Nico Diener
Ben Sands auf Tournee
Der bekannte irische Folkmusiker spielt nicht nur vor erwachsenem Publikum
Anlässlich eines Gastspieles in Kiel hatte ich die Möglichkeit für American Rebel ein Interview mit dem bekannten irischen Folkmusiker Band Sands zu machen. Ben Sands gastiert regelmäßig in Kiel und wir kennen uns von vielen anderen Konzerten in den letzten Jahren. So fiel es ihm dann auch nicht schwer, in gemütlicher Atmosphäre meine Fragen zu beantworten. Er selbst ist auch Mitglied in unserer Facebook-
American Rebel: Hallo Ben, wir freuen uns, dass du einmal wieder in Kiel bist und dass wir dich unseren Leser/innen mit diesem Interview vorstellen dürfen. Die Sands Family ist schon oft in Deutschland aufgetreten, aber noch öfter hast du als Solo-Musiker in fast allen Bundesländern gespielt. Lass mich erst einmal nach deiner Kindheit fragen. Wolltest du auch schon als Junge Musiker werden?
Ben Sands: Hallo, schön euch hier zu treffen!
Ich wurde in eine Familie mit sieben Kindern hineingeboren und bin auf einem kleinen Bauernhof in der Grafschaft Down in Irland aufgewachsen. Wir hatten kein elektrisches Licht, kein Fernsehen und lange Zeit auch kein Radio!
Wir machten unsere eigene Unterhaltung, die auf diese Weise über Generationen weitergegeben wurde. Besonders im Winter, wenn alle Arbeit auf dem Bauernhof erledigt war, saßen wir am Abend rund um das Feuer, sangen Lieder und spielten jene Melodien, die wir meistens von unseren Eltern lernten. Ich begann damit, Klavier und Violine zu spielen – „nach Gehör“ – und später etliche andere Instrumente. Unsere Eltern und Großeltern, Onkel und Tanten und die meisten unserer Vettern und Kusinen waren eigentlich alle musikalisch begabt, und daher freuten wir uns alle auf das Zusammensein in der Familie, das immer eine Menge Musik und Spaß versprach.
So wuchsen wir Bauernkinder auf, umgeben von Kühen und Korn, Schweinen und Kartoffeln, Reels und Jigs [traditionelle gälische Volkstänze], Liedern und Erzählungen.
AR: Du und deine Familie leben in Nord Irland; wann und wie wurde dir bewusst, dass es eigentlich ein besetztes Land ist und dass aus der Besetzung viele Probleme entstehen?
BS: In der gleichen Weise, wie wir mit der Musik aufwuchsen, wurden wir auch mit der Politik vertraut gemacht. In Nord-Irland war das unvermeidbar, besonders in den späten 1960igern und 1970igern! Das war die Zeit der Bürgerrechtsbewegung, des Kampfes für „ein Mensch, eine Stimme“, für Gerechtigkeit und Gleichheit für alle. Leider antwortete die Regierung darauf mit Unterdrückung und der Einführung der Internierung ohne Gerichtsurteil, was zu vielen, vielen Jahren eines schrecklichen Konflikts mit Tausenden von Toten führte.
AR: Welchen Einfluss haben deine Lieder auf die Menschen in Irland?
BS: Es ist sehr schwer abzuschätzen, was die Wirkung von Liedern ist. In jenen Tagen wurden viele Songs ausschließlich geschrieben aus der Sicht der einen oder der anderen Seite. Wir versuchten Lieder zu schreiben, die den Blick auf ein größeres Bild öffneten, in dem Bemühen das Verständnis für den Konflikt zu erweitern und um Grundlagen zu legen für Hoffnungen auf die Zukunft. Einige der Lieder haben „die Unruhen“ überlebt, weil viele der Probleme immer noch existieren, nicht nur in Irland, sondern weltweit.
AR: Wann und wo bist du das das erste Mal im Ausland aufgetreten?
BS: Im Jahr 1970 gewannen wir den Gesamt-Irischen Folk Group Wettbewerb in Dublin und der Siegerpreis war eine Reise nach New York, um dort für drei Wochen zu spielen. Das war das erste Mal, dass ich Irland verließ.
Davor spielten wir meistens in kleinen Sälen und Gasthäusern.
Die Reise nach New York, im Januar 1971, markierte den Anfang einer professionellen Karriere der Sands Family.
AR: Spürst Du eine Veränderung im Norden Irlands und welche Hoffnungen hast du für die Zukunft?
BS: Ich glaube, wir haben Grund mit berechtigter Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft zu sehen! Wir haben einen langen, langen Weg zurückgelegt und haben immer noch eine gute Wegstrecke vor uns, aber die Zeichen sind gut.
„Was uns nicht umbringt, macht uns stärker!“
Einige Spaltungen der Vergangenheit sind immer noch da und werden wohl noch einige Zeit bleiben, aber ich glaube, sie werden verschwinden, weil eine neue Generation der Vorstellung folgt, dass wir auf jeden Fall viel stärker sind, wenn wir uns „zusammenreißen“.
AR: Auch Deutschland war ein geteiltes Land. Du und auch die Family sind vor und nach der Wiedervereinigung in ganz Deutschland aufgetreten. Kannst du beim Publikum eine Veränderung feststellen?
BS: Wir haben immer versucht, Songs in unser Repertoire aufzunehmen, die einen Blick auf die Welt werfen, so wie wir sie sehen. Es ist eine andere Welt entstanden, jenseits der Welt, in der wir aufgewachsen sind – auf dem kleinen Bauernhof, vor einem halben Jahrhundert!
Aber trotz aller Veränderungen in der politischen Landschaft – in Deutschland, Irland und überall in der Welt – MENSCHEN ändern sich nicht SO sehr!
Ungeachtet der politischen Umwelt, in der sie aufgewachsen ist, kämpft die übergroße Mehrheit – überall – für Frieden, Glück, Wohlstand und Zufriedenheit und dafür, ihren Familien ein Leben in Sicherheit, Gerechtigkeit und Würde zu ermöglichen.
AR: In den letzten Jahren kommst du nicht nur zu klassischen Solokonzerten nach Deutschland, sondern besuchst auch oft Schulen. Kannst du unseren Lesern erklären, worum es sich bei dem Projekt handelt?
BS: Ja, immer wieder werde ich zu Auftritten in Schulen eingeladen, daheim und im Ausland, worüber ich mich sehr freue.
Einige Lehrer glauben, dass es nützlich für ihre Schüler ist, wenn diese Lieder, Musikstile und Ideen kennenlernen außerhalb des gewöhnlichen Rahmens von Schulaktivitäten und Lehrplan. In Deutschland lernen die meisten Schüler Englisch in der Grundschule, es ist aber neu für sie, einen Musiker aus Irland Englisch sprechen – und singen – zu hören. Für mich ist das sowohl erfreulich als auch bereichernd, mit den Kinder zu arbeiten – bei den meisten Begegnungen lerne ich von ihnen genauso viel wie sie von mir. Es ist so inspirierend, den Enthusiasmus der Jugend und ihren Wissensdurst zu erleben. Wir waren alle einmal Kinder, einige von uns sind es immer noch.
AR: Ich danke dir für die vielen Infos und hoffe, dass wir dich noch oft in Deutschland begrüßen dürfen. American Rebel wird gerne deine Tourneedaten veröffentlichen, und ich wünsche dir für die Zukunft viele gute und interessante Engagements und Frieden für deine ganze Familie.
BS: War mir ein Vergnügen – alles Gute für alles was ihr macht!
Deutsche Übersetzung: Manfred Englisch
Lest hierzu auch:
Die Sands Family on Tour
„Ballad of a Songman“
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