Film für Sie 32/1973

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Aus dem Leben eines Taugenichts

Aus dem Leben eines Taugenichts

Das Land ist weit und die Luft so frisch,
Wer bliebe da bei Herd und Tisch?
Viel besser ist es bei Wald und Quell,
da werden Augen und Seele hell.
Drum packt eure Bündel, stimmt mit ein:
die Welt will froh erobert sein.

Als der Taugenichts mit diesem Lied in unsere Handlung wandert, wird er von zwei schönen Damen in eine herrschaftlichen Kutsche mitgenommen...

Aus dem Leben eines Taugenichts

"Wohin wandert Er?"
"Zu meinem Glück."

"Die Damen waren, wie es schien, längst ausgestiegen, die Pferde abgespannt. Ich erschrak sehr, da ich auf einmal so allein saß, und sprang geschwind in das Schloss hinein, da hörte ich oben aus dem Fenster lachen.
In diesem Schlosse ging es mir wunderlich. Zuerst, wie ich mich in der weiten kühlen Vorhalle umschaue, klopft mir jemand mit dem Stocke auf die Schulter. Ich kehre mich schnell um, da steht ein großer Herr in Staatskleidern, ein breites Bandelier von Gold und Seide bis an die Hüften übergehängt, mit einem oben versilberten Stabe in der Hand, breit und prächtig wie ein aufgeblasener Puter, der mich fragt, was ich hier will. Ich war ganz verblüfft und konnte vor Schreck und Erstaunen nichts hervorbringen."

Eichendorff "Aus dem Leben eines Taugenichts"

"Scher Er sich, ich kann mir seine Lieder wohl vorstellen. Teufelschoräle, schlüpfriges Zeug."

Im Schloss dient er als Gärtnerbursche. Und so die Herrschaft will, hat er auch anderes zu tun. Zum Beispiel - rudern. Später wird er avancieren:

"Als ich in die Kanzlei trat, wo es noch gar nicht recht Tag war, sah der Amtmann hinter einem ungeheuren Tintenfasse und Stößen von Papier und Büchern und einer ansehnlichen Perücke, wie die Eule aus ihrem Neste, auf mich und hob an:

'Wie heißt Er?
Woher ist Er?
Kann Er schreiben, lesen und rechnen?'"

Den Taugenichts aber hält es nicht für die Dauer. Besonders eine tiefe Enttäuschung, die er im Schloss erlebt, lässt ihn aufs neue in die Welt ziehen...

Was ist los in dieser Welt, in der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts?

England verwandelte sich 1760 in den mächtigsten kapitalistischen Staat Europas.

In Frankreich vollzog sich in den Jahren 1789-1794 die größte bürgerliche Revolution, die den Feudalismus zerschlug.

In Deutschland gibt es Anfang des 19. Jahrhunderts etwa 300 selbstständige Kleinstaaten, typisch feudale Besitzungen.

"Keine Bildung, keine Mittel, um auf das Bewusstsein der Massen zu wirken ... nicht einmal ausgedehnter Handel mit anderen Ländern. Ein ... elender Krämergeist durchdrang das ganze Volk. Alles war überlebt..."

Friedrich Engels in "Deutsche Zustände"

"Nie hat der Regen sie ohne Regenschirm getroffen"

Clemens Brentano "Der Philister vor, in und nach der Geschichte"
(zuerst 1811 anonym erschienen)

Auch Eichendorff hasst die deutschen Philister so, dass er 1822 ein "Dramatisches Märchen in fünf Abenteuern" erfindet, genannt: "Krieg den Philistern". In dem Stück heißt es:

"Er wird poetisch -
greift ihn beim Schopf!"

Aus dem Leben eines Taugenichts

Wozu das - ein durch die Welt ziehender Bursche, on überraschenden Ereignissen immer in neue Ungelegenheiten gebracht, singend und fidelnd, träumend und voller Illusionen, was seine Welt und Zeit angeht - was soll das noch heute, gegen Ende des 20. Jahrhunderts?

Wir meinen, der Taugenichts ist ein natürlicher Beweis dafür, dass Muße den Menschen produktiv machen kann. In der Weise, dass er aus sich heraus Worte findet und Melodien. Unser Taugenichts zum Beispiel sieht beim Arbeiten als Gärtnerbursche Ameisen und - er dichtet ihnen im Augenblick ein kleines, einfaches Lied. Er spricht auch mit seinem Hund und antwortet der Schalmei eines Hirten mit seiner Violine. Aus Freude am Tag, an der Natur, am Menschen, am Leben überhaupt.

Er ist kein Müßiggänger. Er kann arbeiten. Aber er ist einer, der jeden Augenblick sinnlich und bewusst erlebt - Muße sucht und nutzt - um seine Erlebnisse schöpferisch umzusetzen. Und deshalb glauben wir, dieser Mensch bedeutet gerade uns etwas.

Aus dem Leben eines Taugenichts

"Wer hat das schöne Lied erdacht?
Es haben drei Gäns übers Wasser gebracht,
zwei graue und eine weiße."

Aus "Des Knaben Wunderhorn"

Daran fährt Heinrich Heine fort:

"Gewöhnlich ist es wanderndes Volk, Vagabunden, Soldaten, fahrende Schüler oder Handwerksburschen, die solch ein Lied gedichtet. Gar oft auf meinen Fußreisen verkehrte ich mit diesen Leuten und bemerkte, wie sie zuweilen, angeregt von irgendeinem ungewöhnlichen Ereignis, ein Stück Volkslied improvisierten oder in die freie Luft hineinpfiffen ... und kam nachher ein anderer Bursch vorbeigeschlendert, dann pfiffen sie ihm jenes Stücklein ins Ohr, und er sang die fehlenden Verse hinzu. Und das Lied war fertig. Die Worte fallen solchen Burschen vom Himmel herab auf die Lippen, und er braucht sie nur auszusprechen, und sie sind denn noch poetischer als all die schönen poetischen Phrasen, die wir aus der Tiefe unseres Herzens hervorgrübeln."

Aus "Die Romantische Schule", 1835

"Gleich früh, wenn sich entzündet
der silberweiße Tag,
wird durch die Sonn verkündet,
was nachts verborgen lag:
Die Lieb in meinem Herzen,
ein Flämmchen zünd't sie an,
das brennt bleich einer Kerzen,
die niemand löschen kann."

Volkslied, für den Film bearbeitet

Und noch einmal Heine. Im Sommer 1820 geschrieben:

"Nie und nimmermehr is dasjenige die wahre Romantik, was so viele dafür ausgeben: verworrene und verschwimmende Bilder, die gleichsam aus einer Zauberlaterne ausgegossen werden ... Die Bilder, wodurch romantische Gefühle erregt werden, sollten klar und mit bestimmten Umrissen gezeichnet werden..."

AUS DEM LEBEN EINES TAUGENICHTS

Ein DEFA-Farbfilm der Gruppe "Berlin". Frei nach der gleichnamigen Novelle von Joseph Freiherr von Eichendorff

BUCH: WERA UND CLAUS KÜCHENMEISTER

Dramaturgie: Anne Pfeuffer

REGIE: CELINO BLEIWEISS

Produktionsleiter: Martin Sonnabend · Kamera: Günter Jaeuthe · Bauten: Heike Bauersfeld · Ausführung: Solvejg Paschkowski, Helfried Winzer · Musik: Reiner Hornig · Choreografie: Gabriele Wunsch, Gerd Glanze · Kostüme: Lydia Fiege · Masken: Willi Gesche · Ton: Marianne Lange, Waldemar Pokrywka, Günter Witt, Gerhard Ribbeck · Schnitt: Monika Schindler · Ass.-Regie: Michael Englberger · Filmfotograf: Wolfgang Ebert, Alexander Kühn · Aufnahmeleitung: Uwe Klimek · Außenrequisiteur: Werner Kirschstein · Oberbeleuchter: Horst Klauke · Tierdressuren: Hermann Ullmann

Wir danken den Mitarbeitern des Barockschlosses Rammenau für freundliche Unterstützung

Personen:                                   Darsteller:
Taugenichts ............................... Dean Reed
Die Schöne ................................ Anna Dziadyk
Gräfin .................................... Hannelore Elsner
Kammerjungfer ............................. Monika Woytowicz
Portier ................................... Hannes Fischer
Rinaldo Rinaldini ......................... Gerry Wolff
Maler ..................................... Arno Wyzniewski
Guido - Flora ............................. Christel Bodenstein
Leonhard .................................. Peter Biele
Gärnter ................................... Walter Lendrich
Zierlicher Herr ........................... Ottofritz Gaillard
Zyniker ................................... Jochen Kretschmer
Kleiner Mann .............................. Gheorge Gímă

In weiteren Rollen: Carin Abicht, Angelika Adler, Walter Bechstein, Mircea Breazu, Aimeé Iacobescu, Roland Knappe, Hans Kopprasch, Manfred Otto, Marieta Rares, Paul Sbrentea, Werner Schoch, Nicolae Secareanu, Robert Trösch und andere

Verleih: VEB Progress Film-Vertrieb

Aus dem Leben eines Taugenichts

Aus dem Leben eines Taugenichts

"In meinem Garten find' ich
viel Blumen, schön und fein,
viel Kränze wohl draus wind' ich,
und tausend Gedanken bind' ich
und Grüße mit darein.

Ihr darf ich keinen reichen,
sie ist zu hoch und schön,
die müssen alle verbleichen,
die Liebe nur ohnegleichen
bleibt ewig im Herzen stehn."

Aus der Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts", erstmalig vollständig erschienen 1826

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Letzte Änderung: 2014-04-23