Die Selbstaufhebung des Marxismus-Leninismus

Redaktion – 4. Februar 2025

Revolution im Wandel – Von der Februarrevolution zur Oktoberrevolution

Die russische Februarrevolution von 1917 war ein Meilenstein der Geschichte. Sie begann mit Streiks und Protesten gegen Hunger, Krieg und das Zarenregime. Doch was als bürgerlich-demokratische Erhebung begann, entwickelte sich weiter: Die Revolution trug den Keim des Sozialismus in sich, der im Oktober desselben Jahres zur Vollendung kam. Wie dieser revolutionäre Prozess voranschritt und welche Rolle die Bolschewiki spielten, zeigt eine Analyse der historischen Entwicklungen.

Zum Hintergrund der russischen Februarrevolution bedarf es einiger Klärungen. Diese wuchs in die Oktoberrevolution hinein, doch dieses Hineinwachsen barg einen qualitativen Sprung in sich. Beide Revolutionen wiesen entgegengesetzte Dimensionen auf. Am 9. Januar 1917 streikte ein Drittel aller Moskauer Arbeiter, am 18. Februar begann ein Streik in den Putilow-Werken, am 22. Februar legten die Arbeiter der meisten Petersburger Großbetriebe die Arbeit nieder. Am 8. März folgte eine große Demonstration der Frauen gegen Hunger, Krieg und das Zarenregime. Schon am 24. Februar streikten 200.000 Arbeiterinnen und Arbeiter. Einen Tag später erhob sich das Petersburger Proletariat geschlossen. Immer wieder erklangen die Rufe nach Brot, Frieden und Republik. Die Polizei griff hart durch. Doch am 26. Februar schlugen sich die Bauernsoldaten der Petersburger Garnison, von den Demonstrantinnen ermutigt, auf die Seite der Protestierenden. Die Entscheidung war gefallen.

Fabrikarbeiter und Bauernsoldaten bildeten das starke Rückgrat dieser bürgerlich-demokratischen Revolution. Bereits in den ersten Tagen entstanden Sowjets; neu im Vergleich zu 1905 waren die Soldatensowjets. Während die Menschewiki und Sozialrevolutionäre die Revolution für beendet hielten, erkannten die Bolschewiki, dass sie erst richtig begonnen hatte. Die Arbeiter und Bauern vertrauten zunächst auf die neben den Sowjets existierende bürgerliche Regierung, in der Hoffnung, sie würde ihre Forderungen nach Brot, Frieden und Arbeit erfüllen. Doch das Gegenteil war der Fall.

Die Februarrevolution führte zur Doppelherrschaft zweier Mächte im Land. Es war unausweichlich, dass ein Machtzentrum weichen musste. Die Bolschewiki setzten auf Aufklärung und gewannen so die Mehrheit in den Sowjets. Erst als die Absichten der konterrevolutionären Regierung offenkundig wurden, schwenkten die Volksmassen um, und die Bolschewiki übernahmen die Führung. Dies ermöglichte im Oktober den bewaffneten Aufstand.

Nach der Februarrevolution konnten die Bolschewiki zunächst offen agieren, gingen jedoch vor der Oktoberrevolution zur Vorbereitung des Aufstands erneut in den Untergrund. Lenins Rückkehr am 3. April 1917 und seine Aprilthesen stellten eine entscheidende Weichenstellung dar. Sie gaben der Februarrevolution eine sozialistische Perspektive und wiesen den Weg von der bürgerlich-demokratischen Parlamentsrevolution zur sozialistischen Räterevolution. Die Doppelherrschaft stand für zwei unterschiedliche Demokratiekonzepte: eines, das dem bürgerlichen Mehrparteiensystem entsprach, und eines, das auf eine Einparteienherrschaft als Ausdruck des wissenschaftlichen Sozialismus setzte.

Wissenschaftliche Erkenntnis ersetzt bloße Meinungen. Hegel formulierte einst, dass eine Meinung nur etwas Subjektives sei. Die politische Theorie des Marxismus-Leninismus geht davon aus, dass Parteien, die gegen den Befreiungsprozess der Arbeiterklasse stehen, letztlich nur als Hindernis dienen. Eine marxistisch-leninistische Partei kämpft nicht für den Machterhalt, sondern führt sich und die Gesellschaft mit der Zeit in eine klassenlose Ordnung.

Die Geschichte der KPdSU (B) lehrt, dass Kollektivbauern wohlhabend werden und die Kollektivwirtschaften bolschewistisch sein sollen. Diese zentrale Botschaft wird von Revisionisten oft vernachlässigt. Ebenso unterliegt der Marxismus-Leninismus selbst einer ständigen Weiterentwicklung. Im Kommunismus, einer Gesellschaft ohne Klassenkämpfe, ohne den Bedarf an revolutionärer Anleitung, verliert er seine Funktion und geht in seine eigenen Grundlagen zurück. So wird der Kapitalismus nie die Freiheit von Religion erreichen, sondern bleibt gefangen in den Widersprüchen seiner eigenen Verfassung. Der wahre Kommunismus hingegen befreit sich sowohl von bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften als auch von der Notwendigkeit des Marxismus-Leninismus selbst.

Die russische Revolution von 1917 war somit nicht nur ein Ereignis, sondern ein Prozess, der weit über das Jahr hinauswirkte. Sie markierte nicht nur das Ende der Zarenherrschaft, sondern legte den Grundstein für die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft. Die Revolution setzte nicht nur eine neue Gesellschaftsordnung durch, sondern zeigte, dass Geschichte ein lebendiger Prozess ist, in dem Ideologien sich selbst aufheben und in eine neue Stufe der Entwicklung eintreten.

.
Dieser Text basiert auf einer Diskussionsvorlage von Heinz Ahlreip. Unsere Redaktion hat ihn an den aktuellen Sprachgebrauch angepasst sowie flüssig, gegliedert und gut lesbar überarbeitet. Es wurden Verlinkungen einzelner Begriffe vorgenommen und Bilder hinzugefügt.

Eine Weiterveröffentlichung ist unter den Bedingungen der Creative Commons 4.0 International Lizenz ausdrücklich erwünscht (Weitergabe unter gleichen Bedingungen, nicht kommerziell, mit Nennung der verlinkten Quelle „Der Weg zur Partei“ und des Erscheinungsdatums).

 

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.