Jakob Reimann
Trumps Labyrinth der Lügen
Nachdem die CIA vor Kurzem die Verantwortung für den Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi dem saudischen Königshaus zuschrieb, fühlte sich Trump genötigt, in einem Statement seine anhaltende Unterstützung für die Saudis zu rechtfertigen. Es strotzt vor Lügen und blankem Unsinn und macht die USA zur globalen Lachnummer.
Am 20. November veröffentlichte die Pressesprecherin des Weißen Hauses ein knapp einseitiges Statement des Präsidenten. Angesichts der Tatsache, dass Syntax und Vokabular sehr einfach sind, der Text mit Ausrufezeichen durchsetzt ist und mit America First! beginnt und endet, können wir darauf schließen, dass er tatsächlich aus Trumps Feder stammt.
Die Erklärung behandelt den Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi. Der moderat regimekritische Kolumnist der Washington Post betrat am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul, um Dokumente zu erhalten, die es ihm ermöglicht hätten, seine türkische Verlobte Hatice Cengiz zu heiraten. Minuten nachdem Khashoggi das Konsulat betrat, wurde er von einem eigens aus Saudi-Arabien eingeflogenen 15-Mann-Killerkommando getötet, seine Leiche wurde zersägt, um sie im Anschluss in Säure aufzulösen (Freunde von Breaking Bad wissen, was gemeint ist).
Riad bestreitet vehement jede Beteiligung, wurde von Präsident Erdoğan durch geschicktes Informationsmanagement in regelrechter Demütigung jedoch gezwungen, wieder und wieder seine Lügengeschichte anzupassen. Ende letzter Woche leakte die CIA schließlich Informationen über einen umfassenden Geheimdienstbericht an die Washington Post, der die Schuld für den Journalistenmord der saudischen Führung zuschreibt – König Salman und dem eigentlichen Machthaber Kronprinz Mohammed bin Salman, bekannt als MbS.
Daraufhin sah sich auch Donald Trump genötigt, offen Stellung zu beziehen. Seine Erklärung macht bereits mit dem bezeichnenden Titel „Saudi-Arabien zur Seite stehen“ unmissverständlich klar: Trump würde sich eher den rechten Arm abhacken (und in Säure auflösen) lassen, als Saudi-Arabien fallen zu lassen oder auch nur zu kritisieren. Es ist wohlbekannt, dass Trump ein notorischer Lügner ist: In den 649 Tagen seiner Präsidentschaft log er 6.420 Mal – 9,9 Lügen pro Tag (in den Wochen vor den Midterm Elections Anfang November waren es gar 30 Lügen pro Tag).
Seine gestrige Erklärung – die selbst nach Trumpschen Maßstäben äußerst bizarr war – war ein Paradebeispiel für diese Verlogenheit: Anti-Iran-Propaganda, die sich in all ihrer Absurdität nahtlos in die Kriegsvorbereitungen der Achse Washington-Riad-Tel-Aviv gegen den Iran einfügt.
Die unsinnigsten Aussagen des Präsidenten sollen im Folgenden seziert werden.
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„Iran ist für einen blutigen Stellvertreterkrieg gegen Saudi-Arabien im Jemen verantwortlich.“
Eine offenkundige Lüge. Der Jemen-Krieg geht auf den Arab Spring 2011 zurück: Aus friedlichen Protesten wurde ein gewaltsamer Aufstand, in dessen Zuge die Houthi-Rebellen die Regierung stürzten und weite Teile des Landes einnahmen. 2015 begann eine von Saudi-Arabien und den Emiraten geführte Koalition, den Jemen zu bombardieren, um ihre Marionette Hadi in Sana’a wiedereinzusetzen. Ja, die Houthis erhalten gewisse Unterstützung aus Teheran, doch ist diese minimal und im Vergleich zum iranischen Support anderer Gruppen in Nahost vernachlässigbar. Im Jemen herrscht kein „Stellvertreterkrieg gegen Saudi-Arabien“, sondern ein Krieg der Saudi-Emirate-Koalition gegen die 28 Millionen Einwohner des Jemen. (Ausführlich dazu #3 des sechsteiligen JusticeNow!-Jemen-Specials: Die Houthi-Iran-Connection.)
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Iran „versucht, den zerbrechlichen Demokratieversuch im Irak zu destabilisieren“.
Richtig ist, dass Teheran seit 2003 – als Folge der illegalen US-UK-Invasion im Irak – zum einflussreichen Verbündeten Bagdads geworden ist. Bei den irakischen Parlamentswahlen im Mai dieses Jahres gewann der sowohl US- als auch Iran-kritische Kleriker Muqtada al-Sadr, was den iranischen Einfluss zurückdrängen wird. Es gibt keine Anzeichen, dass Teheran die Wahlergebnisse anfechten oder unterminieren würde.
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„Bashar Assad hat Millionen seiner eigenen Bürger getötet.“
Die Opferzahlen des Syrienkriegs sind unmöglich genau zu ermitteln und stehen seit jeher im Zentrum heftigster Kontroversen. Selbst regimekritische Quellen geben die Spanne der vom Assad-Regime getöteten Zivilisten „nur“ mit 85.000-198.000 an, während sich die Gesamtopferzahl verschiedener Quellen zwischen 164.602 und 522.000 bewegt. Acuh wenn Assad jeden davon persönlich getötet hätte, wäre dies weit entfernt von Trumps „Millionen“.
„Der Iran gilt als ‚weltweit führender Sponsor des Terrors‘.“
Davon abgesehen, dass der Iran einzig in Kreisen der Israel-, Saudi- und Emirate-Lobby, sowie Trumps Neocon-Kriegsfalken als dieser gilt, wird das Label in der Regel eben jenem Land angeheftet, welches Trump so vehement zu verteidigen sucht: Saudi-Arabien. Die renommierte Financial Action Task Force identifizierte die Saudis als das Land, das die mit Abstand meisten Fälle von Terrorfinanzierung für sich verbuchen konnte (gefolgt übrigens von den USA und der Türkei). Auch Trump selbst labelte noch im Jahr 2015 Saudi-Arabien als „den weltweit größten Geldgeber des Terrorismus“.
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„Saudi-Arabien würde sich gern aus dem Jemen zurückziehen, wenn die Iraner das Land verlassen würden.“
Dieser Satz ergibt keinen Sinn, da es – abgesehen von anderthalb Jahre alten Berichten über einige wenige Berater – im Jemen schlicht keine Iraner gibt. Es geht den Saudis entgegen ihrer Rhetorik im Jemen nicht um den Iran, sondern um die Wiedereinsetzung ihrer Marionette Hadi. Eine eventuelle Handvoll iranischer Militärberater spielt für Riad keine Rolle. Die Saudis könnten morgen die Bombardierung einstellen, Verhandlungen beginnen und „sich aus dem Jemen zurückziehen.“
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Erstveröffentlichung auf JusticeNow. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers
Über den Autor: Als studierter Biochemiker hat Jakob Reimann ich ein Jahr in Nablus, Palästina gelebt und dort an der Uni die Auswirkungen israelischer Industrieanlagen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in der Westbank erforscht. Nach einiger Zeit in Tel Aviv, Haifa, Prag und Sunny Beach (Bulgarien) lebt er jetzt wieder in Israel und kennt daher „beide Seiten“ des Konflikts und die jeweiligen Mentalitäten recht gut. Soweit er zurückblicken kann ist er ein politisch denkender Mensch und verabscheut Ungerechtigkeiten jeglicher Art. Aus bedingungslos pazifistischer Sicht schreibt er gegen den Krieg an und versuche so, meinen keinen Beitrag zu leisten. Seine Themenschwerpunkte sind Terrorismus, das US Empire, Krieg (Frieden?) und speziell der Nahe Osten.
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