Gong #45, 29.10.2004 |
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ZeitgeschichteDer DDR-Alltag im RückspiegelZum 15. Jahrestag des Mauerfalls blicken Buch- und TV-Autoren auf ein untergegangenes LandDie Ostalgie-Shows im TV sind out, aber Hochkonjunktur haben Erinnerungen an die DDR noch immer. Kein Grund, Hautausschlag zu kriegen - die Retrowelle , die jetzt, da sich zum 15. Mal der Fall der Mauer jährt, auf uns zukommt, beweist: Der Blick auf das untergegangene Land kann auch frei sein von Kitsch und Klamauk. Das Zauberwort heißt weiterhin Alltag: "Wer nur den Unrechtsstaat im Spiegel sieht, sieht fast nichts", regt der Leipziger Militzke-Verlag zur weitergehenden Geschichtsbetrachtung an. Die dort erschienene Porträt- und Reportagesammlung "Letzte Ausfahrt Ost - Die DDR im Rückspiegel" (14,90 Euro) von Gunnar und Kerstin Decker ist die ambitionierste Neuerscheinung neben "Geboren am 13. August - Der Sozialismus und ich" (Rowohlt, 17,90 Euro). Unter diesem Titel hat Jens Bisky, Sohn des PDS-Bosses, seine Autobiografie geschrieben. Parallel zur vierteiligen TV-Reihe "Damals in der DDR" erscheint ein gleichnamiges Buch (C. Bertelsmann, 19,90 Euro). Es basiert auf den Erzählungen nicht-prominenten Bürger über den "Alltag im Arbeiter- und Bauernstaat", also etwa realsozialistisches Möbeldesign oder Bruchschokolade. Das Buch und die TV-Reihe, die - Retro geht manchmal seltsame Wege - sogar in Zypern und Japan laufen wird, sind nur 2 Teile eines multimedialen Großprojekts: mit DVD (bei polyband, 16,90 Euro) und Hörspiel-Features in WDR und MDR sowie einer Ausstellung mit unveröffentlichten Privatfotos im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig (bis 9.1.05). Oft arbeiten die Chronisten die östliche Popkultur auf: Rebecca Menzel in dem Buch "Jeans in der DDR" (Ch. Links Verlag, 14,90 Euro) - wer eine so genannte Nietenhose trug, konnte von der Schule fliegen -, Arte mit dem Themenabend "Rock 'n' Roll und rote Fahne" (12.11.) sowie Stefan Ernsting mit der Biografie "Der rote Elvis - Dean Reed oder Das kuriose Leben eines US-Rockstars in der DDR" (Kiepenheuer, 22,50 Euro). Tom Hanks plant überdies einen Spielfilm über Reed. Der Reichtum an Fundstücken ist beachtlich. Höhepunkt: eine Beratungskolumne der Jungen Welt, abgedruckt in "Damals in der DDR". Da schrieb ein Sexualwissenschaftler, in Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz seien "in weit größerem Maße echte Ideale und hohe Ziele vorhanden als in manch anderen Freundschaftsbeziehungen". Was hätte Dr. Sommer bloß dazu gesagt? René Martens auch erschienen in: Bild + Funk |
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www.DeanReed.de
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