neues leben 09/1977 |
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El Cantor - Der SängerSo nannten und kannten ihn alle, die Studenten der Universität von Santiago, die Arbeiter in den Fabriken, die Bauern in den Gebirgsdörfern. Er war einer von ihnen. Seine Lieder waren so populär, daß sie selbst in den Hitparaden an erster Stelle standen. Nicht nur Klassenkampf lehrte er bei den Kundgebungen der Unidad Popular mit Wort und Musik, sondern er sang auch von Liebe und Freude am Leben - Victor Jara. Vielleicht war er gerade deshalb einer von ihnen; sie verstanden, was er ihnen mitteilte, und sie liebten ihn dafür. Chile in den Tagen vor dem Militärputsch. Noch feiert man Volksfeste, tanzt die Cueca, den Volkstanz. Doch die Ruhe ist trügerisch, Bedrohung liegt in der Luft. Nachts schrecken die Kinder aus dem Schlaf, weil die bürgerlichen Damen der Gesellschaft mittels Topfdeckel-Konzerten ihren Protest gegen das "Kommunistenpack" anmelden. Arbeiter werden in den Fabriken bei Razzien gefilzt - Generalprobe des Militärs für den Ernstfall. Die Maschinen in den Fabriken schweigen, die Produktion wird sabotiert. US-Dollars sind der Sold für die Saboteure. El Cantor ist an den Brennpunkten. Mit ihm Isabel Parra, die Sängerin und Agitatorin, und auch Victors Frau Janet, Leiterin einer Ballettschule für Kinder. El Cantors Waffe ist seine Gitarre. Das Fernsehen der DDR dreht einen neuen Spielfilm: "El Cantor". Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion ist Dean Reed, nach "Blutsbrüder" nun zum zweiten Mal als Autor, auch diesmal in Zusammenarbeit mit Wolfgang Ebeling. Im Vorspann ist zu lesen: Dieser Film ist Victor Jara und dem chilenischen Volk gewidmet. Dean Reed dazu: "Es ist kein Dokumentarfilm und keine Biographie Victor Jaras. Es ist ein Spielfilm über den Volkssänger, in dem viele Tatsachen und Ereignisse aus Victors Leben wiedergegeben werden. El Cantor singt die Lieder von Victor Jara, kämpft wie er und stirbt wie er, nachdem ihm die Putschisten die Hände gebrochen haben. Für mich selbst ist der Film ein Bekenntnis. Zu Chile, das seit 1964 meine zweite Heimat ist. Wo sich meine politische Evolution vollzog, wo ich im Gefängnis saß, meine besten Freunde fand. Ich drehe keinen Film über den Sänger Victor Jara, sondern ich will mit seiner Person den Reichtum und Wert eines revolutionären Lebens schildern. Eines Lebens, das stets inhaltsreich, interessant, niemals bedeutungslos und langweilig war. Täglich liest man in der Zeitung mehrstellige Ziffern über Verfolgte, Ermordete, Arbeitslose; und die anonyme Größe der Zahl überdeckt die Tragödie des einzelnen Schicksals, das dahintersteht. Auch darin besteht für mich die Bedeutung Victor Jaras: Seine Person, sein persönliches Schicksal soll vermitteln zwischen der Tragödie des einzelnen und der historischen Situation." Der Film verspricht höchstmögliche Authentizität im Erfassen von Situation und Atmosphäre. Seit Jahren beschäftigt sich Dean Reed mit diesem Projekt. Bei den Dreharbeiten begegnen wir Patricio Bünsel, einem der vertrautesten Freunde Jaras. Er wirkt als Berater mit; seine Rolle spielt Gerry Wolff. Episoden vom Werden des Films: Als Dean Reed seine Filmtochter Roxana, ein kleines chilenisches Mädchen, auswählte, sagte ihre Mutter: "Wir kennen uns. Als ich 13 Jahre alt war, 1962, geben Sie bei uns ein Konzert. Es war das erste Mal, daß ich allein von zu Hause weggehen durfte." Eine Szene des Films schildert eine Massendemonstration der Unidad Popular. Dean Reed: "Es wäre unmöglich gewesen, sie mit 500 Kleindarstellern zu drehen, 10.000 waren nötig, um auch die Stärke und das Ausmaß der Volksbewegung zu zeigen. Was taten wir? Wir verbündeten uns mit dem Komsomol in Sofia, wo die Aufnahmen stattfanden, und drehten während eines Solidaritätsmeetings, an dem unter anderen Clodomiro Almeyda, Alexander Rojas, Isabel und Angel Parra teilnahmen. So wurde es eine echte Demonstration der Solidarität für Chile." Marlis Linke |
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www.DeanReed.de
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