Rui Filipe Gutschmidt

Italienische Rechte errichtet Gräber für abgetriebene Föten mit den Namen der Mütter

Rui Filipe Gutschmidt

Auf einem Friedhof in Rom haben über 100 Italiener/innen gegen die Bestattung abgetriebener Föten demonstriert. Sie wurden dort von Unbekannten ohne Erlaubnis, dafür aber mit missbräuchlicher Identifizierung der Frauen, die abgetrieben haben, beigesetzt.

Obwohl es seit 1978 legal ist, so ist es im streng katholischen Italien immer noch schwierig, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Und es gibt auf einem Friedhof in Rom jemanden, der seit mehreren Jahren Föten beerdigt und die Gräber mit den Namen der Frauen markiert begraben, die sie abgetrieben haben. Mittlerweile fordern mehr als 100 italienische Frauen die Polizei auf, die Situation zu untersuchen und herauszufinden, wer hinter einer ihrer Meinung nach schwerwiegenden Verletzung der Privatsphäre und Missachtung ihrer Menschenrechte steckt.

Der Fall wurde erst öffentlich, als eine Frau in einer lokalen Zeitung über die „Felder der Engel“ las und schließlich entdeckte, dass eines der Gräber mit ihrem Namen und dem Tag markiert wurde, an dem sie den Fötus abgetrieben hatte. Bei der Veröffentlichung ihrer Empörung auf Facebook schlossen sich mehr als hundert Frauen einer kollektiven Aktion an, die die Debatte über die Abtreibung wieder in Gang brachte, die seit 1978 in Italien legal ist.

Auf dem Friedhof Prima Porta in Rom, Italien, befinden sich zwei Abschnitte mit diesen „Felder der Engel“ mit insgesamt Hunderten von Gräbern, einige davon aus dem Jahr 2012. Neben diesen Abschnitten befinden sich mehrere Holzkreuze, die zu Boden gefallen sind, was darauf hinweist, dass einige Gräber wiederverwendet wurden.

Keine der identifizierten Frauen hatte die Erlaubnis gegeben, die Föten zu begraben. In Italien ist es möglich, Föten zu begraben, die älter als drei Monate sind, jedoch nur, wenn die Mütter ihre Zustimmung geben. Eine der Frauen, Francesca, behauptet, dass sie im sechsten Monat schwanger war, als sie entdeckten, dass der Fötus schwere Missbildungen hatte und wahrscheinlich nicht überleben würde. Zwischen dem Wissen um diese Tatsache und dem Zugang zu einem freiwilligen Schwangerschaftsabbruch, wie im italienischen Recht vorgesehen, sind zehn Tage vergangen, erklärt der Guardian. Ihr Name ist mit dem Monat Dezember 2019 verbunden, drei Monate nach der Abtreibung.

Die Kreuze auf dem Flaminio-Friedhof in Rom. Quelle: YouTube

„Nach dem enormen Schmerz, meine Tochter zu verlieren, ist es schrecklich zu entdecken, dass dies passiert ist“, sagte sie gegenüber der englischen Zeitung „The Guardien“.

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„Ich habe das Krankenhaus mehrmals gefragt, was mit den Föten passiert und sie haben mich glauben lassen, dass sie weggeworfen werden“, erklärte Francesca weiter. „Also, wo warst du in diesen drei Monaten? Und dann begruben sie es mit dem Symbol eines Kreuzes – mit dem ich mich nicht identifiziere und mit meinem Namen – es fühlte sich an, als wäre es eine Form der Bestrafung.“

Das betroffene Krankenhaus hat jegliche Verantwortung abgelehnt. Ihm zufolge wurden die Überreste des Fötus mit dem Namen der Mutter identifiziert, um den Transport und die Erlaubnis zur Bestattung zu gewährleisten. Diese Informationen wurden an die für die Verwaltung der Friedhöfe in der italienischen Hauptstadt zuständigen öffentlichen Dienste weitergegeben, die wiederum behaupten, dass Bestattungen nicht ohne Genehmigung der Gesundheitsbehörden durchgeführt werden.

Livia Turco, ehemalige Gesundheitsministerin, glaubt, dass hinter der Beerdigung ohne Erlaubnis und der öffentlichen Bekanntgabe der Namen der Mütter Anti-Abtreibungsgruppen stehen.

Die Beerdigung von Föten ist aufgrund eines Gesetzes zulässig, das während des faschistischen Regimes von Mussolini geschaffen und 1990 aktualisiert wurde. Es war jedoch wenig bekannt und erlaubte nicht die Identifizierung von Müttern. Antiabtreibungsgruppen, katholische und rechtsextreme Gruppierungen versuchen seit Jahren, sogenannte „Engelsfelder“ zu schaffen, um darin nicht nur abgetriebene Föten, sondern die legalisierte Abtreibung im Land gleich mit zu begraben.

Dieser Artikel befasst sich mit einem uraltem Streitthema. Wer hat mehr Rechte? Die ungeborenen Kinder oder die Frauen, die diese Kinder auf die Welt bringen sollen? In „zivilisierten“ Gesellschaften gibt es eine Grenze, (12 Wochen z. B.) und genaue Regeln unter welchen Umständen eine Schwangere ihre Schwangerschaft abbrechen darf. In einem extremistischen Regime ist es egal, ob es sich um ein 9 Jähriges Mädchen handelt, ob Gefahr für die Mutter besteht oder ob die werdende Mutter jeden Tag der Schwangerschaft an die Vergewaltigung denken muss, die sie in diese Lage gebracht hat.

Es sind solche Extremisten, die sich die „Engelsfelder“ ausgedacht haben, ohne an die Folgen für die Psyche der denunzierten Frauen auch nur einen Gedanken zu verschwenden. Die Nachahmung dieses Verbrechens in anderen Ländern muss unbedingt verhindert werden. Italiens Faschisten sind seit eh und je mit dem extremeren Teil der Katholischen Kirche. Dieses Bündnis ist in meinen Augen ein „unheiliger“ Packt, auch wenn ich nicht an „Heilige oder Unheilige“ glaube. Es ist jedenfalls die Pflicht eines jeden Demokraten, diesen Extremisten entgegenzutreten.


Erstveröffentlichung am 20. Oktober 2020 in unserer Partnerzeitung INFO-WELT.

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