Heinz Ahlreip – 17. August 2023
„Und unter tausend solchen Gelehrten wird sich vielleicht nur einer finden, der an die Arbeiterbewegung wissenschaftlich herantritt, das ganze gesellschaftliche Leben wissenschaftlich erforscht…“
(Josef Stalin, Kurze Darlegung der Meinungsverschiedenheiten in der Partei, Werke, Band 1, Dietz Verlag Berlin 1950,88).
Die deutschen Universitäten können heute nicht die Quelle des gesellschaftlichen Fortschritts sein, das ist bei ihrem inzestuösen Verharren im akademischen >Getto 999< ausgeschlossen.
Es ist jetzt schon über 15 Jahre her, da erschien in der FAZ, in der berühmt-berüchtigten ‘Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘, dem Pflichtblatt der Frankfurter Wertpapierbörse, am 14. März 2006 ein ganzseitiger, schon klassisch zu nennender Artikel von Prof. Dr. Uwe Volkmann: »Wovon lebt der Staat?«
Es bleibt immer aufschlussreich, wie die Finanzbourgeoisie und die Börsenhaie, über die wohl wichtigste Kategorie der bürgerlichen politischen Wissenschaft denken. Für die Arbeiterklasse ist die wichtigste Kategorie natürlich die Revolution. Wohl gemerkt, es wird nicht nach dem Wesen des Staates gefragt, sondern nach seinen Kosten, was für Börsianer auch naheliegender ist. Immerhin bringt dieser Professor es fertig, eine ganze Seite in der FAZ vollzuschreiben, ohne dass bei diesem Thema überhaupt das Wort Steuern fällt, obwohl ein bürgerlicher Klassiker schrieb:
dass es „…beinahe keine öffentlichen Angelegenheiten gibt, die nicht auf einer Steuer beruhen oder auf eine Steuer hinauslaufen…“.
(Alexis de Tocqueville, Der alte Staat und die Revolution, rororo klassiker, Rowohlt Verlag, 1969,83)
Und ein proletarischer Klassiker?
„…während gerade die Steuern den Zweck haben, den Bourgeois die Mittel zu verschaffen, sich als herrschende Klasse zu behaupten“.
(Karl Marx, Das Elend der Philosophie, Werke, Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1977,164)
Der Professor müht sich ab, für den spätbürgerlichen Staat ein Fundament zu suchen, das ihn dauerhaft tragen könnte.
Im Jahr 1919 hielt Lenin an der Swerdlow-Universität eine Vorlesung „Über den Staat“, in der er ausführte:
„…dass sich wohl kaum eine Frage finden wird, die von den Vertretern der bürgerlichen Wissenschaft, Philosophie, Jurisprudenz, Politischen Ökonomie und Publizistik absichtlich und unabsichtlich so verwirrt worden ist, wie die Frage des Staates.“
(Lenin, Ausgewählte Werke, Band 3, Dietz Vlg. Berlin 1970, 289)
Liest man den Aufsatz von Prof. Volkmann, so kommt es einem vor, als habe Lenin diesen Satz erst gestern geschrieben, als sei die Tinte noch ganz frisch. Der Professor übersieht bei der Staatsfrage einige fundamentale Punkte, er übersieht, „…dass es nicht immer einen Staat gegeben hat.“ (ebd.291) Der Professor versucht weiterhin darzulegen, dass der Staat immer auf einen Konsens, auf einen „Einklang der Seelen“ basiert. Er übersieht, dass man in der Staatsfrage „…stets den Kampf der verschiedenen Klassen untereinander…“ (ebd.290) wahrnimmt. Das Essentielle wird verschwiegen, dass der Staat nur dann entstehen kann, wenn durch die gesellschaftliche Arbeit ein gewisser Überschuss produziert wird, der „…für die allerarmseligste Existenz des Sklaven nicht mehr absolut notwendig war.“ (ebd.296) Man kann den Artikel von Prof. Volkmann ein zweites Mal lesen und dabei die Lupe zur Hand nehmen, die Worte Arbeiterklasse, Steuern, Überschussproduktion, unproduktive Bürokratie…etc. findet man nicht. Der Grund ist einfach: der Artikel ist eine Apologie der Versklavung von Arbeiter- und Arbeiterinnen (und der Bauern und Bäuerinnen).
Der Hauptfehler des Professors besteht darin, dass er die Staatsfrage nicht dialektisch untersucht und als Apologet der Lohnsklaverei sie auch nicht dialektisch untersuchen kann und darf. Die Herrschaft des bürgerlichen Staates über die Arbeiter und Arbeiterinnen, Bauern und Bäuerinnen, die Herrschaft des Kapitals über die Lohnarbeit soll ewig sein, deshalb soll der Staat als etwas Unantastbares gelten. Entstehung und Untergang, das Prozesshafte wird von den Ideologen der Konterrevolution zum Zwecke der Herrschaftsabsicherung beständig unterschlagen. Der ganze unwissenschaftliche Charakter der metaphysischen Staatsbetrachtung kommt sofort zum Vorschein, wenn wir den Staat in seiner Entwicklung verfolgen, wie ist er entstanden, welche Hauptetappen macht er in seiner Entwicklung durch (Staat der antiken Sklavenhalter, Staat der mittelalterlichen Leibeigenschaft, Staat des Kapitals), wie wird er historisch zur Aufhebung gebracht (kommunistische Revolution)?
Stattdessen verschiebt der Apologet Volkmann die Staatsfrage auf etwas Sekundäres: er zeichnet die Hauptetappen der den Staat ideell tragenden identitätsstiftenden Gemeinschaftsidee nach (Aristoteles: der Mensch sei ein zoon politikon („der Mensch als soziales, politisches Wesen“), Religion im Mittelalter, Nation im 19. Jahrhundert…und ab hier beginnt Volkmann zu suchen, was die Krise der spätbürgerlichen Staatsideologie widerspiegelt: Kann die Kultur/ eine Leitkultur die Staatseinheit, das Wir-Gefühl stiften? Kann es der Konsumismus?) !!! Soweit heruntergekommen ist die bürgerliche Staatstheorie in Zeiten des Imperialismus. Wir-Gefühl ist erstens sachlich falsch, der Staat ist immer das Produkt eines Klassenkampfes, und zweitens wird der Staat nicht von Ideen getragen, sondern durch Steuern und Staatsschulden, von dem Blut, dem Schweiß und den Tränen der unterdrückten, gesundheitlich verkrüppelter arbeitenden Volksmassen,
…wobei insbesondere die psychischen Erkrankungen rapide zugenommen haben, im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zu 2022 um 85 %.
(Vergleiche heute Nachrichten ZDF 19:11 Uhr vom 9. August 2023)
Staatsideologien spiegeln nur die Produktionsbedingungen wider, auf denen der jeweilige Staat basiert, zugleich schützen sie den Staat vor den Ideologien der progressiven Klassen, die im Schoße der jeweiligen Produktionsbedingungen weiterführende Produktivkräfte widerspiegeln. Zwar zitiert der Professor aus pluralistischer Höflichkeit auch den jungen Marx, übersieht aber dessen zentrale Aussage zum Staat (oder will sie nicht kundtun):
„Die Existenz des Staats und die Existenz der Sklaverei sind unzertrennlich.“
(Karl Marx, Kritische Randglossen zu dem Artikel eines Preußen, MEW 1, 401 f.)
Und aus der Pariser Kommune zog Marx die Schlussfolgerung, dass die Arbeiter und Arbeiterinnen in ihrer Revolution die bürgerliche Staatsmaschine zerschlagen, zerbrechen müssen.
Das Fazit des Professors lautet dann auch im Schlusssatz: „Zunehmend abgelöst von seinen legitimierenden Wurzeln und seinen Traditionen muß er (der Staat) wie ein moderner Sisyphos die Voraussetzungen, von denen er lebt, in immer neuen Anläufen selbst und täglich neu hervorbringen.“ Und so einen Schmarrn verzapft ein Mann des Volkes. Stalin hatte Recht, hier wird nicht wissenschaftlich an die Arbeiterklasse herangetreten, hier wird das gesellschaftliche Leben nicht wissenschaftlich erforscht, denn dann wäre das Ergebnis:
Die Arbeiterklasse bringt täglich die Voraussetzungen des bürgerlichen Staates hervor und bleibt mit dem ganzen deutschen Volk solange sein Sisyphos-Sklave, solange die Produzenten nicht die Produktion beherrschen.
Der Staat produziert also täglich die Arbeiter und Arbeiterinnen. Genau umgekehrt wird ein Schuh draus: Zerschlagen wir die bürgerliche Staatssklavenmaschinerie, das wird auch unserm Professor zugutekommen. Nach einer Revolution von Arbeitern und Arbeiterinnen sollte er 6-7 Jahre konzentriert in der Produktion arbeiten, damit er der Beantwortung seiner Frage: Wovon lebt der Staat? näher kommt.
Wie in den Naturwissenschaften sollte man in den Gesellschaftswissenschaften den Wirt nicht übersehen.
„Es muss diese Geschichtsmethode, die in Deutschland, und warum vorzüglich, herrschte, entwickelt werden aus dem Zusammenhang mit der Illusion der Ideologen überhaupt, z. B. den Illusionen der Juristen, Politiker (auch der praktischen Staatsmänner darunter), aus den dogmatischen Träumereien und Verdrehungen dieser Kerls, die sich ganz einfach erklärt aus ihrer praktischen Lebensstellung, ihrem Geschäft und der Teilung der Arbeit.“
(Karl Marx, Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie, in: Ausgewählte Werke Marx Engels Band I, Dietz Verlag Berlin, 1974, 242).
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Dieser Artikel fußt auf eine Vorlage von Heinz Ahlreip. Eine Weiterveröffentlichung des Textes ist gemäß einer Creative Commons 4.0 International Lizenz ausdrücklich erwünscht. (Unter gleichen Bedingungen: unkommerziell, Nennung der verlinkten Quelle (»Der Weg zur Partei«) mit Erscheinungsdatum).
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