Redaktion – 2. Dezember 2024
Die Internationale Konferenz marxistisch-leninistischer Parteien und Organisationen (IKMLPO) beendete ihre 29. Plenartagung, die im November ’24 in Hamburg stattfand, wie üblich mit einer Abschlusserklärung.
Die knapp anderthalb DIN-A4-Seiten umfassende Erklärung machte uns schon wegen ihrer Kürze neugierig. Bei genauerem Hinsehen bemerkten wir eine Oberflächlichkeit und eine Missdeutung des Marxismus-Leninismus in einigen Punkten, die nicht kritiklos bleiben können. Daher richten wir folgenden „Offenen Brief“ an die verantwortlichen Genossen und an alle Marxisten-Leninisten, in der Hoffnung, zum Nachdenken anzuregen und eine konstruktive Diskussion zu ermöglichen.
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„Offener Brief an die geschäftsführenden Gremien
der Internationalen Konferenz marxistisch-leninistischer
Parteien und Organisationen
Werte Genossinnen und Genossen,
Wir gratulieren Euch zur erfolgreichen XXIX. Plenartagung im November dieses Jahres in Hamburg. Uns liegt die eure Abschlusserklärung vor, die wir uns einmal genauer angeschaut haben. Dabei ist uns einiges aufgefallen.
Wir bemerkten, dass ein Grundmangel dieser Erklärung darin besteht, dass eine Binsenweisheit des Marxismus-Leninismus übersehen wird. Es ist die Tatsache, dass das Proletariat allein nicht siegen kann, dass es zur Errichtung der Diktatur des Proletariats auch in hochentwickelten Industrieländern Verbündete braucht, sein Hauptverbündeter aber die große Masse der armen Bauern ist. Deshalb spricht man auch von einer Arbeiter- und Bauernmacht, von einer Arbeiter- und Bauernarmee. Diese große, revolutionsentscheidende Masse wird in dem Abschlussdokument nicht erwähnt. Berechtigterweise erhebt sich die Frage, wie ernst es diesen Marxisten-Leninisten mit der sozialen Revolution ist. Die Ausführung, dass die XXIX. Plenartagung der Internationalen Konferenz marxistisch-leninistischer Parteien und Organisationen (IKMLPO) von revolutionärer Energie geprägt war, die das Handeln der Mitgliedsparteien und -organisationen der IKMLPO auszeichnet, ist doch sehr in Frage zu stellen.
Bekanntlich ist die isolierte Fixierung auf die Stadt ein urbürgerlicher ideologischer Grundzug. Durch die antifeudale bürgerliche Revolution wurde das Land der Stadt unterworfen. Engels sprach sich 1872 in seiner Polemik gegen den Proudhonisten (Anarchisten) Mülberger, die Schrift trägt den Titel Zur Wohnungsfrage, für die Aufhebung der stinkenden, gesundheitsschädlichen großen Metropolen aus, natürlich auch für die des Idiotismus des kapitalistischen Dorfes. Darin kommt revolutionäre Energie zum Ausdruck. Nach der gewaltsam niedergeschlagenen Revolution von 1905 trat Trotzki mit der Parole hervor: „Weg mit dem Zaren, her mit der Arbeiterregierung.“ Lenin bemängelte zu Recht, dass er die Bauern übersehen habe. Das Ausblenden der Rolle insbesondere der kleinen Bauern ist eine trotzkistische Missbildung des Marxismus-Leninismus. Die kommunistische Aufhebung des Gegensatzes von Stadt und Land ist doch eine Melodie, der auch in Hamburg von den Spatzen auf den Dächern zu lauschen ist.
Überhaupt besteht ein Grundmangel der Hamburger Finalerklärung in unzulässigen Pauschalisierungen, so in der Friedensfrage. Es wird zwar richtig bemerkt, dass der Imperialismus in sich den Vorabend der sozialen Revolution birgt, dass eine Konsequenz dieser der Frieden ist. So pauschal darf es in einem marxistisch-leninistischen Abschlussdokument nicht formuliert werden. Es kann sich doch nur um einen demokratischen Völkerfrieden handeln, nicht um einen weiterhin kriegsschwangeren, von bürgerlichen Politschurken ausgehandelten. Die Fahnen für den Frieden, so heißt es in dem Abschlussdokument weiter, wehen zusammen mit der Verurteilung des israelischen Zionismus und seiner Unterstützer. Durch diese Formulierung können pazifistische Illusionen hervorgerufen werden. An erster Stelle pflanzen die Marxisten-Leninisten die Fahnen revolutionärer Kriege und insbesondere revolutionärer Bürgerkriege auf.
Im Hamburger Dokument ist weiter zu lesen: „Inmitten des Kampfes um Arbeitsplätze, bessere Löhne, ein hochwertiges öffentliches Bildungs- und Gesundheitswesen, öffentliche soziale Sicherheit, den Schutz der Umwelt und andere Themen wachsen das Gefühl der Ablehnung des Kapitalismus und die Sehnsucht der Menschen nach Veränderung. Diese Unzufriedenheit der Massen wird jedoch von denjenigen ausgenutzt, die für ihre Existenz verantwortlich sind: der Bourgeoisie und der Oligarchie.“ Das sind soweit schöne Worte. Aber das Entscheidende fehlt: die Konsequenz, die Lenin in seinem politischen Hauptwerk Staat und Revolution im September 1917 gezogen hat. Das geht nicht ohne die völlige Vernichtung der Bourgeoisie.
Das ist nicht nur die Quintessenz der marxistischen Lehre vom Staat, sondern auch ein Vorhaben, das anzukündigen sich in einer Abschlusserklärung ausgesprochen passend ausnähme. Die Klassenkriegsorientierung muss stimmig sein. Also: völlige Vernichtung der Bourgeoisie als der Kernklasse der Konterrevolution und dazu die Quintessenz des Kommunistischen Manifestes:
„Mit einem Wort, die Kommunisten unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände. In allen diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor.“
Es bleibt sonst im Abschlussdokument folgender Satz an der politischen Oberfläche: „Der Faschismus stellt heute eine echte Gefahr für alle demokratischen Errungenschaften der Menschheit dar. Wie das letzte Jahrhundert gezeigt hat, ist er eine Rückkehr zur Barbarei.“ Die Eigentumsfrage, das ist der Kern der Sache.
Hamburg, 29. November 2025
Gruppe RoterMorgen“
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30 Jahre IKMLPO – Große internationalistischen Feier in Hamburg
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