FILMdienst 6/2007

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thema: 57. berlinale 2007

Vom Singen und Sterben

Das Leben Ost-Berliner Rock- und Pop-Idole

Armin Mueller-Stahl bringt es auf den Punkt: "Als Dean Reed in die DDR kam, fragte ich mich: Was will der hier?" Ja, was wollte der Rock-'n'-Roller aus Colorado in dem eingemauerten Ländchen? Hatte er hier, in Gestalt einer jungen Frau aus Leipzig, die große Liebe gefunden? Glaubte er, im "realen Sozialismus" dem Paradies für alle Menschen näher gekommen zu sein? Hoffte er, im europäischen Osten, zu dem ja auch das sowjetische Riesenreich gehörte, in stets ausverkauften Sälen singen zu können - etwas, das ihm im Westen nicht zuletzt aufgrund der immensen Konkurrenz kaum vergönnt war? Dean Reed kehrte seiner US-amerikanischen Heimat jedenfalls den Rücken, ließ keine Gelegenheit verstreichen, ihre Politik, zum Beispiel in Vietnam oder Chile, zu kritisieren. Die Obrigkeit der DDR benutzte ihn als "singenden Friedenskämpfer", und eine Zeitlang glaubten manche DDR-Bürger tatsächlich daran, dass es um ihren Staat vielleicht doch nicht so schlecht beschaffen sein könnte, wenn sich ein so gut aussehender junger Barde aus der großen weiten Welt ausgerechnet hier niederließ. Mit der Zeit aber begannen viele den Kopf darüber zu schütteln, dass Reed auf zunehmend anachronistische Weise dazu beitrug, die Agonie rosarot einzufärben. Das Publikum dünnte aus, seine Spielfilme wurden verlacht, Reed fühlte sich von der Politik im Stich gelassen.

Leopold Grün nimmt sich in "Der rote Elvis" dieser Geschichte an, befragt Weggefährten, Frauen, Freunde, gräbt nach Archivaufnahmen und fügt sie, ohne sie mit eigenem Kommentar zu belasten, zum Porträt eines heißblütigen, naiven, tragischen Idealisten. Noch einmal werden markante Lebensstationen des Sängers zitiert: die Reise ins Chile Pinochets, der Auftritt vor enthusiastischen Kupferarbeitern mit der verbotenen Hymne der Unidad Popular; die Zeit in einem Trainingslager der Palästinenser, für deren Kampf sich Reed engagierte; schließlich die Teilnahme an einer Talkshow des US-Fernsehens, in der er Präsident Reagan mit Stalin verglich und damit alle Chancen auf einen Neuanfang in den USA verspielte.

Erstmals zu sehen ist ein Foto des Sängers kurz nach seiner Bergung aus dem Zeuthener See bei Berlin 1986. An Spekulationen über diesen Tod, etwa diversen Schuldzuweisungen an die DDR-Staatssicherheit, die CIA oder den KGB, beteiligt sich der Film nicht, bringt aber auch nicht den Abschiedsbrief ins Spiel, der auf einen Suizid verweist. Vor Jahren ging die Nachricht durch die Medien, dass Tom Hanks sich an einem Biopic über Dean Reed versuchen wolle; Leopold Grün war mit dem "Roten Elvis" schneller; und im Grunde genommen ist diesem Dokumentarfilm auch nichts Wesentliches über den"Genossen Rockstar" mehr hinzuzufügen. Etwas anders sieht es mit "Tamara" von Peter Kahane aus, einem Film über die Frontfrau der Ost-Berliner Band "Silly", die mit ihren ungebärdigen, aber auch lyrischen Liedern zur Identifikationsfigur für viele DDR-Jugendliche wurde. "Tamara" vermittelt zwar eine Ahnung von ihrem Wesen und ihrer Wirkung. Aber weil sich der Film vor allem auf die Dreiecksgeschichte zwischen der 1996 an Krebs verstorbenen Sängerin und zwei Band-Mitgliedern konzentriert, wirkt er in vielen Passagen doch sehr privat. Die politische Dimension dieser Biografie, gerade auch nach dem Ende der DDR, als Tamara Danz ihr Lebensgefühl in zahlreichen Talkshows "aufblätterte", bleibt weitgehend unerzählt. Da ist ein nächster Film zwingend notwendig.

Ralf Schenk

film-dienst.kim-info.de

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Letzte Änderung: 2007-03-21