Süddeutsche Zeitung 25.11.2015 |
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Tom Hanks - Mut zur BrückeDer Schauspieler über seine Rolle in dem Film "Bridge of Spies - Der Unterhändler", die europäische Zeitgeschichte und darüber, warum man von Kalifornien aus die DDR so gut sehen kann.Interview von Peter Richter Tom Hanks steht der schwere Fünfzigerjahre-Anzug aus "Bridge of Spies" entschieden besser als der Schnauzer und die Baseballkappe, mit der er zum Interview antritt. Hanks scheint aber nicht nur als Schauspieler ein Experte für die Reanimierung der Fünfziger zu sein. Vergangenes Jahr hat er eine App auf den Markt gebracht, die das Geklacker alter mechanischer Schreibmaschinen auf das iPad überträgt, den "Hanx Writer". Und er hat ein auffälliges Interesse am Kalten Krieg und der DDR. Logisch, dass im Film niemand anderer nun den ersten Agentenaustausch an der Glienicker Brücke aushandelt: den sowjetischen Spion Rudolf Abel gegen den amerikanischen Piloten Francis Gary Powers und den Studenten Frederic Pryor. In der Lesart von Spielberg: ein klares 2:1 für den Westen. SZ: Was ist der Trick, Mister Hanks, wie geht Verhandeln? Tom Hanks: Es ist eigentlich ganz einfach. Es muss ein Win-Win sein: Beide Seiten müssen mehr oder weniger bekommen, was sie wollen. Das ist alles. Die besten Verhandlungsführer, die ich kenne, fragen nicht: Wie können wir das hier lösen? Die fragen: Wie kann ich Ihnen helfen? Wenn du so startest, kann die andere Seite sagen: Gut, das und das ist, was ich erreichen muss. Und dann muss man sehen, wie man dem am besten entgegenkommt. Man muss nur immer mit zwei Voraussetzungen in Verhandlungen gehen. Erstens: Jeder weiß, dass der andere lügt. Und zweitens: Wenn du beim Lügen ertappt wirst, musst du es sofort zugeben. Das ist alles. Haben Sie das von Ihrer Figur gelernt, vom Juristen James Donovan? Als Steven Spielberg mir sagte: "Hör zu, ich mache einen Film über den Kalten Krieg, und ich möchte dir gerne das Script schicken, allerdings nicht bevor die Coen-Brüder noch mal darüber gegangen sind", da habe ich gedacht: Okay, Steven Spielberg UND die Coen-Brüder - das ist ein ziemlich guter Stammbaum, aber was im Himmel kann denn noch über den Kalten Krieg gemacht werden, das noch nicht gemacht worden wäre? Dann dachte ich: Okay, wir machen die Geschichte von dem Piloten Francis Gary Powers, den die Sowjets gefangen genommen hatten. Aber ich wusste am Anfang noch nichts über den Verhandlungsführer James Donovan, der ja eigentlich ein Anwalt für Versicherungsfälle war. In der ersten Szene des Drehbuchs, die dann tatsächlich auch die erste Szene war, die wir gedreht haben, sieht man ihn in einem Gentlemen's Club sitzen und mit seinen Gegnern darüber streiten, ob ein Sturm, der ein Haus umgeblasen hat, auch als Schadensfall für jedes einzelne Möbel in diesem Haus abgerechnet werden kann, und er stützt sich dabei auf die amerikanische Verfassung. Donovan ist ziemlich gut darin, eine Logik zu entwickeln. Später muss er nicht nur mit dem KGB verhandeln, sondern auch mit Vertretern der kleinen, aber geltungssüchtigen DDR. Damit nun wiederum haben Sie eigene Erfahrungen. Hatten Sie nicht mal mit Egon Krenz zu tun? Hatte ich, ich habe mit Egon Krenz gesprochen, ja. Das war zu einer Zeit, als ich einen Film über Dean Reed machen wollte. Sind Sie im Osten oder im Westen aufgewachsen? Was glauben Sie? Sie sind doch der Deutschlandkenner. Westen. Osten. Ah, Osten? Dann wissen Sie, wer Dean Reed war! Der Vorzeige-Amerikaner der DDR: Sänger, Schauspieler, Selbstmord im Zeuthener See ... Auch so ein Seitenwechsler im Kalten Krieg. Im Westen weiß das keiner. Der Film wurde nie was, weil wir am Ende immer zu viel zu tun hatten, die Geschichte überhaupt zu erklären. Vielleicht komme ich irgendwann noch mal darauf zurück. Aber Dean Reed hatte tatsächlich mit Egon Krenz zu tun gehabt, und Egon Krenz hat nun einmal diesen traurigen kleinen Platz in der Weltgeschichte als Nachfolger von Erich Honecker. Ich hatte ein paar spezifische Fragen an Krenz. Ob Reed zum Beispiel ein Intellektueller war. Und Krenz rief: NEIN! Überhaupt nicht. Egon stand unter Hausarrest zu der Zeit, es muss Anfang der 2000er gewesen sein. Es war gar nicht so einfach, mit Krenz ins Gespräch zu kommen. Ich fragte: English? Und er: Nö, Russisch? Wo und wie hatten Sie denn in Amerika von Dean Reed überhaupt erfahren? Ich erinnere mich an einen Beitrag auf NBC irgendwann in den Siebzigern, sie nannten ihn da nur den "roten Elvis", die Geschichte war vielleicht drei Minuten lang. Und er sprach da so seltsam. Zu der Zeit war er schon lange weg aus den Staaten und sprach so eine bizarre Mischung aus amerikanischem und ostdeutschem Akzent. Später gab es ein Buch und eine Dokumentation "Comrade Rockstar", und ich fand das unbezahlbar. Ich hatte immer einen Film über den Kommunismus machen wollen, aber aus amerikanischer Perspektive, und plötzlich hatte ich da diesen überzeugten amerikanischen Leninisten, der versucht hat, sein gutes Aussehen und seine Talente irgendwie in Weltruhm zu verwandeln und das immerhin für eine Hälfte der Welt ja auch hinbekam. Der Film sollte sich um den Moment drehen, in dem er am Ende versuchte, in die USA zurückzukommen, und ihm seine Leute dort sagten, dass es für ihn dort nichts mehr zu holen gibt, während es gleichzeitig auch im Osten für ihn nicht mehr gut lief. Bruce Springsteen spielte damals in Ostberlin, und Zehntausende wollten hin. Reed hatte es deswegen dann auch noch mal mit einer Rock-'n'-Roll-Show versucht, aber mit Oldies wie "Wake up, little Susie". Wieso sind Sie eigentlich so ein DDR-Experte? Sie sind in Kalifornien aufgewachsen, denkbar weit weg also. Kann ich Ihnen sagen. 1961, als die Mauer gebaut wurde, war ich fünf Jahre alt, und es galt als ausgemacht, dass es einen Dritten Weltkrieg geben würde. Weil wir gerade dabei sind - haben Sie die Serie "Deutschland 83" gesehen? Aber sicher. Die ist fan-tas-tisch! (Hanks sucht mit den Armen in der Luft rudernd nach adäquaten Worten für seine Begeisterung.) Da ist das auch so: diese mit Händen zu greifende Furcht, die die Leute in ihren Handlungen antreibt. Und in "Bridge of Spies" ist das ein Empfinden, das Donovan hat, als er den Agententausch einfädelt. Als ich aufwuchs, waren die Russen für uns ein monolithisches Volk, das so weit weg von uns lebte, dass der Westen es gar nicht erreichen konnte. Aber Ostberliner konnten das Radio anmachen, Ostberliner konnten "Denver Clan" gucken. Die waren so nah dran am Westen. Ich habe Leute aus Ostberlin gefragt: Wenn der Himmel bewölkt war, waren die Wolken über Westberlin dann bunter, schon allein wegen der Neonlichter? Und die sagten: stimmt. Ich habe mich immer gefragt, wie man damit leben kann. Diese Teilung führt mich am Ende immer zu Fragen des menschlichen Verhaltens: Was tun Menschen alles, um ihren Job und ihr Leben zu bewahren, und, wenn ihnen das nicht reicht, wie weit sind sie bereit zu gehen, um die Bücher zu lesen oder die Reisen zu unternehmen, die sie wollen? Umgekehrt sind Sie einer der wenigen Amerikaner, die Eisenhüttenstadt nicht nur fehlerfrei aussprechen können, sondern auch dort waren. Das haben Sie in der Show von David Letterman jedenfalls mal erzählt. Wieso eigentlich? Eine Freundin von mir ist Redakteurin bei dem Magazin Arts & Architecture, und die empfahl mir dringend, dahin zu fahren. So hab ich mich in die ganze Geschichte vertieft: Gebaut als stalinistische Modellstadt, wo jeder eine schöne Wohnung und Arbeit im Stahlwerk haben würde, dann sollte es ein Theater geben und eine Konzerthalle, und alles sollte perfekt sein. Es gibt doch diesen berühmten Obdachlosen in Berlin, der aus Eisenhüttenstadt stammt ... Sie meinen den Schmuckeremiten Friedrich Liechtenstein? Genau. Der hat mal von diesem Theater erzählt, und dass die Partei und die Stadt jeden Tag in diesem Theater vorführten, wie wundervoll es sei, in Eisenhüttenstadt zu leben; aber du hast es ihnen nicht abgekauft, es war eine bescheidene, kleine Existenz, die man da führte. Schriftsteller wie Brigitte Reimann und Regisseure wie Frank Beyer haben dieses Sujet wie einen Western behandelt, der nur eben in den Wäldern des Ostens spielt: Pioniere in der Wildnis. Kann ein Kalifornier das nachvollziehen? Zweifellos. Bei uns gab es eine ähnliche mystische Transformation der Geschichte zu einem dauerhaften, noblen Zweck. In Amerika hatten wir die Überzeugung von der "Manifest Destiny", wonach sich die USA von ihren bescheidenen Anfängen an der Ostküste, angetrieben vom Schicksal selbst, quer über den Kontinent ausbreiten mussten, ungeachtet all der Ureinwohner, die auf dem Weg dahin getötet wurden. Aber als wir aufwuchsen, gingen wir wirklich davon aus, dass im Ostblock ein permanenter Zustand der Unterdrückung herrscht. Dass es da keine Freiheit gab. Und da ist ja auch ziemlich viel dran. Aber ich habe mit Leuten gesprochen, die mir erzählten, sie vermissen den Osten, sie mochten das Leben da. Auf der anderen Seite kenne ich viele, die viel zu viel Zeit in den Händen der Stasi verbracht haben, um dem beizupflichten. Ich stelle mir das inzwischen wie eine Glockenkurve vor: Hier sind diejenigen, die wirklich an den kommunistischen Staat glauben, nicht besonders viele; und hier diejenigen, die unbedingt rauswollen. Und die große, große Beule dazwischen, das sind all die anderen, die sich fragen: Gibt es heute Steak zum Abendbrot, was kommt im Fernsehen, und sollte man nicht mal wieder die Kinder in Leipzig besuchen, wo man auch diesen lustigen kleinen Leipzig-Tanz tanzen kann? All diese Leute, die weder Helden noch Schurken sind. Dass einem ausgerechnet ein Schauspieler aus Kalifornien noch mal mit dem sogenannten Lipsi kommen würde. Diesen Tanz "made in GDR" kannte ja schon im Osten praktisch keiner. Ich lese alles über solche Sachen, aus purem Vergnügen. Ich kann gar nicht genug davon bekommen. |
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www.DeanReed.de
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