Sergej KREMLJOW (BRESKUN), Аргументы Недели», № 19 (361) vom 23. Mai 2013
Chruschtschow – der Mörder Stalins und der UdSSR
Stalin strebte politische und wirtschaftliche Veränderungen an
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Der Führer der Völker der Sowjetunion wurde nicht von Lawrenti Berija ermordet, sondern von dem künftigen Anführer der Parteinomenklatur. Für diejenigen, die sich mit der Frage „Wer ermordete Stalin?“ beschäftigt haben, ist das Thema abgeschlossen. Doch eine einheitliche Meinung, wer dafür verantwortlich ist, gibt es darüber nicht. Zum Beispiel behauptet N. Dobrjucha (siehe «АН», №7 und №8, 2013), dass Berija den Mord Stalins organisiert habe. Nachdem zur Erforschung der Epoche Stalins und Berijas nicht wenig Zeit aufgewendet und darüber eine ganze Reihe von Büchern geschrieben wurden (einschließlich des Buches von J. Muchin „Warum wurde Stalin ermordet?“), kann ich dem Leser versichern, dass die Erklärungen über die Mitwirkung Berijas an der Ermordung Stalins nichts weiter sind als eine Fiktion.
Stalin strebte politische und wirtschaftliche Veränderungen an
Rätsel um den Tod Stalins gibt es zur Genüge, doch eines ist sicher: der Mord an Stalin entsprach allein den Interessen Chruschtschows. Nach Stalins Tod und nach der Beseitigung Berijas hat Chruschtschow sich – mit Unterstützung des verfaulenden Teiles der sowjetischen Elite – sehr schnell alles und alle unterworfen, und bald darauf tummelte er sich auf dem ganzen Planeten, angefangen von den Maisfeldern bis hin zum Sitzungssaal der UNO-Generalversammlung.
Übrigens hat Chruschtschow später tatsächlich seine Mitwirkung am Tod Stalins eingestanden. Auf der Kundgebung zu Ehren der ungarischen Partei- und Regierungsdelegation am 19. Juli 1963 erklärte Chruschtschow, als er über Stalin sprach: „In der Geschichte der Menschheit gab es nicht wenige grausame Tyrannen, doch sie alle sind durch das Beil umgekommen, so wie sie selbst ihre Macht auf dieses Beil stützten“… Diese Aussage ist im Russischen Staatsarchiv für Tondokumente fixiert.
So wurde seit der Zeit als der tschetschenische „rote Professor“ Awtorchanow zu den Deutschen überlief, um später den Amerikanern zu Diensten zu sein, der Mord an Stalin stets Berija „angehängt“ und jene mächtige Figur der sowjetischen Geschichte in ein blutiges Monster verwandelt, dessen Hände bis zum Ellbogen von Blut besudelt seien…
Trotzki beschuldigte Stalin des Todes an Kirow. Awtorchanow, N.Dobrjucha und andere beschuldigen Berija des Todes an Stalin. Doch für beide Fälle haben die Kläger einfach keine Begründungen. In dem einem Fall widerlegt sich N.Dobrjucha selber, wenn darüber schreibt, dass lange vor dem Ableben Stalins Veränderungen[1] vorbereitet wurden, und dass bei der Vorbereitung dieser Veränderungen Berijas Rolle groß war. Alles was recht ist, aber die Veränderungen wurden auf Initiative Stalins vorbereitet. Stalin hatte sehr wohl verstanden, daß es in der sowjetischen Führungsschicht vor dem Hintergrund der zunehmenden der Macht der UdSSR in der Nachkriegszeit vor allem ideell zu Verfallserscheinungen gekommen war. Und es waren sehr einschneidende Maßnahmen[2] angedacht – ohne Erschießungen, aber mit Schlägen in die Kniekehle.
Wenn es am Montag, den 2. März 1953, mit einem lebendigem und gesunden Stalin eine erweiterte Sitzung des Präsidiums des ZK der KpdSU gegeben hätte, so hätten eine ganze Reihe von „Genossen“ ihre führenden Sessel verloren, vor allem hätte der Minister für Staatssicherheit Ignatjew abtreten müssen, der erheblich das Vertrauen Stalins verloren hatte. Rapide wäre auch Chruschtschow abgestürzt – ihm gegenüber hatten sich bei Stalin zu viele Beschwerden angesammelt. Und nicht nur ihm gegenüber…
Ein politisches Kontrollorgan
Der Umfang des Artikels erlaubt es nicht, auf alle Kernpunkte einzugehen, und viele der wichtigsten Umstände kann man nur skizzieren. Nehmen wir nur beispielsweise die Rede Poskrjobyschews, eines Mitarbeiters von Stalin, auf dem XIX. Parteitag. Wenn man sie nicht durchdacht hat, wird man bis heute nicht verstehen, worum es dabei ging. Ich will hier nur auf einen kleinen Teil eingehen – einen besonders schrecklichen und bedeutenden: „Es gibt … Fälle, wo einige allmächtige Beamte, ihre Macht mißbrauchend, ein Strafgericht abhalten, indem sie direkt oder indirekt ihre Untergebenen Repressalien und Verfolgungen aussetzen. (Im folgenden einige Hervorhebungen von mir in Kursivschrift, S.K.) Aber allen ist bekannt, dass unsere Partei und ihr Zentralkomitee solche Würdenträger streng bestraft, wobei weder Dienstgrade, noch Titel, noch vorherige Verdienste eine Rolle spielen…“
Konnte Poskrjobyschew als betont unmerkliche und nicht unabhängige Person das so sagen, in einem Saal, wo die Parteispitze des Landes versammelt war? Nein, natürlich nicht! Das sagte Stalin durch den Mund Poskrjobyschews. Allein diese Rede hat sofort die ganze Moskauer Gerüchteküche in Aufruhr versetzt! Und die Feststellung konnte nur auf ein Mitglied der „Stalinmannschaft“ zutreffen – auf Chruschtschow[3]…
Da hatte zum Beispiel auch die Geschichte mit dem Brief des Zootechnikers aus dem Moskauer Gebiet, N.I.Cholodow, an Stalin eine Bedeutung. Darüber wird ausführlich in meinem Buch über den Tod Stalins berichtet, und zwar im Kapitel „Der Winter 1952/53… und was Chruschtschow befürchtete“. Nachdem Chruschtschow die Landwirtschaft des Moskauer Gebietes ruiniert hatte, hatte er zu befürchteten, dass Stalin eine Kommission des ZK beauftragen würde, um das Problem zu untersuchen. Aus irgendeinem Grunde wird auch die folgende Tatsache nicht durchdacht: Nach dem XIX. Parteitag war das leitende Büro gebildet worden: Stalin, Malenkow, Berija, Bulganin und Chruschtschow. Stalin führte die Beratungen mehrmals gerade in diesem kleinen Kreis durch – am 16. Dezember 1952, am 13. Januar und am 7. Februar 1953.
Die „geheimnisvolle“ Trojka[4]
Die beiden letzten Beratungen seines Lebens im Kreml am 16. und am 17. Februar 1953 hat Stalin nur mit einer „Trojka“ durchgeführt: Berija, Malenkow, Bulganin. Beide Male waren sie bis zu 15 Minuten bei Stalin. Das alles sieht wie eine äußerst vertrauliche Vorbereitung auf gewisse wichtige Handlungen aus. Und auf diese geheimnisvolle „Trojka“ müßte man ausführlicher eingehen. Am 26. Januar 1953 war der Beschluß des Büros des Präsidiums des ZK der KPdSU Nr. 214 gefasst worden: „Die Frage über die Beobachtung spezieller Arbeiten. Mit der Durchführung der Arbeit spezieller Organe für besondere Angelegenheiten wurde eine „Trojka“ aus folgenden Genossen beauftragt: Berija (als Vorsitzender), Malenkow, Bulganin.“ Formell hatte die „Trojka“ Verteidigungsprojekte zu betreuen, aber in der offiziellen Terminologie gibt es einen feinen Unterschied! Die Arbeiten zur „Atomforschung“ und über Raketen und Luftverteidigung wurden gewöhnlich als ‚spezielle Arbeiten’ bezeichnet. Der „Trojka“ aber wurde mit der Durchführung der Arbeit „spezieller Organe für besondere Angelegenheiten“ beauftragt.
War es notwendig mit der Arbeit solcher spezieller Organe für solche ‚besonderen Angelegenheiten’ drei Mitglieder des Büros des Präsidiums des ZK zu beauftragen? Die „Trojka“ war die um Chruschtschow reduzierte „Fünfergruppe“. Der wesentlichste Charakterzug dieser „Trojka“ bestand darin, daß drei Menschen legal miteinander konferieren konnten, ohne Verdächtigungen ausgesetzt zu sein: Berija, Malenkow und Bulganin. Und worüber sie konferierten, das wusste nur Stalin.
Angesichts des Gesagten sieht die „Trojka“ aus wie ein gewisses politisches Kontrollorgan, das augenblicklich zu einem leitenden Triumvirat der höchsten Machtvollkommenheit Stalins zu werden imstande ist. Tatsächlich hat die „Trojka“ die führenden „Fünf“ ersetzt und Chruschtschow aus der bevollmächtigen Führung hinausgeworfen. Zum Vorsitzenden der „Trojka“ hatte Stalin Berija ernannt. Allein die Tatsache der Bestimmung Beriias zum Vorsitzenden der „Stalinschen Trojka“ widerlegt alle Unterstellungen der Gegner Berijas – einschließlich der, daß Stalin angeblich eine „Jagd“ auf den „Großen Mingrel“[5] Berija unternommen habe.
Mit der „Trojka“ und deren „Zugpferd“ Berija hätte – bildlich gesprochen – der „Kutscher“ Stalin Russland in eine sehr attraktive Zukunft führen können, wo Ignoranten vom Typ eines Chruschtschow nicht eingespannt werden würden! Hat vielleicht gerade das Chruschtschow bis zur Panik beunruhigt?
Seltsame „Erinnerungen“ und Behauptungen
Dabei sind die „Erinnerungen“ des ehemaligen ersten Sekretärs des ZK der kommunistischen Partei Georgiens Mgeladse, dass Berija Stalin nach der Beerdigung angeblich mit Schmach bedeckt und ihn verhöhnt habe, keinen Pfifferling wert. Es genügt, Berijas „Briefe aus dem Bunker“ durchzulesen, die er nach seiner Verhaftung schrieb, um zu verstehen, daß er sich Stalin gegenüber stets voller Hochachtung verhielt. Als verlogen erweisen sich auch die „Erinnerungen“ Molotows, Berija habe während der Beerdigung Stalins auf der Tribüne des Mausoleums erklärt, dass er Stalin beseitigt und damit „alle gerettet“ habe.
Ebensowenig glaubhaft sind die Erzählungen über „die Leute Berijas“ zum Schutz Stalins. Zu den „Leute Berijas“ zum Schutz Stalins in den 50er Jahren kann man auch General Sergej Kusmitschjow (1908-1989) zählen. Doch gerade ihn hat Ende 1952 der Chruschtschow-Vertraute und Chef der Moskauer Staatssicherheit Ignatjew (er war gleichzeitig auch Abteilungsleiter des Personenschutzes des Ministeriums für Staatssicherheit!) mittels Degradierung aus dem Ministerium für Staatssicherheit im Innenministerium entfernt; und überhaupt wurde Kusmitschjow im Januar 1953 verhaftet. Vorbildlich ist, daß Berija, nachdem er ins Innenministerium zurückgekehrt war, Kusmitschjow befreit und zum Vorgesetzten des Personenschutzes des Innenministeriums der UdSSR ernannt hat.
Was ist aber die Behauptung N. Dobrjuchas wert, daß Berija, nachdem er das Ministerium für Staatssicherheit und das Innenministerium zu einem Ministerium vereinigte … die Kontrolle über das gesamte politische und wirtschaftliche Leben“ gewonnen habe? Was soll das für eine „politische Kontrolle“ sein! Die Politik bestimmte dort eine Gruppe von Leitern. Und die wirtschaftliche Kontrolle? Das erklärt sich aus einer Aufzeichnung Berijas vom 17. März 1953, der im Ministerrat der UdSSR – wohl wissend, wo er es vorschlug – sagte: „…die Führung anderer Ministerien aus dem Innenministerium an die produktionswirtschaftlichen Hauptverwaltungen, die Bauleitungen, die industriellen Unternehmen mit allen industriellen in ihren Bestand industriellen und Bauunterabteilungen, den Amtsräumen, den Nebenwirtschaften, den Forschungs- und Projektinstitutionen, mit den materiellen Ressourcen … zu übergeben.“ Den zehn Fachministerien wurde eine riesige Verantwortung, einschließlich der Gewinnung von Gold und Bernstein übertragen! Sind das die Handlungen eines Herrenmenschen und Egoisten, der davon träumte, das ganze Land in ein Arbeitslager, in einen Gulag zu verwandeln?
Wobei Berija auch auf einen Gulag verzichtete! Am 28. März 1953 wurde auf Antrag Berijas eine Verordnung des Ministerrates der UdSSR „Zur Übergabe der Arbeits- und Besserungslager und -kolonien vom Innenministerium an das Justizministerium der UdSSR“ angenommen.
Und was ist die Behauptung Anatoli Lukjanows wert, daß Stalin in der Person Ponomarenkos seinen Nachfolger gefunden habe? P.K. Ponomarenko (1902-1984) war eine Figur aus der zweiten Reihe. Angeblich arbeitete er als von Stalin vorgesehener Nachfolger ab 1948 in Moskau; er erschien aber nur drei Mal in dieser Zeit im Kremlkabinett Stalins. Alle drei Male – Ende 1952 – zu den gewöhnlichen Beratungen. Schon das beweist, dass Stalin Ponomarenko nicht in irgendwelcher besonderen Weise wählte. Im Vergleich zu Berija war Ponomarenko ein grauer Spatz gegenüber einem scharfsichtigen Falken!
So, und um nun mit den „Enthüllungen“ N. Dobrjuchas abzuschließen, sei noch erwähnt, daß die von ihm erfundene Geschichte von Onkel Nino Beriia, dem Emigranten Gegetschkori, noch durch die Ermittlungen des Chruschtschowschen Generalstaatsanwalts Rudenko verschmutzt wurde, in der die Details, die Gründe und Umstände einfach verzerrt wurden, und wo irgendwann offenbar auch „Verhörprotokolle“ Beriias verfaßt wurden.
Wer profitierte von der Ermordung Stalins?
Ja, Stalin fiel einer Verschwörung zum Opfer. Und da Stalin vielen im Wege war – sowohl innerhalb, wie auch außerhalb der UdSSR – ist es logisch zu vermuten, daß es nicht nur eine begrenzte, eigennützige Verschwörung Chruschtschows und Ignatjews gegen Stalin war, sondern eine kombinierte mehrschichtige Verschwörung. Aber die äußeren sowjetfeindlichen Kreise[6] benutzten Chruschtschow „im Dunkeln“ – er war ein heimlicher Hasser Stalins, doch wohl kaum ein verborgener Feind des Sozialismus. Niemand hat allerdings so viel zur Vernichtung des Sozialismus in der UdSSR getan, wie Nikita Chruschtschow.
Berija fiel knapp vier Monate und Malenkow, Molotow und Kaganowitsch fielen knapp vier Jahre nach dem Tode Stalins. Wer aus der näheren Umgebung Stalins hat nun vom Tod Stalins profitiert? Wer hat sofort, und wer hat für lange Zeit davon profitiert? Die Antwort ist eindeutig: Nikita Chruschtschow. Außer ihm hat wieder einmal der mit Stalin verbundene, egoistische Teil der Partei- und Staatsführung profitiert. Diese „Partei-Clique“ wurde nach einigem Erschrecken, das die nuklearen Bedrohung durch die USA hervorgerufen hatte, in dem Bewußtsein bestärkt, dass jetzt auch die Sowjetunion über einen „nuklearen Schild“ verfügt. Jetzt waren sie imstande, offen und ungehemmt, herrlich und in Freuden zu leben – Stalin hätte dabei nur gestört. Also, wurde Stalin getötet, wurde er vergiftet. Berija, der es verstand, energisch zu arbeiten, wurde von diesem Gesindel ebensowenig benötigt wie Stalin.
Und Stalin wurde eben nicht von Berija getötet, obwohl das Buch von Abdurachman Awtorchanow „Rätsel des Todes Stalins“ den Untertitel hat: „Berijas Verschwörung“. Awtorchanow treibt ein provokatorisches Falschspiel, denn natürlich hatte Berija zu der Verschwörung gegen Stalin keinerlei Beziehung. Außer den völlig offensichtlichen Gründen beweist das auch die logische Analyse, die wir nicht zum ersten Mal unternommen haben, aber – was soll man machen!
War Berija der Mörder?
Nehmen wir einmal an, Berija habe die Ermordung Stalins organisiert, nachdem er seine alten Beziehungen zu Ignatjew vom Ministerium für Staatssicherheit verwendet. Doch schon das ist wenig wahrscheinlich! Zuverlässige Leute im Personenschutz des „Ignatjewschen“ Ministerium für Staatssicherheit hatte Beriia sieben Jahre nach seinem Abgang aus „den Organen“ nicht. Eine Verschwörung gegen das Staatsoberhaupt kann nur dann irgendeine Chance haben, wenn sich der vollberechtigte Chef des Sonderdienstes damit befasst. Und nur er kann das alles auf die sicherste Weise vorbereiten: er kann allmählich die erforderlichen künftigen Vollstrecker mit entsprechenden persönlichen, biographischen und dienstlichen Daten auswählen, sie dann prüfen und an allen notwendigen Punkten aufstellen, und die Stalin und seiner Sache ergebenen Kader, durch sie zu ersetzen. Der Freund Chruschtschows, der Minister der Staatssicherheit und Abteilungsleiter des Personenschutzes des Ministeriums für Staatssicherheit Ignatjew hatte in diesem Sinn im Vergleich zu Berija unbeschränkte Möglichkeiten. Sogar Leonid Mletschin musste akzeptieren, dass Berija im Ministerium für Staatssicherheit nicht die Macht hatte, um Kaderauswahl des Personenschutzes für Stalin zu beeinflussen.
Doch wie gesagt – wir nehmen es einmal an! Nehmen wir also an, dass die Ignatjew unterstellten Kader den „Auftrag“ Beriias erfüllt hätten. Stalin ist tot, und Berija bekommt nun das vereinigte Ministerium für Innere Angelegenheiten in seine Hände. Jetzt wären also die Kader Ignatjews, die Stalin „im Auftrag“ Beriias beseitigt hätten, Berijas Kader. Wenn Berija – wie seine Hasser behaupten – angeblich die Machtergreifung angestrebt habe, so hat er nun diejenigen Wachleute zur Verfügung, die Stalin beseitigt und sich mit der Ermordung des Staatsoberhauptes die Finger schmutzig gemacht haben. Warum sollte er sie also nicht zum „Schutz“, sagen wir, von Chruschtschow oder Malenkow „abgeben“?
Berija ist also – nach diesem N. Dobrjucha – ein Verbrecher, der Stalin ungestraft getötet hat! Und die Straflosigkeit ermuntert und erhitzt … Nachdem er nun einen erfolgreichen Schritt unternommen hat, sollte sich Berija also beeilen und den nächsten Schritt tun – denn das Eisen soll man schmieden, solange es heiß ist! Und dabei muss sich Berija sehr umsichtig verhalten, das heißt: nichts tun, um seine Kollegen zu erzürnen, und insbesondere, keine Initiativen unternehmen, die sie aufregen oder verärgern.
Doch Berija benimmt sich gerade entgegengesetzt, wie sich ein Verschwörer verhalten sollte. Er sprüht vor den Ideen und Vorschlägen, mischt sich energisch und konstruktiv in die Wirtschaft, in die Außenpolitik, in die innere nationale Politik ein, aber er mischt sich öffentlich ein, indem er Vorschläge ins ZK einbringt! Und jedesmal sind seine Vorschläge so begründet, daß man sie übernehmen muss! Wahrlich – ein perfekter „Verschwörer“! Er sorgt sich um die Beseitigung neuer „tödlicher Krankheiten“, er liquidiert die Gulags und die Paßbeschränkungen für Hunderttausende Menschen, er bemüht sich um Projekte republikanischer Auszeichnungen für die Kulturschaffenden der Unionsrepubliken u.ä.
Und zum krönenden Abschluß all dessen führt einen ZK-Beschluß herbei über den Verzicht der Dekoration von Gebäuden zu Feiertagen und auf Demonstrationen mit den Porträts der Staatsführung… Kaum war Berija verhaftet, wurde dieser Beschluss wieder aufgehoben.
„Der Dummkopf“
Ganz anders zeigt sich das Verhalten des „Dummkopfs“ Chruschtschow. Wenn man seine Spuren verfolgt, so stimmen sie mit dem Schema der Verschwörung völlig überein.
- Der erste Schritt – Stalin ist beseitigt. Man konnte ihn nur physisch beseitigen – politisch war er unerschütterlich. Chruschtschow sitzt „auf dem hohen Roß“, aber bis jetzt verhält er sich still und führt keine „Reiterkunststücke“ vor.
- Der zweite Schritt – Berija ist politisch diskreditiert und physisch beseitigt. Dabei gelang es, durch ihre Beteiligung, fast die gesamte Partei- und Staatsspitze der UdSSR zu besudeln.[7]
- Der dritte zerstörende Schritt Chruschtschows war der ХХ. Parteitag mit seiner politischen Diskreditierung Stalins und des tatsächlichen Schaffens Stalins, und das war die Sache des Neuaufbaus der sozialistischen Gesellschaft in Russland, der Schaffung von allseitig gebildeter, entwickelter, und deshalb freier Menschen.
- Der vierte Schritt war die politische Beseitigung des „Stalinkernes“ in der obersten Führung des Landes: Molotows, Malenkows und Kaganowitschs im Jahre 1957.
- Der fünfte und letzte Schritt, der unmittelbar von Chruschtschow unternommen wurde, war die Neutralisierung der inkonsequenten Reste des „Kerns“: Bulganins, Woroschilows, Perwuchins, Saburows und schließlich die „Zähmung“ Mikojans…
Heute kann man erkennen, dass diese „Kette“, die durch eine Reihe neuer „Glieder“ ergänzt wurde, uns zu den Beloweschsker Abkommen von 1991 geführt hat, lückenlos und wirksam aufgebaut wurde.
Konnte Chruschtschow, dieser wenig kluge, nur schlaue und zugleich böse, rachsüchtige, selbstherrliche und nicht allzu fähige Mensch diesen weitreichenden Algorithmus nicht verstehen, die Perspektive nicht erkennen? Er war der Mensch, welcher zur Personifikation des trüben Begriffes „Voluntarismus“ wurde. Nein – diese kluge Reihenfolge der miteinander eisern verketteten Schritte konnte Nikita Sergejewitsch selbständig nicht in den Kopf kommen. Dazu war Chruschtschow kein bewusster Feind des Sozialismus. Chruschtschow wurde blindlings und ohne sein Wissen als „sehr geehrter Nikita Sergejewitsch“ zum Totengräber der Sache Lenins, Stalins, des Schaffens von Millionen Bürger der UdSSR gemacht. Er wollte er sich nur auf dem Gipfel der Macht festhalten, sich später an Stalin rächen und Stalin verdunkeln. Wenn Berija in der nachstalinschen UdSSR in der Parteiführung verblieben wäre, hätte Chruschtschow das nicht tun können, oder genauer gesagt, mit Berija hätte der egoistische und sich zur „fünften Kolonne“ formierende Teil der Parteinomenklatur ins Gebäude der UdSSR nicht jene Systemminen verbringen können, die seit jenen Abenteuern des Neulands den Sozialismus allmählich von innen her sprengen sollten.
Ich schrieb schon viel über Berija, und wie mir scheint, verstehe ich jetzt auch gut seine Natur. Berija war der Sache des Aufbaus eines starken sozialistischen Rußlands schon deshalb ergeben, weil nur in einer solchen „Supergesellschaft“, wie es die Sowjetunion ist, die Fähigkeiten Berijas als eines wirksamen Verwalters vollständig zur Geltung kommen konnten. Und Berija war, wie jeder beliebige aktive Mensch, daran interessiert, große Taten zu vollbringen! Das macht uns Chruschtschow und seine Resolutionen nicht verständlicher.
(Übersetzt und leicht gekürzt von H. Meißner)
Anmerkungen:
[1] Auf Initiative Stalins fand vom 3.-12. April 1952 in Moskau eine internationale Wirtschaftskonferenz statt, an der sich 680 Fachleute, Minister und Wirtschaftsexperten aus 49 Ländern beteiligten. siehe: http://sascha313.blog.de/2013/12/02/sowjetischer-rubel-anstatt-dollar-17184848/
[2] Stalin beabsichtigte, dem Politbüro die unmittelbare Verantwortung für wirtschaftliche Entscheidungen zu entziehen, Partei- und Wirtschaftsfunktionen voneinander zu trennen, d.h. die Einmischung von Parteifunktionären in wirtschaftliche Angelegenheiten zu unterbinden – was Chruschtschow dann rückgängig machte.
[3] Chruschtschow gehörte zu denjenigen, auf deren Konto in den 30er Jahren die meisten Erschießungen im Rahmen der ‚Repressalien’ kamen. Mehrfach handelte er auch während des Großen Vaterländischen Krieges hinter dem Rücken und entgegen den Weisungen des Obersten Befehlshabers
[4]unter einer Trojka versteht man in Russland ein Pferdegespann mit drei Pferden
[5] Mingrel – Bezeichnung für eine ostgrusinische ethnische Minderheit (L.P. Berija war Grusinier)
[6] …und natürlich profitierten von der Ermordung Stalins in erster Linie die USA und die Westmächte!
[7] Übrigens auf dem Juli-Plenum des ZK 1953, das nach der Verhaftung Berijas stattfand, gelang es nicht nur nicht, die Hunde auf Berija zu hetzen, sondern Chruschtschow wagte es auch nicht, ihm die Ermordung Stalins „anzuhängen“. Dabei wäre das doch für Chruschtschow ein bequemer Anlass gewesen, Berija zu beschuldigen! Statt dessen herrschte völliges Schweigen. Es ist klar warum: das Thema war ja sehr ja rutschig, und es wäre für den echten Verbrecher – nämlich Chruschtschows – sehr gefährlich gewesen, es aufzugreifen.
Hier auch als pdf-Datei: Chruschtschow Mörder Stalins
Siehe auch:
Sowjetischer Rubel anstatt Dollar???
Intrigen und dunkle Geschäfte: Gedanken und Hintergründe zum Mord an Stalin
Eine verbrecherische Rede
Der Bruch in der kommunistischen Bewegung
L.Pribytkowa: Die Demontage
Das Wesen des Revisionismus
Sowjetischer Rubel anstatt Dollar???
Klaus Hesse: Staatsstreich Nr.1 – Der Mord an Stalin.
In: Geschichte der UdSSR und der KPdSU, Teil. 1.3, S.357.
(pdf-Datei: http://data8.blog.de/media/521/6798521_3ad5b25d83_d.pdf)