verloren geht. Wir müssen den politischen Inhalt und das Klassenwesen jedes Krieges bestimmen: Ist es ein gerechter oder ein ungerechter Krieg? Aus dem politischen Inhalt ergibt sich sein Charakter: Handelt es sich um einen Befreiungs- oder um einen Eroberungskrieg?

„Mir scheint, das Wichtigste, das in der Frage des Krieges gewöhnlich unbeachtet bleibt, dem man nicht genügend Aufmerksamkeit widmet, die Hauptursache dafür, dass so viele Debatten – und ich möchte sagen, leere, aussichtslose und nutzlose Debatten – geführt werden, das ist die Tatsache, dass man die Grundfrage vergisst, nämlich welchen Klassencharakter der Krieg hat, warum dieser Krieg ausgebrochen ist, welche Klassen ihn führen und welche historischen sowie historisch-ökonomischen Bedingungen ihn hervorgerufen haben.“ⁱ

Seit mehr als drei Jahren, seit dem Ausbruch am 24. Februar 2025, dauert nun schon der sogenannte Ukraine-Krieg, der in Wahrheit ein Krieg um die Ukraine ist. Natürlich ist es ein Krieg, und Putin lügt dreist in die Welt, bis auf seine Gläubigen, die gesamte Menschheit an, wenn er behauptet, es handele sich um eine begrenzte militärische Spezialoperation. Begrenzt? Putin hat mit einem Atomwaffeneinsatz gedroht: „Ich bluffe nicht.“ Die leninistische Bestimmung des Krieges, die den politischen Inhalt, das Klassenwesen und den Klassencharakter betont, ist für die bürgerlichen Journalisten ein Fremdwort. Sie schicken uns ohne diese fundamentalen Fragen in die Irre, weil sie gar nicht in Erwägung ziehen, dass weder in Moskau noch in Kiew Arbeiter oder Bauern an der Regierungsspitze stehen. Deshalb wird in diesen Kreisen auch nie die Frage nach der Gerechtigkeit des Ukraine-Krieges aufgeworfen.

In einer antagonistischen Gesellschaft, geprägt von der Spaltung zwischen Proletariat und Bourgeoisie – grob gesagt zwischen Arm und Reich – haben gesellschaftliche Erscheinungen immer einen politischen Charakter. Es ist eine Eigenart bürgerlicher Journalistik, Politik aus ihren konkreten historischen Bedingungen zu lösen. Dadurch wird sie zu einem abstrakten Konzept verflacht, in das sich beliebiges Geschwafel einpflanzen lässt. Dabei wird ausgeblendet, dass Politik immer klassengebunden ist.

„Wer nach den Erfahrungen sowohl Europas als auch Asiens von einer nicht klassengebundenen Politik und einem nicht klassengebundenen Sozialismus spricht, der verdient es, einfach in einen Käfig gesperrt und neben irgendeinem australischen Känguru zur Schau gestellt zu werden.“²

Das Perfide an der bürgerlichen Presse, die Marx und Engels als „unsere Preßbengels“ bezeichneten, ist, dass sie die angebliche Klassenneutralität der Politik in einen antikommunistischen, abstrakten Humanismus umdeutet. Eine Hauptmethode der bürgerlichen Presse besteht unter anderem darin, willkürlich einzelne Tatsachen aus dem Gesamtkomplex von Politik und Krieg herauszunehmen und sie aus dem objektiven Zusammenhang gesellschaftlicher Entwicklungen zu lösen.

„Man muss versuchen, aus exakten und unbestreitbaren Tatsachen ein Fundament zu errichten, auf das man sich stützen kann und mit dem man jede der „allgemeinen“ oder „auf Beispielen fußenden“ Betrachtungen konfrontieren kann, mit denen heutzutage in einigen Ländern so maßlos Missbrauch getrieben wird. Damit es wirklich ein Fundament wird, kommt es darauf an, nicht einzelne Tatsachen herauszugreifen, sondern den Gesamtkomplex der auf die betreffende Frage bezüglichen Tatsachen zu betrachten, ohne eine einzige Ausnahme, denn sonst taucht unvermeidlich der Verdacht auf – und zwar der völlig berechtigte Verdacht –, dass die Tatsachen willkürlich ausgewählt oder zusammengestellt sind und dass nicht der objektive Zusammenhang und die objektive wechselseitige Abhängigkeit der historischen Erscheinungen in ihrer Gesamtheit dargestellt werden, sondern dass es sich um ein „subjektives“ Machwerk zur Rechtfertigung einer vielleicht schmutzigen Sache handelt.“³

Das schrieb Lenin im Januar 1917 in der Schweiz. Subjektive Machwerke treten oft in der Maske der Wissenschaftlichkeit auf. Doch ein Kriterium wissenschaftlicher Darstellung ist, gesellschaftliche Erscheinungen nicht aus ihren konkreten sozialökonomischen Bedingungen herauszulösen, da diese den Klassencharakter und die daraus resultierende Politik prägen.

Für die bürgerliche Presse steht fest, dass Politik und Krieg historisch unveränderliche Erscheinungen sind. Der Marxismus-Leninismus dagegen sieht das anders:

„Die Revolution überhaupt – der Umsturz der bestehenden Gewalt und die Auflösung der alten Verhältnisse – ist ein politischer Akt. Ohne Revolution kann sich der Sozialismus nicht verwirklichen. Er bedarf dieses politischen Aktes, soweit er der Zerstörung und Auflösung bedarf. Wo aber seine organisierende Tätigkeit beginnt, wo sein Selbstzweck, seine Seele hervortritt, da schleudert der Sozialismus die politische Hülle weg.“⁴

Die Bürgerlichen schaffen gerade dieses Fortschleudern nicht. Nach dem deutschen idealistischen Philosophen Immanuel Kant geht das nicht, denn der Mensch ist aus so krummem Holz geschnitzt, dass nichts ganz Gerades daraus gezimmert werden kann, so Kant im sechsten Satz in seiner ‚Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht‘ aus dem Jahr 1784. Das ist eine anthropologische Konstante für den Urheber dieses Satzes und seine Nachplapperer. Die bürgerliche Ideologie kann von ihr ebenso wenig abrücken, wie der Papst in Rom in seiner alljährlichen Weihnachtsansprache Atheismus propagieren kann.

Ausbeuter- und Unterdrückerklassen haben ihren richtigen Klasseninstinkt. Sie setzen auf Thomas Hobbes, der davon sprach, dass der Mensch des Menschen Wolf sei – im Plural Wölfe –, die einen Krieg aller gegen alle führen. Kant sah Tiere am Werk; Rousseau befand den Menschen für gut und friedensfähig. Zusammen mit den ihm folgenden Anarchisten, auch mit den späteren Marxisten-Leninisten, sah er die Gesellschaft als zu verdorben an, um reformiert zu werden. Das Heil könne nur in der Gründung einer neuen Gesellschaft liegen. Dabei gehe es nicht um das immer größer werdende Glück für die immer größer werdende Zahl – eine Annäherung, die weder kalt noch warm ist und die unter anderem von dem britischen Philosophen, Politiker und Ökonomen John Stuart Mill, einem der einflussreichsten liberalen Denker des 19. Jahrhunderts, ebenfalls im Gegensatz zu Marx und Engels vertreten wurde.

Was aber die Feinde des Fortschritts auf ihrer Stirn tragen, ist die Ablehnung der Gesetzmäßigkeit in der Natur und im gesellschaftlichen Leben. Immer wieder schlägt der wirre Kopf in sprengender Durchbruchsabsicht gegen die Wände der Wissenschaft. Geleugnet wird die objektiv vorliegende Verbindung zwischen Wirtschaftspolitik und Militärpolitik – dass sich eine militärische Überlegenheit im Krieg nicht ohne eine wirtschaftliche Überlegenheit durchsetzen kann. Die Wirtschaft ist die Drehachse, um die sich die Armee bewegt. Die Wirtschaft muss sich frühzeitig auf den Krieg vorbereiten. Diese Relation ist die richtige Spur, die von der bürgerlichen Ideologie sehr oft verfehlt wird. Allerdings gibt es triftige Gründe dafür, dass die bürgerliche Presse nicht zu tief in das Fleisch des Kapitals schneidet. Denn dabei würde herauskommen, dass es sich bei den Armeen der bürgerlichen Republiken nicht um die des Volkes handelt und dass der Krieg mehr ist als bloß ein bewaffneter Kampf. Doch nur Letzteres erfahren wir aus der Presse.

Mit dem größten Glück der größten Zahl liegt kein Kommunismus vor – das ist ein subjektives Gedankenwerk John Stuart Mills. Der Kommunismus ergibt sich aus einer strikten Gesetzmäßigkeit, aus einer Kette von Negationen der Negationen im weltgeschichtlichen Verlauf, final aus einer doppelten kleinen und großen Negation der Negation: Der Kapitalismus negiert den Feudalismus, der Sozialismus-Kommunismus negiert den Kapitalismus – eingebettet in die monumentale Negation der Negation: die klassenlose Urgesellschaft, negiert durch die Ära der Klassenwidersprüche und Klassenkämpfe in der Vorgeschichte der Menschheit. Erst aus dieser negierten Negation erfolgt der Umschlag in den Kommunismus, der eben jene negierte Negation ist.

  1. Lenin: Krieg und Revolution, Lektion am 14. Mai 1917, Werke, Band 25, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 395
  2. Lenin: Die historischen Schicksale der Lehre von Karl Marx, Prawda, 1. März 1913, Werke, Band 18, Seite 579
  3. Lenin: Statistik und Soziologie, Werke, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 286
  4. Karl Marx: Kritische Randglossen zu dem Artikel eines Preußen, Werke, Band 1, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 409


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