BZ 15.12.2001 (Berliner Zeitung)

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Zum Weinen

Das "Neue Deutschland" schmückte sich auf seinen Pressefesten früher mit Prominenten. 1986 war der DDR-Vorzeigeamerikaner Dean Reed eingeladen. Er ließ sich lange bitten, kam dann schließlich, blieb aber nicht. Der Schauspieler schnaufte gefährlich, als er feststellte, dass ihn kein Mitglied der Regierung oder zumindest der Chefredakteur selbst in Empfang nahm, sondern nur ein lumpiger Kulturredakteur. Der Sänger schmiss wütend seine Gitarre auf den Rücken, schrie seine Frau an und betrat den Pressefest-Dampfer nicht. Wenige Tage später war er tot. Der Kulturredakteur musste sich lange Vorwürfe anhören.

Diese Szene ist authentisch. Wenn Tom Hanks und sein Hollywood-Stab jetzt das Leben von Dean Reed verfilmen und darauf zurückgreifen wollen - bitte sehr, der Kulturredakteur könnte noch Einzelheiten erzählen. Aber dazu wird es nicht kommen, so viel Platz hat kein Film. Das Leben von Dean Reed ist zu lang - obwohl es nur 47 Jahre dauerte. In der DDR kannte es jeder, für die anderen Leser hier noch einmal ein paar Etappen.

Dean Reed war einer der sehr wenigen amerikanischen Künstler, die freiwillig zum dauerhaften Leben in der DDR erschienen war. Er stammte aus Denver, Colorado, wurde Schauspieler in Hollywood, sang auch, bekam einen Plattenvertrag und schaffte es einmal hoch in die Charts. Auf einer Südamerika-Tournee in den sechziger Jahren erwachte sein soziales Gewissen, er wurde Revolutionär, vielleicht Kommunist. Er protestierte gegen den Vietnamkrieg, gegen Atomraketen und Militärjuntas, saß sogar kurz in Gefängnissen, er trat in Moskau auf und in Leipzig, und als er 1972 in Berlin blieb, war die Liebe zu Dean Reed groß.

Damals war noch Hoffnung in der DDR, gegen den Vietnamkrieg waren alle, und ein leibhaftiger Amerikaner, der lieber hier als bei den Kriegern lebte, galt als eigenwillig, aber achtbar. Schön war er auch, bildschön. Doch dann blieb er einfach. Er drehte Filme, besang Platten, heiratete zweimal, und nach einer Weile konnte Dean Reed keiner mehr leiden. Auch die DDR konnte keiner mehr leiden und schon gar nicht diese Freiwilligen, die sogar noch die Mauer verteidigten. Bevor man ihn 1986 tot im See fand, hatte er kaum noch Arbeit, Sehnsucht nach Amerika und eine große Neigung zu Psychopharmaka. Sein Tod ließ immer Platz für Interpretationen. War es nur Selbstmord, den die DDR als Unfall ausgab? Hatte die Stasi ihre Finger im Spiel? Was ist mit der CIA?

Wenn Tom Hanks Dean Reed geworden ist, wenn er ihn heimgeholt hat, werden die Ostdeutschen wieder zetern über die naive Sicht von Hollywood auf die DDR. Statt laut darüber zu weinen, dass sie sich einen Stoff wie diesen einfach haben entgehen lassen.

Birgit Walter


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