Tagesspiegel 21.07.2004 |
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Der rote CowboyDer US-Sänger Dean Reed ging 1972 in die DDR. 1986 starb er. Ein Brief zeigt jetzt: Es war Selbstmord. Warum war er so populär?
Der US-Sänger Dean Reed, der 1972 spektakulär in die DDR übergesiedelt war, hat 1986 Selbstmord verübt. Das geht aus einem bisher unbekannten Abschiedsbrief hervor, den Volkspolizisten am 13. Juni 1986 in Reeds Pkw am Zeuthener See gefunden hatten. Offiziell hieß es damals, Reed sei verunglückt. In dem Brief, den "Bild" jetzt veröffentlichte, schreibt Reed: "Mein Tod hat nichts mit Politik zu tun." Er, der offenbar unter Depressionen litt, hatte jahrelang mit seinen Liedern und Filmen kalifornischen Sonnenschein in den DDR-Alltag gebracht. Tom Hanks plant einen Spielfilm über ihn, Reeds erste deutsche Frau Wiebke einen Dokumentarfilm. Warum war Reed in der DDR so populär? Der Autor des folgenden Beitrags war künstlerischer Leiter des Berliner Kabaretts "Die Distel". Dass Sänger und Schauspieler in Ostberlin wie anderswo auf der Welt von einer Hollywood-Karriere träumten, das verstand sich von selbst. Dass aber einer, der in dieser Endstation aller Künstler-Sehnsucht schon Karriere gemacht hatte, von dort freiwillig in die DDR übersiedelte, das überstieg eigentlich unsere Vorstellungskraft. Das ganz und gar Unglaubliche versuchten wir uns zuerst auf sehr unterschiedliche Weise zu erklären. Den offiziellen Verlautbarungen, dass da so ein Star aus politischen Gründen den USA den Rücken gekehrt habe, glaubten anfangs nur wenige. Da gab es viel eher den hämischen Verdacht, dass es mit seinem Talent vielleicht doch nicht so weit her sein könnte. Diesem Verdacht setzte sich in der DDR jeder Künstler aus, der von West nach Ost kam. Kunst, und kommt sie noch so heiter daher, ist nunmal keine neidfreie Zone. Aber dann sah und hörte man diesen sympathischen, gut aussehenden Dean Reed leibhaftig im DDR-Fernsehen, und fast alle Vorurteile schwanden dahin. Er sang sich mit seinen wunderbaren Country-Songs in die Herzen der DDR-Bürger, nicht nur der Frauen übrigens. Kein Zweifel, da war wirklich ein Star in die DDR gekommen, wie wir ihn nur aus dem Westfernsehen kannten, und auch da waren solche Lichtgestalten nicht eben häufig. Auch sein politisches Engagement für die Unidad Popular in Chile etwa hatte nichts von der Stumpfheit der zum Ritual erstarrten offiziellen Solidaritätsbeteuerungen. Ihm glaubte man, dass er an das glaubte, was er sang und sagte. Mit seinen friedensbewegten, bei allem Pathos immer auch fröhlichen Liedern stellte er die ganze DDR-Singe-Bewegung in den Schatten. Was seiner Stimme an Größe fehlte, machte die Größe seiner Leidenschaft wett. Für viele wurde er so etwas wie die Verkörperung des anderen, eben des schönen Amerika. Schließlich war er ja auch schöner als alle Kennedys zusammen. Blauäugig in jeder Beziehung. Einer, der sich vorgenommen hatte, mit seinen Liedern zur Gitarre die Welt zu verbessern. Und einer, der gleichzeitig um die Liebe jedes einzelnen Menschen buhlte, den er traf. Die Journalisten nannte er allesamt beim Vornamen und versuchte, sie mit seiner in unsern Breiten exotisch wirkenden, naiven Offenheit für sich einzunehmen. Eine Freundin erzählte mir, sie habe einmal neben Dean Reed im Flugzeug gesessen. Als sie ihm sagte, dass sie furchtbare Flugangst habe, hat er sie beruhigt: "Wenn ich für dich singe, brauchst du keine Angst mehr zu haben." Er glaubte an sich, solange die anderen an ihn glaubten. Zu Anfang standen ihm alle Wege offen. Er schrieb Filmdrehbücher für die DEFA, spielte die Hauptrollen und führte gleichzeitig Regie. Alles mit bestem Willen und größter Begeisterung, aber mit immer weniger Erfolg. "Der rote Prinz", wie er in der "Wochenpost" einmal genannt wurde, verlor langsam seinen Glanz. Er war gekommen wie ein Held aus einem Hollywood-Film, und sah dann eben irgendwann auch aus, wie alle Helden aussehen, wenn man sie zu lange und zu nahe sieht. Als ich ihn zum ersten Mal traf, war er bereits ein alt gewordener schöner junger Mann. Er kam gerade von einer Veranstaltung im Ostberliner Palast der Republik und erzählte uns fröhlich von seinem wunderbaren Erfolg auf der Veranstaltung. Dabei hielt er einen eher kümmerlichen Strauß Gerbera in der Hand, den man ihm zum Schluss überreicht hatte. Mit großer Geste reichte er ihn nun der Gastgeberin weiter. Dann sprach er von einer beeindruckenden Begegnung mit Jassir Arafat, den er seinen besten Freund nannte. Darauf entgegnete ihm die neben mir sitzende Schriftstellerin Berta Waterstradt, er möge entschuldigen, aber sie sei Jüdin, und für sie sei dieser Arafat eher ein Verbrecher. Dean Reed wurde keinen Moment verlegen, er beteuerte, alle Juden zu lieben, sank vor Berta Waterstradt auf die Knie und sang "Ä jidische Mame" - von der ersten bis zur letzten Strophe. Von Peter Ensikat |
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