DEAN REED der ungewöhnliche Weg eines Rock'n-Roll-Sängers
Sengende Mittagshitze brütete über dem Flughafen der argentinischen
Hauptstadt Buenos Aires an einem Sommertag im Juli 1961. Einige hundert Soldaten
bemühten sich verzweifelt, eine vieltausendköpfige brodelnde
Menschenmenge in Schach zu halten, als langsam die Maschine ausrollte, die den
populären Rock'n-Roll-Star Dean Reed aus den USA zum ersten Mal
in dieses Land brachte
Als genau zehn Jahre später wieder einige hundert Soldaten den gleichen Flugplatz
hermetisch abriegelten, galt der Aufwand erneut dem Amerikaner Dean Reed. Aber es war
nicht mehr derselbe Mann, diesmal schob das Regime den nur noch populärer gewordenen
Friedenskämpfer und Volkssänger Dean Reed direkt aus der Gefängniszelle
über die Landesgrenze Richtung Europa ab. Was war geschehen?
Vom Plattenzar entdeckt
In Denver
im USA-Staat Colorado am 22. September 1938 geboren, wuchs Dean Reed auf einer kleinen Ranch
auf und lernte laufen und reiten fast zur gleichen Zeit. Schon bald wurde er ein tüchtiger
Cowboy, und knapp 16jährig, gewann er sein erstes Rodeo (Cowboy-Wettspiel). Als er 18 wurde,
beschloss der junge Hitzkopf, an der
"Colorado-Universität"
Meteorologie zu studieren. Da aber das Studium Geld kostete, sang er abends in Bars für die
Touristen Cowboysongs und melancholische Hillbillies.
Zwei Jahre später trat ein völlig unerwartete Wendung ein. Eines Abends entdeckte
ihn ein Agent und überredete ihn, bei einer Plattenfirma vorzusingen. Dean fuhr mit und
stand mit seiner Gitarre zwei Tage später vor dem mächtigen Präsidenten der
"Capitol-Schallplattengesellschaft". Der hörte sich den Naturburschen an, der nie eine
Ausbildung gehabt hatte, erkannte das große Talent, und nach wenigen Stunden gab es den
Meteorologiestudenten Reed nicht mehr, aber am Showhimmel ging ein neuer Stern auf.
Bereits die dritte Platte, die den Namen Dean Reed auf dem Etikett trug,
wurde ein Riesenerfolg. Danach begann man Reed erbarmungslos
zu verheizen und hetzte ihn von einer Tournee auf die andere. Er erreichte eine ungeheure Popularität,
und die Monopol-Gesellschaft profitierte davon wie kaum zuvor.
Popmusik ade
"Peaton Price
war es, der mich lehrte, dass ich meinen Kopf nicht nur zum Haareschneiden habe", sagt Dean Reed heute.
Price, ein bekannter Schauspiellehrer, hatte ihn zu sich ins Haus geholt und gab ihm
Unterricht in der Schauspielkunst und in der Kunst zu leben. Peaton Price hatte den Kriegsdienst
verweigert und musste dafür zwei Jahre ins Gefängnis. Dean Reed sagt von ihm, dass er es
gewesen ist, der ihn gelehrt habe, über Krieg und Frieden nachzudenken.
Bei einer Tournee nach Südamerika sprach er mit den Menschen, lernte ihre
Sorgen und Nöte kennen und begann zu begreifen, dass einige hundert Reiche ihn benutzten, um
Millionen von Ausgebeuteten davon abzulenken, über ihr eigenes ungerechtes Schicksal nachzudenken.
Er sah die klaffenden sozialen Unterschiede zwischen arm und reich, sah die Ausbeutung und konnte nicht
begreifen, wieso das alles eine gerechte und gottgewollte Ordnung sein sollte. So reifte in ganz kurzer Zeit
aus dem Pazifisten ein kämpferischer Humanist heran.
Er hörte auf, Popmusik zu produzieren und erschien vor der aufhorchenden Öffentlichkeit
mit Protestsongs. Er organisierte Pressekampagnen gegen die inkonsequente Politik der USA-Regierung nach
innen und gegen die friedensfeindliche Außenpolitik der USA in der Rolle des Weltgendarms.
Ich war fasziniert
Das Jahr 1965 wird für den Künstler das Jahr der Begegnung und das Jahr der Entscheidung.
Er wird in die UdSSR eingeladen. Später sagt er in einem Interview: "Ich war nie zuvor
in einem sozialistischen Land gewesen, und die in den kapitalistischen Ländern verbreitete
antikommunistische und antisowjetische Propaganda hatte auch bei mir die Vorstellung hinterlassen,
dass man in Russland auf unterentwickelte Menschen treffen würde, die in Lehmhütten hausten
und in Hunger und Armut ihr Leben fristeten. Ich sah aber eine blühende Nation voller Liebe zum
Frieden. Ich war fasziniert, und ich begann, die Werke Lenins und
die sozialistische Literatur zu lesen. Ich erkannte: Das ist der Weg, den die Menschheit gehen muss,
um in Frieden und Glück leben zu können."
Dean Reed lebt seit 1966 in Italien. Er produzierte zunächst einmal eine ganze Reihe von
Filmen, überwiegend von sogenannten
Western.
"Es scheint unverstädlich, dass der Säger von politischen Liedern ausgerechnet Westernfilme
macht", sagt er manchmal. "Westernfilme werden immer zu Kassenschlagern, und so bin ich
für viele Leute ein Begriff.
Und ich muss Geld verdienen, um meine Reisen in die im Aufbruch
befindlichen Länder in Südamerika zu finanzieren, denn dort singe ich unentgeltlich, auch
in Krankenhäusern und Anstalten, in Gefängnissen und überall dort, wo sich Gelegenheit
bietet, den Menschen etwas zu sagen. Außerdem sitzen gerade in Südamerika viele meiner
Freunde hinter Kerkermauern, und ich helfe ihren Familien, so gut ich kann. Und ich brauche Geld,
um das so heldenhaft um seine Freiheit kämpfende vietnamesische Volk zu unterstützen."
Seit 1967 ist Dean Reed ordentliches Mitglied des Weltfriedensrates, und vor drei Wochen wurde er in die
17köpfige Kulturkommission des Weltfriedensrates berufen, deren jügstes Mitglied er ist.
Sein Kommentar: "Das ist die größte Ehre, die mir je zuteil geworden ist, und ich werde
alles tun, um mich dieser Berufung würdig zu erweisen."
Dieter Geske
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