Organisation für den Aufbau einer kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands
Ein ermutigender Erfolg: Seminar in Tübingen
zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution in Russland
Aus Arbeit Zukunft online vom 22. August 2017
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Vom 9.6. bis zum 11.6.2017 fand in der Jugendherberge Tübingen ein europäisches Seminar der Internationalen Konferenz marxistisch-leninistischer Parteien und Organisationen mit fast 70 Teilnehmer/innen statt. Organisiert wurde es von der Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei und dem Verlag Arbeit Zukunft.
Die Zahl und Dauer der Referate plus der nachfolgenden intensiven Diskussion hat von den Zuhörer/innen eine Menge an Geduld, Konzentration und Ausdauer gefordert. Es war für sie aber so spannend, dass sie nicht nur ausgehalten, sondern sich lebhaft beteiligt haben. Fast 70 waren gekommen.
Nach der Begrüßung am Freitagabend wurde der Film „Oktober“ von Sergej Eisenstein gezeigt, der zum 10. Jahrestag der Oktoberrevolution teilweise mit Kämpfern der Revolution gedreht worden war.
Am Samstagmorgen startete unser Gast aus den USA, Prof. Grover Furr mit seinem Referat „Trotzkis Lügen – was sie sind und was sie bedeuten“. Gleich zu Anfang berichtete er: „1980 wurde das Trotzki-Archiv an der Universität Harvard für Forscher geöffnet. Innerhalb weniger Tage entdeckte Pierre Broué, der bedeutendste trotzkistische Historiker seiner Zeit, dass Trotzki gelogen hatte. Trotzki hatte immer mit den stärksten Wörtern geleugnet, dass in der Sowjetunion ein geheimer „Block der Oppositionellen“ aus Trotzkisten und anderen Anti-Stalinisten existierte. Trotzki nannte dies ein ‚Amalgam‘, was eine Fabrikation, also eine Lüge, von Stalin bedeutet. Dieser Block war der Schwerpunkt der zweiten und dritten Moskauer Prozesse vom Januar 1937 und März 1938. Broué zeigte unter Berufung auf Briefen von Trotzki und seinem Sohn Leon Sedov, dass der Block wirklich existierte.
1985 entdeckte der amerikanische Historiker Arch Getty, dass das Trotzki-Archiv in Harvard von belastenden Materialien gesäubert worden war. Aber es wurde nicht ganz vollständig gesäubert. Getty fand Beweise dafür, dass Trotzki tatsächlich in Kontakt mit einigen seiner ehemaligen Unterstützer in der Sowjetunion geblieben war. Trotzki leugnete dies immer streng. Er behauptete stets, dass er alle Kontakt mit denjenigen abgeschnitten habe…“
Im folgenden erläuterte der Forscher genauer, was er bei seinen Recherchen in Archiven, Dokumenten und beim Vergleich mit Trotzkis öffentlichen Aussagen gefunden hat.
Die anschließende Diskussion war so lebhaft, dass die Teilnehmer/innen eine Stunde länger als ursprünglich geplant blieben. Nach der dadurch stark gekürzten Mittagspause sprach der Vertreter der Partei der Arbeit (Türkei, EMEP), Ghazi Atels, über „Die Oktoberrevolution – ein Putsch ohne die Massen? Oder eine welthistorische Tat von organisierten Arbeitermassen?“
Er wandte sich gegen die bürgerliche Propaganda, die Oktoberrevolution sei ein militärischer Putsch gewesen. Er ging auf die zentrale Forderung der Bolschewiki, „Brot, Frieden, Land“ ein. Diese habe die Bedürfnisse des Volkes widergespiegelt und sei von den Regierungen, die nach der Februarrevolution an die Macht kamen, nicht erfüllt worden. Die breiten Massen der Arbeiter, der Bauern und des Volkes hätten daraufhin die Bolschewiki unterstützt. Er führte weiter aus, dass die Revolution jedoch nicht ohne die Erfahrungen und die Organisiertheit der Partei erfolgreich gewesen wäre.
Nach ihm sprach Niels Clasen für die Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei zum Thema „Die Oktoberrevolution und ihr Einfluss auf die deutsche Arbeiterbewegung“. Er ging in vier Bereichen auf die Spuren und Lehren ein, die die Oktoberrevolution in Deutschland hinterlassen hat:
1. Frieden! Kampf gegen den imperialistischen Krieg!
2. Bauernfrage
3. Räte
4. Rolle der Revolution, des bewaffneten Aufstandes und der Kommunistischen Partei
Dabei begann er mit Ernst Thälmann, der 1925 in „Die Lehren des Hamburger Aufstands“ ein überraschend aktuelles Motto für unser Gedenken gab:
„Wenn wir heute der zweijährigen Wiederkehr des Hamburger Straßenkampfes gedenken, so geschieht das nicht aus dem bloßen Anlass, dass der Kalendertag … wiederkehrt. Jubiläen sind für Kommunisten und den klassenbewussten Teil des Proletariats nicht leere Gedenktage, sondern Richtlinien für den Klassenkampf, Leitfäden für die Aktion…“
Deutlich arbeitete Genosse Niels heraus, dass sich die Revolution in Russland und die vom November 1918 in Deutschland vor allem dadurch unterschieden, dass es in Deutschland keine zielklare, fest organisierte Partei gab. Auch hier zitierte er Ernst Thälmann, der 1928 sagte: „Die Tragödie der deutschen Revolution im Jahre 1918, in den Januarkämpfen 1919, in den Kämpfen nach dem Kapp-Putsch 1920, in den März-Kämpfen 1921, bis zur letzten Welle der akuten revolutionären Situation, … im Oktober 1923 – sie bestand in dem Zwiespalt zwischen den objektiven ausgereiften revolutionären Verhältnissen einerseits und der subjektiven Schwäche des deutschen Proletariats, hervorgerufen durch das Fehlen einer zielklaren bolschewistischen Partei andererseits…
…Nicht der revolutionäre Instinkt, nicht das unvergleichliche Heldentum der einzelnen Führer des Spartakusbundes, der hingemordeten Gründer unserer Partei, konnte den Bestand einer eisernen, im Feuer der revolutionären Erfahrungen zu Stahl gehärteten Avantgarde ersetzen. Karl und Rosa wurden gerade deshalb zu Opfern der barbarischen sozialdemokratischen Konterrevolution, … der Noske, Ebert und Scheidemann und ihrer gekauften Meuchelmörder, weil sie noch nicht dem Proletariat die Waffe hatten schmieden können, die das russische Proletariat zum Siege befähigte: die bolschewistische Partei!“ (Ernst Thälmann, Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Band II, Berlin 1956, S. 13)
Immer wieder ging er dabei auf die konkrete Situation in Deutschland ein, die unter anderem auch durch das Fehlen einer solchen Partei gekennzeichnet ist.
Der Kulturabend übertraf alle Erwartungen und zeigte, wie reich Volks- und revolutionäre Kultur sind. Zuerst spielte die iranische Gruppe Ohmid revolutionäre und Liebeslieder aus ihrer Heimat. Danach rezitierte ein Genosse eindrucksvoll einen Abschnitt aus Heinrich Heine, Deutschland – ein Wintermärchen.
Es folgte die junge Sängerin Gizem Gözüacik aus Mannheim. Sie trug voller Emotionen deutsche und internationale Arbeiter- und Friedenslieder vor.
Anschließend rezitierte ein türkischer Genosse drei Gedichte von Nazim Hikmet auf deutsch und auf türkisch. Es war eindrucksvoll, wie er mit seiner kräftigen Stimme und unter Einsatz des ganzen Körpers, das Publikum in seinen Bann zog und begeisterte.
Zum Schluss trat Ernesto Schwarz auf. Er brachte noch einmal richtig Schwung hinein, obwohl alle von dem Seminar und dem sehr langen Kulturabend erschöpft und müde waren. Und obwohl er selbst nach der Teilnahme an dem langen Seminar gerne ins Bett gegangen wäre, war er am Ende nicht zu stoppen. Er trug immer noch ein Lied vor, und noch eins und so weiter. Die Teilnehmer/innen kamen sehr spät ins Bett.
Am Sonntag begann Dorte Greena, Vorsitzende der Kommunistischen Arbeiterpartei Dänemarks (APK) mit dem Thema „Die Oktoberrevolution und ihre Bedeutung für die Befreiung der Frau“.
Unter anderem sagte sie: „Die Oktoberrevolution brachte eine fundamentale Veränderung des Lebens und der Perspektiven der Frauen mit sich. Entscheidend hierfür war, dass die Staatsmacht die zum ersten Mal in den Händen der Arbeiterklasse lag, direkt an die Abschaffung der Ursachen für die besondere Frauenunterdrückung – das private Eigentumsrecht – ging.“
Sie erläuterte, dass nur wenige Monate nach der Oktoberrevolution die ersten Schritte zur Befreiung der Frau unternommen wurden, indem man z.B. die bisher bestehenden gesetzlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau beseitigte. Später folgten Maßnahmen wie gleichberechtigte Einbeziehung in die Arbeitswelt, Förderung der Bildung, Einrichtung von Kinderkrippen und Ganztagsschulen, Begrenzung der Hausarbeit durch kollektive Lösungen. Damit einher gingen Kampagnen gegen das ererbte reaktionäre Frauenbild, gegen sexuelle Gewalt und jede Form der Unterdrückung der Frauen. In kürzester Zeit schaffte die neue sozialistische Gesellschaft das, was die bürgerliche nicht in über hundert Jahren erreichte. Beispielsweise erhielten Frauen sehr rasch gleichen Lohn für gleiche Arbeit, während dies trotz ewiger Diskussionen im Kapitalismus bis heute nicht erreicht ist. Die Gelegenheit zur Diskussion wurde vor allem von den Teilnehmerinnen lebhaft genutzt.
Zum Schluss sprach der Genosse Christian von der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF) über „Warum ist die Oktoberrevolution auch heute noch eine Perspektive für die Arbeiterklasse und die Völker?“
Er sagte u. a.: „Die Begeisterung für die Revolution soll ausgelöscht werden, eine solche Perspektive soll endgültig zur Vergangenheit gehören und total begraben werden. Es soll nur eine einzige Lösung geben, nämlich dass das kapitalistische System das „Ende der Geschichte“ bedeutet. So prophezeite ein bürgerlicher Theoretiker, der daran glaubte oder es zu glauben schien, dass diese Theorie – das Ende der Geschichte – das Ende der Kriege bedeutet. Gleich nach dieser weltweit verbreiteten Ankündigung brach der Krieg in Afghanistan aus, dann gab es Krieg im Irak und noch viele weitere, bis heute in Syrien. Diese Kriege haben eine Grundursache: Die imperialistische Neuaufteilung der Welt, die schon aufgeteilt ist, durch die imperialistischen Mächte.“
Er beschäftigte sich dann damit, ob die Revolution notwendig und ob sie möglich ist – und bejahte beides.
Zum Abschluss des Seminars sangen wir die Internationale. Dabei wurde deutlich, wie die drei Tage die Genossinnen und Genossen zusammengeschweißt haben. Das war auch spürbar an dem Einsatz aller bei all den vielen Kleinigkeiten, die bei einem solchen Seminar notwendig sind: Aufräumen, Bücherkisten herbeischleppen, Technik, Übersetzung usw. Es war toll zu sehen, was kollektive Arbeit erreichen kann.
Wir werden alle Referate gedruckt in einer Broschüre veröffentlichen.
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Referate und Beiträge der Veranstaltung
Referat von Grover Furr „Trotzkis Lügen – was sie sind und was sie bedeuten“
Referat von Niels Clasen „Die Oktoberrevolution
und ihr Einfluss auf die deutsche Arbeiterbewegung“
Referat von Ghazi Atels (EMEP, Türkei) „Ein Putsch ohne die Massen?
Referat von Christian (PCOF, Frankreich) „Warum ist die Oktoberrevolution
auch heute noch eine Perspektive für die Arbeiterklasse und die Völker?“
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Weitere Artikel: 100 Jahre Roter Oktober
Wirklich schwer zu ertragen was Grover Furr da vorträgt. Wenig objektiv und wenig an historischen Fakten orientiert.
Natürlich gab es innerhalb der Bolschewiki in den 20er-Jahren immer wieder einen Block, verschiedene Blöcke – am Ende sogar mit Trotzki, Sinowjew und Kamenjew gegen Stalin. Da war es schon zu spät. Nach Lenins Tod fiel die Führung Trotzki zu, aber der „arrogante Fatzke“ (siehe mein Buch: Die letzte Fahrt mit dem Fahrrad, Seite 440) wollte eine Krönung. Er hatte doch Lenins Brief in der Tasche …
Trotzki hat gelogen. Chruschtschow hat gelogen + wer ist Grover Furr? Was autorisiert ihn?
Trotzki wurde ermordet, die alte Garde der Bolschewiki wurde erschossen. Sozialrevolutionäre und Anarchisten ist ein weites Feld – das fällt in Lenins Zeit.
Das gegenwärtige Elend des Sozialismus, dieser wunderbaren Idee, das Scheitern der DDR, dieser einmaligen Chance – alles hängt mit den 20er-Jahren in Sowjetrussland zusammen.
Zu empfehlen ist die Lektüre von Isaac Deutscher, Harry Wilde, Peter Weiss und besonders Leonardo Padura: Der Mann, der Hunde liebte.
(Die letzte Fahrt mit dem Fahrrad: ISBN: 978-3-7345-0788-5, Paperback, 13,5 x 21,5 cm, 460 Seiten, 2016, 19,90 €uro)
Lieber Wilfried Bergholz,
„..wer ist Grover Furr? Was autorisiert ihn?“ Sollen das Argumente sein? Wo gibt es die Behörde zur „Autorisierung“ in der Geschichtswissenschaft?
„Autorisieren“ können nur Fakten. Und die präsentiert Grover Furr reichlich. So wurde beispielsweise das Trotzki-Archiv gesäubert, bevor es ausgesuchten Historikern zugänglich gemacht wurde. Warum? Grover Furr bringt in seinen Büchern viele Fakten und Originaldokumente. So veröffentlicht er beispielsweise Aussagen von einem Trotzkisten, der nach Japan floh und dem dortigen Militärgeheimdienst berichtete, dass sie einen militärischen Putsch vorbereiteten, während er öffentlich erklärte, die Putschvorwürfe seien Erfingungen und Lügen Stalins. Diese Aussage wurde nach dem Zusammenbruch der UdSSR von alten Trotzkisten bestätigt, die das nun nicht mehr verleugnen und verheimlichen mussten. Natürlich konnte Grover Furr in seinem kurzen Vortrag dieses Gebiet nur anreißen. Sein Buch „Chruschtschows Lügen“ gibt es auf Deutsch – mit vielen Fakten. Seine Bücher zu Trotzki gibt es aktuell nur auf Englisch. Sie sind sehr lesenswert. Wenn man jedoch bei seinen Vorurteilen bleiben will, dann fragt man einfach „wer ist Grover Furr? Was autorisiert ihn?“. Ich denke, man sollte sich ernsthafter damit befassen.
Die wunderbare Idee des Sozialismus wird nur dann eine neue Chance haben, wenn wir wirklich ernsthaft aufklären, was damit passiert ist.
Solidarische Grüße
Diethard