Lucy Redler
Erfolg oder Scheitern des Mietendeckels
wird auf der Straße entschieden
Ohne die Berliner Mieter*innenbewegung der letzten Jahre und die Initiative “Deutsche Wohnen & Co enteignen” würde in der Hauptstadt Mitte Oktober kein Mietendeckel beschlossen. Die Debatte der letzten Monate über Enteignung von großen Immobilienkonzernen zeigt, wie eine kleine Initiative eine Stimmung in der Bevölkerung aufgreifen und in Aktivität für eine weitgehende Forderung entwickeln und dabei weitreichende Zugeständnisse erreichen kann.
Die Idee des Mietendeckels war zu Beginn eine Reaktion der SPD auf den Vorstoß der Initiative “Deutsche & Co enteignen”. Diese fordert, Immobilienkonzerne mit mehr als dreitausend Wohneinheiten zu enteignen und in öffentlicher Hand zu demokratisieren. Dabei wurde sie von der LINKEN unterstützt. Der Versuch der SPD, der Initiative durch einen Mietendeckel den Wind aus den Segeln zu nehmen, scheiterte, da die Bewegung und auch Die LINKE auf eine Kombination von Mietendeckel und Enteignung setzen.
Ende August wurde ein Entwurf für den Mietendeckel aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geleakt, die der LINKE-Senatorin Katrin Lompscher untersteht. Dieser wurde von Mieter*inneninitiativen in der Stadt als großer Wurf gefeiert. Das Wichtigste an dem Entwurf: Fünf Jahre sollte es keine Mieterhöhungen mehr geben. Ein allgemeiner Anspruch auf Mietsenkung sollte entstehen, wenn die Nettokaltmieten eine Obergrenze von 3,42 Euro bis 7,97 Euro übersteigen.
Die Immobilienwirtschaft, die bürgerlichen Medien, FDP, CDU und AfD schrien Zeter und Mordio, die Berliner Morgenpost behauptete gar, DIE LINKE wolle Berlin “anzünden”. Aber auch SPD und Grüne kritisierten den Entwurf öffentlich.
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Abschwächung des Entwurfs
Der Leak war von der LINKEN und der Senatsverwaltung nicht beabsichtigt. Dabei wäre gerade die Veröffentlichung einer radikalen, mit den anderen Parteien im Senat nicht abgestimmten Position ein positives Beispiel dafür, wie DIE LINKE im Senat agieren sollte: Die eigenen Positionen selbstbewusst in der Öffentlichkeit vertreten, mit Bündnispartner*innen der außerparlamentarischen Bewegung für ihre volle Umsetzung kämpfen und das gesellschaftliche Kräfteverhältnis durch den Aufbau von Gegenmacht so verschieben, dass mehr durchsetzbar wird. In jedem Streik passiert genau das.
Leider wurde der Entwurf nach massivem Druck der Immobilienwirtschaft und der anderen Parteien stark verwässert. Die Position der Grünen war auf einmal, dass Mieterhöhungen weiter möglich sein müssten. Dabei sei daran erinnert, dass es auf Bundesebene in den 1940er Jahren ein Mietendeckel eingeführt wurde, der bis 1972 galt, in West-Berlin gar bis 1988.
Die wesentlichen Änderungen des abgeschwächten Mietendeckels sind:
- Höhere Richtwerte für Mietobergrenzen von bis zu 9,80 Euro pro m², abhängig vom Baujahr und Ausstattung
- Zur Berechnung wird der Mietspiegel 2013 statt des Mietspiegels 2011 herangezogen
- Liegen Mieten unter den Richtwerten, sind Erhöhungen von jährlich 1,3 Prozent möglich
- Modernisierungszuschläge sind bis zu 1 Euro pro m² möglich, für Modernisierungen der letzten fünfzehn Jahre kann die Mietobergrenze zudem um 1,40 Euro pro m² angehoben werden
- Ausnahmeregelungen für Vermieter*innen bei “unbilligen wirtschaftlichen Härten”
- Statt einem allgemeinen Anspruch auf Mietsenkung gibt es einen individuellen Anspruch für Menschen, deren Nettokaltmiete die Obergrenze und dreißig Prozent des Haushaltseinkommens „bei angemessener Wohnungsgröße“ übersteigt.
Erstveröffentlichung in vor wenigen Tagen »sozialismus-info« mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und der Autorin. Bilder und Bildunterschriften wurden zum Teil von der Redaktion American Rebel hinzugefügt.
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Über die Autorin: Lucy Redler ist Mitglied im Parteivorstand DIE LINKE, aktiv in der SAV und Bundessprecherin der Antikapitalistischen Linken (AKL).
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Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.
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