Volkskorrespondent

Leander Sukov
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Klassenkampf, Imperialismus, Vietkong,
Wörter, Sprache, Herrschaft

Leander Sukov

Auf ARTE läuft ein Bericht über den Vietnamkrieg. Und das bringt mich zu einem Problem, das ich immer mit zunehmender Deutlichkeit sehe, dessen Umfang ich jedoch nicht umfassen kann und dessen Ebenen ich kaum kenne.

Wir, die Linken aller Schattierungen, haben in den Jahren nach 1989 unsere Sprache und unsere Geschichte in erheblichem Maße verloren. Bis in die radikale Linke hinein haben viele von uns die Deutungen des Klassengegners, des westlichen Imperialismus und, resp. oder, der westlichen bürgerlichen Geschichtswissenschaft übernommen. Aus dem Vietkong ist auch in großen Teilen der Linken ein Aggressor geworden, der demokratiefeindlich agiert hat und den die Linke nicht hätte unterstützten dürfen. Aus der sozialistischen Regierung der Kleinstnation Grenada, die von einem Trupp GIs rechtswidrig abgesetzt wurde, ist ein Haufen irrer Kiffer geworden. Selbst die Unidad Popular und Salvador Allende wird als demokratischer Sozialist in Frage gestellt. All über all auf den Diskursspitzen sehe ich rechte Professoren sitzen.

Der Reformismus, der früher immerhin noch ernsthaft nach vorn wollte und durchaus aus den Sozialismus müht sich ab den Sozialstaat Erhardts zurück zu gewinnen und die „Ostpolitik“ Willy Brandts zu revitalisieren. Man will nicht mal mehr den Kapitalismus neu tapezieren, jetzt reicht schon die Verabredung zum Staubwischen um als Saubermensch zu gelten.

Die nationalen Befreiungskämpfe, die allesamt antikolonialistische Kämpfe waren, von Irland bis Angola, sind Teilen der Linken schon deshalb verdächtig, weil sie national waren. Die Ablehnung us-amerikanischer Gewaltpolitik und die Ausdehnung der territorialen Hegemonie durch Militärstützpunkte gilt einigen als Antiamerikanismus.

In nicht unerheblichem Maße ist die Linke unter die neoliberalen Räder gekommen und dem Märchen von einer einer postmodernen Welt aufgesessen, deren Inneres man gar nicht erkennen könnte.

Wir müssen aber unsere Geschichtsschreibung, unsere Sprache, unsere Ziele und unsere Utopien wieder gewinnen. Natürlich eine wahrhaftige. Denn natürlich ist ein Problem, dass die Geschichtsschreibung der sozialistischen Staaten oft, viel zu oft, falsch, verlogen, verbogen und gegen die Realität gerichtet war. Aus taktischen und strategischen Erwägungen wurde auch dort gelogen. Diese Lügen sind wir los. Sie sind versunken. Weshalb zum Teufel bemühen wir uns nicht die anderen, die westlichen Lügen auch loszuwerden?

Das alles ist, ohne Frage und notwendigerweise sehr verkürzt, missverständlich, unvollständig. Deshalb müssen wir uns die Arbeit machen, die Lage zu analysieren ohne dabei in die Fangnetze der bürgerlichen Geisteswissenschaften zu geraten. Wir müssen das schaffen, oder die Linke wird nichts als ein bunter Tupfer auf dem Einerlei des Kapitalismus sein.

 

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