25.05.1971 El Clarin, La Nación, El Siglo | ||||
Abschiedsgruß an das chilenische Volk"Die Stunde ist gekommen, die kommen musste - die Stunde meines Abschieds. Ich habe nun vier Monate an eurer Seite gelebt, in Stunden, die so bedeutend und aufwühlend für das chilenische Volk waren und auch für mich... Ich kam nach Chile, um an eurer Seite zu leben, um euch zu helfen, um meine Solidarität zu beweisen für euer große Vorhaben, endlich in Freiheit und Gerechtigkeit zu leben. Ich kam, um zu lernen und zu lehren: denn wenn zwischen zwei Partnern Liebe ist wie zwischen euch und mir, da gibt es nicht nur Schüler und nicht nur Lehrer, sondern beide Partner sind Schüler und Lehrer zugleich. Ich werde niemals die vergangenen vier Monate vergessen, die ich an eurer Seite gelebt habe. Wie könnte ich auch die Stunden bei den Bergleuten von El Teniente und Chuquicamata vergessen, wie die Gespräche mit den Bauern bei Concepciön, wie die Begegnungen mit den Arbeitern von Santiago, Arica und Valparaiso, wie die Augenblicke mit Künstlern vor ihren Auftritten, wie die Besuche bei den Menschen, die im Gefängnis saßen. All diese Chilenen haben unterschiedliche Vorstellungen vom Leben, jeder von ihnen hat eine andere Vergangenheit, aber alle haben eine Zukunft, die sie vereinen wird. Alle blicken heute mit Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft - in ein neues Chile. Diese Worte sollen weniger ein Abschieds- denn ein Wiedersehensgruß sein. Denn wir werden uns immer nahe sein, wo es Ungerechtigkeiten zu bekämpfen gilt. Wir werden uns nahe sein an jedem Ort, wo es eine Mutter gibt oder einen Vater, der sein Heim gegen ausländische Aggressoren verteidigt. Wir werden uns nahe sein an jedem Ort, wo es Arbeiter, Bauern, Intellektuelle und Studenten gibt, die für eine Welt kämpfen, in der Gerechtigkeit und Frieden herrschen... Wir werden uns nahe sein an jedem Ort, wo es Menschen gibt, die sich ihrer fundamentalen Rechte bewusst geworden sind, und wir werden gemeinsam mit diesen Menschen kämpfen - ob es nun in Vietnam ist, in Angola oder in Brasilien. Wir werden uns aber auch nahe sein an jedem Ort, wo eine Blume blüht, wo die Sonne aufgeht, wo ein Kind lacht, weil unsere Zukunft eine Welt sein wird, wo die reinsten und höchsten menschlichen Werte Geltung haben. In dieser Welt werden die Kinder die einzige priviligierte Klasse sein, und die Männer und Frauen werden sich ihr Leben nicht nur gegenseitig widmen, sondern der gesamten Menschheit, werden solidarisch gegenüber jedem sein, der das braucht. Das wird eine Welt sein, wo die Menschen Schmerz empfinden werden, wenn sie spüren, dass ihre Nachbarn Schmerzen empfinden. Das wird eine Welt sein, wo die Menschen in Frieden und in Würde leben werden. Chilenen, ich wünsche euch Glück für euren Weg. Ihr habt eine historische Verpflichtung übernommen, und ich weiß, dass ihr dieser Aufgabe gerecht werden wollt. Gebt niemals auf. Folgt immer der Wahrheit. Ich bin immer bereit, euch zu helfen. Ich umarme euch. Dean Reed." Dean Reed, Aus meinem Leben. Aufgeschrieben von Hans-Dieter Bräuer; 2. aktualisierte und erweiterte Auflage; Edition Peters, Leipzig/Dresden 1984; S. 92 f |
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